URI: 
       # taz.de -- Entwaffnung der Hisbollah im Libanon: Entscheidung vertagt
       
       > Libanons Kabinett wollte am Dienstag über die Entwaffnung der Hisbollah
       > entscheiden. Doch der endgültige Beschluss wurde vertagt.
       
   IMG Bild: Entscheidung vertagt: der libanesische Präsident Joseph Aoun (M) mit seinen Ministern, am 5.8.2015
       
       Beirut taz | Mehr als fünf Stunden dauerte die Kabinettssitzung, die im
       Libanon historisch werden sollte. [1][Am Dienstag wollte die Regierung über
       das heißeste politische Eisen abstimmen]: die Entwaffnung der Miliz der
       Hisbollah. Am Ende sollte der Entschluss stehen, dass die Hisbollah ihr
       Waffenarsenal im gesamten Land dem Staat übergeben muss.
       
       Doch stattdessen gab das Kabinett bekannt, dass die Debatte vertagt wird.
       Berichten zufolge soll die Entwaffnung der erste Punkt auf der Tagesordnung
       gewesen sein – der aber nach hinten verschoben wurde. Ministerpräsident
       Nawaf Salam gab am Abend bekannt, dass sich die Minister*innen am
       Donnerstag erneut zum Thema treffen werden.
       
       Immerhin: „Wir haben beschlossen, die Diskussionen über das von den USA
       vorgelegte Dokument fortzusetzen und die libanesische Armee zu beauftragen,
       bis Ende des Jahres einen Plan für ein Waffenmonopol auszuarbeiten und ihn
       dem Kabinett vor Ende dieses Monats vorzulegen“, sagte er. Kurz vor der
       Vertagung sollen laut lokalen Medien zwei von vier Vertretern der Hisbollah
       – Umweltministerin Tamara Elzein und Gesundheitsminister Rakan Nassereddine
       – den Raum verlassen haben.
       
       ## Die Hisbollah ist so geschwächt wie noch nie
       
       Im Vorfeld der Sitzung war der Libanon unter Spannung: Taxifahrer
       diskutierten mit ihren Passagieren, ob die Hisbollah sich wehren und einen
       neuen Bürgerkrieg anstacheln würde. Die Zeitung L'Orient-Le Jour fragte, ob
       die Hisbollah, wie bereits am 7. Mai 2008, die Beiruter Innenstadt besetzen
       würde. Menschen in Südbeirut packten ihre Taschen und übernachteten
       außerhalb – sie hatten Angst, dass Israel seine täglichen Angriffe wieder
       auf die mehrheitlich schiitischen Viertel ausweitet, falls keine
       Entscheidung fällt.
       
       Hisbollah-Vertreter hatten in den vergangenen Tagen gedroht, ihre Macht
       erneut zu demonstrieren, sollten sie genötigt werden, alle Waffen
       abzugeben. [2][Ein ähnliches Szenario gab es im Mai 2008:] Damals entschied
       die Regierung unter Fouad Siniora, das Telekommunikationssystem der
       Hisbollah zu zerstören. Daraufhin stürmte die Gruppe bewaffnet mehrheitlich
       sunnitische Viertel im Westen Beiruts.
       
       Es war das erste Mal seit dem libanesischen Bürgerkrieg (1975–1990), dass
       die Hisbollah ihre Waffen im eigenen Land genutzt hatte. Damals hatte der
       [3][2024 durch Israel getötete Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah] gesagt, er
       lehne eine starke libanesische Armee nicht ab – aber an der Seite des
       „Widerstands“, also der Hisbollah-Kämpfer.
       
       Heute ist die Hisbollah so geschwächt wie noch nie. Die israelische Armee
       hat die komplette Hisbollah-Führungsriege, viele ihrer Kämpfer oder
       Mitglieder getötet sowie Waffenarsenale zerstört. Hinzu kommt: Sie ist
       weitestgehend isoliert. Geldgeber Iran hat gezeigt, dass iranisches Militär
       nicht zur Seite springt. Mit dem Sturz des Assad-Regimes sind die Landwege
       für Waffenschmuggel gekappt.
       
       ## Hisbollah lehnt Abgabe der Waffen nicht grundsätzlich ab
       
       Wenige Stunden vor der Kabinettsitzung traf sich eine Hisbollah-Delegation
       mit Präsident [4][Joseph Aoun] und dem Chef der christlichen Freien
       Patriotischen Bewegung (FPM), Gebran Bassil, um ihre Forderungen zu
       erörtern: den israelischen Rückzug von fünf militärisch besetzten Punkten
       aus dem Südlibanon, die Rückkehr libanesischer Gefangener aus israelischen
       Gefängnissen und finanzielle Hilfen für den Wiederaufbau kriegszerstörter
       Gebiete.
       
