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       # taz.de -- Leichtathletik in Deutschland: Show auf Tartan
       
       > Cologne Athletics will die Leichtathletik modernisieren – mit
       > Entertainment. Bei der Weltmeisterschaft in Tokio sollen sich erste
       > Erfolge zeigen.
       
   IMG Bild: Imke Onnen springt für Cologne Athletic in die Weltspitze, Lausanne, August 2025
       
       Berlin taz | Am Wochenende startet die [1][Leichtathletikweltmeisterschaft]
       in Tokio. Vier Jahre nach den Olympischen Spielen kehren die deutschen
       Leichtathletinnen und Leichtathleten nach Japan zurück – und sie haben ein
       klares Ziel: eine Medaille. Denn die Erinnerung an das Desaster von der
       [2][WM in Budapest 2023] sitzt tief: Damals reiste das deutsche Team ohne
       eine einzige Medaille nach Hause.
       
       Doch um die [3][Leichtathletik steht es in Deutschland bekanntlich nicht
       gut]: geringe mediale Aufmerksamkeit, schwache internationale Ergebnisse,
       ein Absturz in der Weltrangliste. Doch einer will das ändern: Claus
       Dethloff. Der ehemalige Weltklasse-Hammerwerfer und heutige Unternehmer hat
       sich eine Mission gesetzt: die Leichtathletik in Deutschland neu
       aufzustellen.
       
       Vor vier Jahren gründete Dethloff den Verein [4][Cologne Athletics], der
       mittlerweile Ableger in Frankfurt, Leipzig, Ostwestfalen-Lippe, Düsseldorf,
       Hamburg, München, Berlin und im Saarland hat. Angefangen hat aber alles in
       Köln, erzählt Claus Dethloff. Als langjähriger Leistungssportler habe er im
       Verein seiner Kinder gemerkt, dass das deutsche Leichtathletiksystem so
       nicht funktioniert.
       
       „[5][Köln war ein Trauerspiel]. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften
       waren nur vier, fünf Leute, und das fand ich lächerlich für eine
       Millionenstadt“, sagt Dethloff. Es kam die Idee auf, etwas Eigenes zu
       gründen – und das hat nun Erfolg. Später schuf Dethloff den Dachverband
       Germany Athletics. Das ist ein Franchisesystem, das Leichtathletikvereine
       in Metropolregionen bündelt und die Sportart bundesweit stärken soll.
       
       ## „Wir sind auf einem absteigenden Ast“
       
       Claus Dethloff erzählt aufgebracht über die aktuelle Situation der
       [6][Leichtathletik in Deutschland]. „Wir sind auf einem absteigenden Ast.
       Da kann man auch nicht sagen, dass wir mehr Geld brauchen. Ich glaube eher,
       dass wir uns im System selbst abgeschafft haben.“ Vorhandenes Geld werde
       schlecht verteilt, bleibe in Geschäftsstellen hängen und erreiche weder
       Athlet*innen noch Trainer*innen.
       
       Das habe auch zur Folge, dass kleinere Vereine aussterben. Dabei sind die
       essenziell für den Nachwuchs. Darum setzt Dethloff auf Basisarbeit. Ein
       Kernstück seines Konzepts ist eine „Schulsportoffensive“, die Kinder
       frühzeitig mit Leichtathletik in Kontakt bringen soll. „Wir müssen jetzt
       Neuland betreten, sonst haben wir in fünf Jahren keine Athleten mehr“,
       warnt er.
       
       Das zweite Problem sieht Claus Dethloff in der fehlenden Strahlkraft:
       [7][Leichtathletik] ist keine Marke und auch nicht unterhaltsam. Meist gibt
       es pro Jahr nur zwei Großereignisse, die mediale Aufmerksamkeit erzeugen.
       Für eine Fanbindung sei das viel zu wenig.
       
       Dethloffs Vision: ein Ligensystem mit regelmäßigen Wettkämpfen, gerne auch
       disziplinspezifisch und verbunden mit mehr Entertainment. Er denkt zum
       Beispiel an ein Städtederby: Berlin gegen Köln, das zum Klassiker werden
       könnte. „Leichtathletik könnte auch Fußball sein. Die Hälfte der
       Fußballfans geht zu den Spielen, weil da geile Stimmung ist. Da müssen wir
       auch hin.“
       
       ## Zu wenig Festivals, zu wenig Fanbindung
       
       Neben dem Showfaktor geht es Dethloff auch um die [8][Rahmenbedingungen für
       Sportler*innen]. Das aktuelle Fördersystem sei zu unsicher: Wer nicht im
       Kader steh, etwa wegen Verletzungen oder einer vorübergehenden
       Leistungsstagnation, fällt schnell durchs Raster. „Bis zu 30 Prozent
       Potenzial könnten wir freischalten, wenn Athleten sich voll auf den Sport
       konzentrieren könnten und mehr Sicherheit hätten.“
       
       Seine Ideen stoßen jedoch nicht nur auf Zustimmung. Kritiker*innen
       werfen den Athletics-Klubs vor, erfolgreiche Athlet*innen abzuwerben.
       „Konkurrenz kann produktiv sein – wenn sie fair ist“, sagt Julia Riedl,
       Geschäftsführerin der [9][LG Stadtwerke München]. „In diesem Fall erleben
       wir jedoch ein Modell, das versucht, sich einen Vorsprung durch den Zugriff
       auf bereits fertig entwickelte Athleten und Athletinnen zu verschaffen“, so
       Riedl in der „Sportschau“.
       
       Dethloff weist diese Kritik entschieden zurück: Die Sportler*innen seien
       aus eigenem Antrieb zu ihm gewechselt und seine Vorschläge zur Kooperation
       mit etablierten Vereinen seien stets abgeblockt worden.
       
       Unabhängig von der Kritik: Das Modell zeigt Wirkung. Bei der WM in Tokio
       starten gleich sieben Athlet*innen, die einem Athletics-Klub angehören –
       darunter Weltklasse-Hochspringer Tobias Potye und [10][Imke Onnen]. Diese
       Athlet*innen hat er bereits von seinem System überzeugt – mal sehen, ob
       er es auch in der restlichen Leichtathletik-Szene schafft.
       
       11 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Luisa Holzkamp
       
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