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       # taz.de -- Anklage gegen Ex-Minister: Scheuer bekommt eine gescheuert
       
       > Die Berliner Staatsanwaltschaft beschuldigt den CSU-Politiker, im
       > Untersuchungsausschuss zur Ausländer-Maut „bewusst falsch ausgesagt“ zu
       > haben.
       
   IMG Bild: Andreas Scheuer (CSU) kommt als Zeuge zum Maut-Ausschuss des Bundestags, Berlin, am 1.10.2020
       
       Berlin taz | Der Skandal [1][um seine gescheiterte Ausländer-Maut] holt den
       früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ein: Die Berliner
       Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch Klage gegen den CSU-Politiker erhoben.
       Er soll vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Maut bewusst eine
       Falschaussage getätigt haben, heißt es in einer Mitteilung des Landgerichts
       Berlin. Die Anklage richtet sich auch gegen den damaligen Staatssekretär
       Gerhard Schulz.
       
       Auf eine taz-Anfrage reagierte Scheuer bis Redaktionsschluss nicht. [2][In
       der Bild-Zeitung] hingegen erhob er Vorwürfe: „Die Motive und der Zeitpunkt
       für die Anklage sind mir unverständlich und erscheinen mehr politisch
       motiviert“, so der ehemalige Minister. „Nach einer so langen Zeit der
       Untersuchung nutzt der Staatsanwalt genau das sogenannte mediale
       ‚Sommerloch‘ für die Anklageerhebung.“
       
       Scheuer war von 2018 bis 2021 Verkehrsminister unter Angela Merkel gewesen.
       Er wollte das lang gehegte CSU-Vorhaben einer Pkw-Maut für
       Ausländer*innen auf deutschen Autobahnen umsetzen. Deutsche
       Autofahrer*innen hätten dabei zwar auch für die Nutzung der Autobahnen
       zahlen müssen, sollten aber über einen Nachlass bei der Kfz-Steuer
       entlastet werden. Praktisch hätte die Maut also nur diejenigen getroffen,
       deren Autos nicht in Deutschland zugelassen sind.
       
       Sie sollte als Flatrate funktionieren. Nach der jährlichen Zahlung einer
       Pauschale hätten Autofahrer*innen beliebig viel fahren dürfen.
       Umweltschützer*innen kritisierten das [3][als Anreiz, das auch
       auszukosten]. Andere Länder kassieren streckenabhängige Beträge.
       
       ## Bei einer Verurteilung, droht Scheuer Gefängnis
       
       Ausschlaggebend für das Scheitern des Projekts war aber die Diskriminierung
       von Ausländer*innen. Der Europäische Gerichtshof urteilte 2019, die Pläne
       seien rechtswidrig. Nur hatte Scheuer zu diesem Zeitpunkt bereits Verträge
       mit einem Konsortium über den Betrieb des Mautsystems abgeschlossen. Dieses
       versuchte nach dem Scheitern der Pläne, Schadensersatzansprüche in Höhe von
       560 Millionen Euro geltend zu machen. Nach einem Schiedsverfahren musste
       der Bund 243 Millionen Euro zahlen.
       
       Das teure Debakel war ab 2020 Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im
       Bundestag. Die beauftragten Unternehmen gaben dort an, sogar angeboten zu
       haben, den Vertragsabschluss auf einen Zeitpunkt nach dem zu erwartenden
       Gerichtsurteil zu verschieben – doch Scheuer habe das ausgeschlagen. Er
       selbst sagte aus, nach seiner Erinnerung habe es kein solches Angebot
       gegeben. Das sehen die Staatsanwält*innen anders. Die Angeschuldigten
       sollen „entgegen ihrer tatsächlichen Erinnerung“ ausgesagt haben, heißt es
       in der Mitteilung des Gerichts. Laut Anklage solle es sich dabei um
       „bewusste Falschaussagen“ handeln.
       
       Sollte Scheuer verurteilt werden, droht ihm Gefängnis: Wer vor Gericht oder
       vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen
       zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch
       aussagt, wird laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis
       zu fünf Jahren bestraft.
       
       Politisch hatte der Skandal kaum Auswirkungen auf Scheuer. Der
       Untersuchungsausschuss hielt es mit der Regierungsmehrheit von Union und
       SPD nicht für erwiesen, dass Scheuer das Haushalts- und Vergaberecht
       gebrochen und im Bundestag gelogen hatte. FDP, Linkspartei und Grüne sahen
       das anders.
       
       ## 2024 zog sich Scheuer aus der Politik zurück
       
       Der umstrittene Politiker blieb so in seinem Amt als Verkehrsminister. Den
       Bundestag verließ Scheuer zum 1. April 2024 – um die politische gegen eine
       wirtschaftliche Karriere einzutauschen. Einzig auf kommunaler Ebene gab es
       indirekt Folgen des Mautdesasters: Im vergangenen Oktober legte Scheuer
       sein Amt als Passauer Stadtrat nieder. Andere Stadträte hatten Scheuers
       Eignung für den Sitz im Rechnungsprüfungsausschuss angezweifelt.
       
       [4][In den sozialen Medien] erklärte Scheuer dazu, es handele sich um „ein
       abgekartetes Spiel von einem Stadtrat der Grünen und einem fraktionslosen
       Neustadtrat“, das auch von Medien unterstützt worden sei.
       
       Schon kurz vor seinem Abschied aus dem Bundestag hatte Scheuer zwei
       Unternehmen gegründet. Die Positanis Holding verwaltet [5][laut Website
       Business Insider] sein Privatvermögen. Die zweite Firma namens Tancredis
       ist laut Lobbyregister des Bundestags ein Beratungsunternehmen.
       
       20 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gescheiterte-PKW-Maut/!5945690
   DIR [2] https://www.bild.de/politik/inland/wegen-millionen-debakel-um-maut-falschaussage-anklage-so-wehrt-sich-ex-minister-scheuer-68a4cc19ce696d388164294b
   DIR [3] /Regelung-der-Pkw-Maut/!5359284
   DIR [4] https://www.facebook.com/Andreas.Scheuer/posts/es-reicht/1075508993944482/
   DIR [5] https://www.businessinsider.de/politik/deutschland/was-andreas-scheuer-nach-seinem-ruecktritt-aus-bundestag-plant/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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