       Während das Kabinett noch tagte, sprach Hisbollah-Chef Naim Qassem im
       Fernsehen. Er wehrte sich gegen einen „Zeitplan“ zur Entwaffnung, solange
       die israelische Aggression gegen das Land anhalte. Qassem drohte Israel
       erstmals seit Monaten wieder mit Raketenattacken und kritisierte den
       libanesischen Staat für sein mangelndes Verteidigungskonzept.
       
       Wegen ihrer extrem geschwächten Position lehnt die Partei der Hisbollah
       sowohl eine Debatte über das staatliche Waffenmonopol als auch die Abgabe
       ihrer Waffen nicht grundsätzlich ab. Die Miliz kooperiert bereits mit der
       libanesischen Armee, die im Süden Waffenarsenale räumt und Stützpunkte
       übernimmt. Qassem macht aber die Abgabe aller Waffen davon abhängig, dass
       Israel sich zuvor aus dem Südlibanon zurückzieht, die fast täglichen
       Angriffe einstellt, Gefangene freilässt und Garantien gibt, nicht weiter
       anzugreifen.
       
       Kurz nach Qassems Rede bombardierte die israelische Armee ein fahrendes
       Auto in der Nähe von Baalbeck. Der Fahrer, dessen Identität bisher
       unbekannt ist, wurde getötet.
       
       Das Kabinett wiederum konnte zumindest eine Entscheidung verkünden: Eine
       Straße, benannt nach dem syrischen Ex-Diktator Hafiz al-Assad, soll nach
       dem kürzlich verstorbenen Komponisten und Autor Ziad Rahbani umbenannt
       werden. Rahbani, der die Gesellschaft mit beißender Satire abzubilden
       wusste, hätte das Spektakel sicher gefallen.
       
       6 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Entwaffnung-der-Hisbollah-im-Libanon/!6101847
   DIR [2] /Hisbollah-und-Regierung-einigen-sich/!5181824
   DIR [3] /Nach-dem-Krieg-von-Israel-und-Hisbollah/!6068354
   DIR [4] /Politische-Krise-im-Libanon/!6061156
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
       ## TAGS
       
   DIR Beirut
   DIR Hisbollah
   DIR Libanon
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Social-Auswahl
   DIR Hisbollah
   DIR Libanon
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Libanon
   DIR Israel
   DIR Libanon
   DIR Iran-Israel-Krieg
   DIR Libanon
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Islamistische Gruppe aus dem Libanon: Mutmaßliches Hisbollah-Mitglied in Deutschland angeklagt
       
       Fadel Z. soll Bauteile für Drohnen besorgt haben, mit denen die Hisbollah
       Israel angriff. Dafür operierte er offenbar mit Scheinfirmen.
       
   DIR Freizeit in Nahost: Händchenhalten in den Bergen
       
       Seit der Coronapandemie wandern im Libanon mehr Menschen. Das stärkt den
       Zusammenhalt in einem Land, in dem die Gesellschaft gespalten ist.
       
   DIR Historische Entscheidung im Libanon: Hisbollah soll komplett entwaffnet werden
       
       Die libanesische Regierung hat die Entwaffnung aller nicht-staatlichen
       Akteure bis Jahresende beschlossen. Der Plan gilt als politisch riskant.
       
   DIR Israelische Angriffe im Südlibanon: Ein Waffenstillstand, der keiner ist
       
       Das israelische Militär hat am Mittwochabend Gebiete im Süden Libanons
       bombardiert. Die Diskussionen zur Entwaffnung der Hisbollah gehen noch
       weiter.
       
   DIR +++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel will vollständige Kontrolle über den Gazastreifen
       
       Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat sich bei Fox News zu den
       Gaza-Plänen geäußert. Die Armeeführung hatte zuvor vor einer Besetzung
       gewarnt.
       
   DIR Entwaffnung der Hisbollah im Libanon: Regierung unter Druck – von innen wie außen
       
       Das libanesische Kabinett entscheidet am Dienstag über die Entwaffnung der
       Hisbollah. Das könnte bestimmen, ob Israel seinen Krieg im Libanon wieder
       ausbaut.
       
   DIR Irans Verbündete: „Achse des Widerstands“ zögerlich
       
       Die Hisbollah hält das Waffenstillstandsabkommen mit Israel ein. Die Huthis
       feuern Raketen ab, sind aber tendenziell orientierungslos.
       
   DIR Libanon: Hisbollah und Amal gewinnen Kommunalwahlen im Süden
       
       Der Libanon wählt zum ersten Mal seit Langem auf Lokalebene. Die
       schiitischen Parteien können sich im Süden behaupten, doch die
       Wahlbeteiligung sinkt.