# taz.de -- Wenn Anrufe ins Leere laufen: Ich habe heute leider keinen Arzttermin für dich
> Einen Arzttermin per Telefon zu vereinbaren, kann einer Odyssee
> gleichkommen. Wie gut, dass es Alternativen gibt. Doch funktionieren
> diese überhaupt?
IMG Bild: Den kleinen Zeh brechen ist nicht schwer, einen Arzttermin zu bekommen dagegen sehr
Wie bekommt man eigentlich einen Arzttermin? In Zeiten, in denen in immer
mehr Praxen nur im Glücksfall jemand ans Telefon zu kriegen ist, eine nicht
ganz irrelevante Frage. Zaubern, beten, Glücksrad drehen, Rohrpost
schicken?
Na gut, diese Tricks kursieren noch nicht, aber dafür diverse andere: Mail
schreiben oder hingehen und vor Ort einen Termin vereinbaren. Das bedeutet
für weiter entfernte Praxen noch mehr investierte Zeit – aber was tut man
nicht alles für die eigene Gesundheit? Beim Besuch gerne eine Kleinigkeit
mitbringen, um die medizinischen Fachangestellten für sich gewogen zu
machen. Auch Beziehungen helfen: Kennt die Freundin vielleicht den Bruder
einer Mitarbeiterin in einer Praxis? Jackpot!
Eine Alternative sind digitale Such- und Terminvereinbarungsportale. Dafür
braucht es zwar weniger Zeit und Mobilität, dafür aber eine innere
Bereitschaft, die eigenen Daten an [1][potenziell zweifelhafte] Plattformen
zu geben. Seelen? Pff, will doch heute keiner mehr kaufen. Wir nehmen nur
Daten!
Die Plattformen haben aber, abgesehen davon, dass sie Menschen mit akuter
Anruf-Allergie die Terminbuchung erleichtern, einen weiteren Vorteil – wenn
auch wohl eher unbeabsichtigt: Sie machen das unfaire deutsche
Zweiklassengesundheitssystem ein bisschen transparent. Privatversichert?
Nehmen Sie diesen Termin morgen um 17.30 Uhr. Gesetzlich versichert? Leider
nichts mehr frei. Beratung Laserbehandlung Privatleistung? Haufenweise
Termine für die kommende Woche. Vorsorgeuntersuchung in derselben Praxis
als Kassenleistung? Na gut, Sie können es sich denken.
## Zweiklassensystem mit neuem Dreh
Nun macht das Zweiklassensystem noch eine neue Volte. Denn auf den
Terminvermittlungsplattformen werden manchmal spontan Zeitfenster frei, zum
Beispiel, wenn ein:e Patient:in abgesagt hat. Um das mitzubekommen,
müsste man aber ständig reload-klickend am Computer oder Smartphone hängen
oder zufällig im richtigen Moment auf die Seite schauen. Wer schon mal in
so manch einer deutschen Großstadt einen Termin beim Bürgeramt machen
wollte, kennt das Problem.
Technisch findige Menschen können sich daher eines kleinen Skriptes
bedienen, das die Plattform automatisch nach frei werdenden Arztterminen
durchforstet und die Info als Push-Mitteilung aufs Smartphone schickt.
Vorlagen gibt es als Open-Source-Projekt zum Beispiel auf GitHub und man
braucht zwar keine ausgefeilten Programmierfähigkeiten dafür, aber ein paar
Grundkenntnisse helfen.
Also vor dem nächsten Arzttermin: Programmierkurs besuchen. Die Investition
dürfte sich auszahlen: spätestens dann, wenn Termine generell – vom
Bürgeramt bis zum Friseur, von der Autowerkstatt bis zur Physiotherapie –
praktisch nur noch online buchbar sind. Jedenfalls bis zur nächsten
technischen Volte: KI-Agenten gibt es jetzt schon, wahrscheinlich werden
die irgendwann die Terminvereinbarung ganz automatisch verhandeln können.
Nur mit dem gebrochenen Zeh rumlaufen muss man immer noch selbst.
8 Aug 2025
## LINKS
DIR [1] /Big-Brother-Award-fuer-Online-Plattform/!5778302
## AUTOREN
DIR Svenja Bergt
## TAGS
DIR Kolumne Digitalozän
DIR Gesundheit
DIR Verbraucherschutz
DIR Digitalisierung
DIR Plattformökonomie
DIR Software
DIR Social-Auswahl
DIR Reden wir darüber
DIR Kolumne Digitalozän
DIR Kolumne Digitalozän
DIR Gesundheitspolitik
DIR Apokalypse der Woche
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR KI-Hotlines im Kundenservice: Der Trick mit der gefühlten Wartezeit
Endlosdudel-Warteschleifen und Sinnlos-Dialoge? Das kennen viele aus
Firmen-Hotlines und -Chats. Doch es gibt erste Ansätze, sich zu wehren.
DIR Musikhören in Zeiten von KI: Algorithmen, die Ohrwürmer schreiben
Musik, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz produziert wurde – das
geht heute schon in Sekunden. Unsere Autorin hat deshalb Vorurteile.
DIR Elektronische Patientenakte: Akten digital, aber oft noch leer
Für Befunde haben inzwischen fast alle Kassenpatienten eine digitale Akte.
Viele nutzen sie noch nicht aktiv, kritisiert der Hausärzteverband.
DIR Effekte der Klimakrise: Stärkere Allergien, mehr Betroffene
Mit der Erderhitzung steigt die Zahl derer, die von Allergien betroffen
sind – und die Intensität. Eine Medizinerin erklärt, woran es liegt.