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> Seine Filme greifen politisch ein: Die Werkschau „Dokumentarische
> Positionen“ im Zeughauskino würdigt den Regisseur Rainer Komers
Von Fabian Tietke
Vor bewölktem Himmel steigen Flammen auf, Rauch kräuselt sich über und
neben den Flammen und verzieht sich. Auf der Tonspur kreischen Kinder. Eine
Einstellung später wird die Struktur hinter den Flammen sichtbar: ein
künstlicher Vulkan in einem Freizeitpark in Bottrop. Noch eine Einstellung
später sehen wir durch eine Brandschutztür ein anderes Feuer. Inmitten der
Flammen zeichnet sich schemenhaft ein Gestell ab, vor der Tür verläuft ein
Rohr mit Ventil. Der [1][Dokumentarfilmer Rainer Komers] nutzte Ende der
90er Jahre die Bundesstraße 224, die vom Münsterland durch das Ruhrgebiet
bis ins Bergische Land führt, um ein Panorama des Lebens im Ruhrgebiet zu
drehen.
Der Film war auch der Versuch, in formaler Hinsicht neue Wege zu
beschreiten: nach diversen eher reportagenhaften Filmen, die seit den
1970er Jahren entstanden waren, war „B 224“ eine Neuerfindung: drastische
Reduktion des verwendeten Materials, weitgehender Verzicht auf Gespräche,
mehr Augenmerk auf die fotografische Qualität der Bilder. Am Samstag läuft
der Film im Berliner Zeughauskino in Anwesenheit von Rainer Komers im
Rahmen der Reihe „Dokumentarische Positionen: Rainer Komers“. Die Filmreihe
ist eine Erweiterung der Hommage an Rainer Komers, die Tilman Schumacher
2024 für das Leipziger Festival GEGENkino zusammengestellt hatte.
Eröffnet wird die Reihe mit einem Doppelprogramm aus einem der ältesten und
einem der neusten Filme der Reihe. „480 Tonnen bis Viertel vor zehn“ (1981)
trägt den Untertitel „Bei den Hafenarbeitern in Duisburg-Hochfeld“. Er
zeigt einen Arbeitstag im Industriehafen. „480 Tonnen“ lief in der
WDR-Sendereihe Schauplatz und ein punktueller Kommentar verleiht dem
ansonsten im damals neuen Stil des Direct Cinema gehaltenen Film das
Mäntelchen der Reportage. Schon die Eröffnungssequenz zeigt, dass der Film
mehr ist. In einem Schwenk von nahezu 180 Grad vermisst die Kamera das
Hafenbecken und widmet sich dann einem alten dampfbetriebenen Kran.
Ehemalige Arbeiter vergleichen die Arbeitsbedingungen vor der damaligen
Technisierungswelle.
Ein Lungenfunktionstest, eine industrielle Lüftungsanlage, eine Rinderfarm
mit Reitern (einer übt Lassowerfen), ein stillgelegter Bergwerksschacht. In
wenigen Einstellungen umreißt Komers in „Milltown, Montana“ von 2009 das
Leben im ehemals größten Bergbaugebiet der USA.
Seit fünf Jahrzehnten macht Rainer Komers Filme über Menschen oder – wenn
es nur nicht so hochtrabend klänge – von menschlicher Existenz. Nur wird
dafür ab etwa Mitte der 1990er Jahre in ihnen auffallend wenig geredet. Sie
versuchen den Dingen weniger im Gespräch als in der Beobachtung und in der
Anordnung des Materials auf die Schliche zu kommen. Viele der Filme
verschränken Landschaften und Menschen. Ob in „B 224“ oder in „Milltown,
Montana“ geht es darum, in den Bildern der Landschaften die
Daseinsbedingungen der Menschen sichtbar werden zu lassen. Die Größe von
Rainer Komers’ Werk liegt in seiner unerschütterlichen Humanität.
„Dokumentarische Positionen: Rainer Komers“, 22. 8.-9. 9., Zeughauskino
21 Aug 2025
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DIR Fabian Tietke
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