URI: 
       # taz.de -- Wahl zum Bundesverfassungsgericht: Brosius-Gersdorf zieht sich zurück
       
       > Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur für das
       > Bundesverfassungsgericht zurück. Die Union würde ihre Wahl ausschließen.
       
   IMG Bild: Steht nicht mehr für die Wahl als Richterin für das Karlsruher Gericht zur Verfügung: Prof. Frauke Brosius-Gersdorf (Juristin)
       
       Berlin dpa | Die von der SPD nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf
       will nicht länger für die Richterstelle am Bundesverfassungsgericht
       kandidieren. [1][Dies teilte 54-Jährige über ihre Bonner Anwaltskanzlei
       mit.]
       
       „Nach reiflicher Überlegung stehe ich für die Wahl als Richterin des
       Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung“, erklärte die Potsdamer
       Juraprofessorin demnach. „Mir wurde aus der CDU/CSU-Fraktion – öffentlich
       und nicht-öffentlich – in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich
       signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist. Teile der
       CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab.“
       
       Auch drohe ein „Aufschnüren des ‚Gesamtpakets‘“ für die Richterwahl. Das
       gefährde die beiden anderen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht,
       „die ich schützen möchte“, hieß es weiter. Es müsse verhindert werden, dass
       sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitze „und eine
       Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie
       nicht absehbar sind“.
       
       ## Gründe für den Kandidatur-Verzicht
       
       Über ihre Rechtsanwälte verbreitete Brosius-Gersdorf eine Erklärung,
       [2][die LTO, ein Online-Magazin für Juristen, im Wortlaut dokumentiert].
       Die Erklärung gliedert sich in acht Punkte, in denen sie ihren Verzicht auf
       die Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht begründet.
       
       Trotz klarer Rückendeckung durch die SPD sowie Unterstützung von Grünen und
       Linken sei die Wahl nicht mehr realistisch, schreibt sie. Ihre
       wissenschaftliche Position zum Schwangerschaftsabbruch sei politisch
       instrumentalisiert worden, ohne sich mit den rechtlichen Argumenten
       auseinanderzusetzen. Zudem kritisiert sie Medienkampagnen und
       Desinformationswellen, auch in sozialen Netzwerken, die zunehmend Einfluss
       auf demokratische Prozesse und Entscheidungen im Parlament nehmen würden.
       
       Sie mahnt an, dass fachliche Kompetenz nicht durch unsachliche Debatten
       überlagert werden dürfe und warnt vor einer dauerhaften Beschädigung des
       Wahlverfahrens. Abschließend bedankt sie sich für die große Unterstützung
       aus Politik und Gesellschaft und betont, dass sie sich weiterhin für die
       Werte des Grundgesetzes einsetzen werde.
       
       ## Brosius-Gersdorf wollte Schaden für Gericht vermeiden
       
       Die Wahl von Brosius-Gersdorf und zwei weiteren Nominierten für das höchste
       deutsche Gericht [3][war im Juli im Bundestag kurzfristig abgesetzt
       worden]. Teile der Unionsfraktion hatten [4][Vorbehalte] gegen die von der
       SPD nominierte Brosius-Gersdorf. Als Grund wurden unter anderem Äußerungen
       zum Schwangerschaftsabbruch und zu einer möglichen Impfpflicht in
       Corona-Zeiten angeführt. Auch meldete sich kurz vor der geplanten Wahl der
       Plagiatssucher Stefan Weber mit Fragen zur Dissertation der
       Staatsrechtlerin zu Wort.
       
       Brosius-Gersdorf hatte zunächst an ihrer Nominierung festgehalten. Sie
       hatte in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ aber auch erklärt, sie würde
       verzichten, falls dem Gericht in der Debatte Schaden drohen sollte. „Das
       ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten.“ Das
       Bundesverfassungsgericht müsse in Ruhe arbeiten können und funktionsfähig
       bleiben.
       
       Die Jura-Professorin betonte damals: „Ich möchte auch nicht verantwortlich
       sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was
       dann hinterher passiert. Das sind alles Aspekte, die nehme ich unheimlich
       ernst und die bedenke ich.“
       
       Obwohl die Fraktionsführung der Union die Nominierung von Brosius-Gersdorf
       zunächst mitgetragen hatte, konnte sie die mit dem Koalitionspartner
       verabredete Unterstützung unmittelbar vor der geplanten Wahl nicht mehr
       garantieren. Auch die Wahlen des Unionskandidaten Günter Spinner und der
       zweiten SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold wurden von der Tagesordnung
       genommen.
       
       Wie die Koalitionspartner CDU, CSU und SPD das Dilemma auflösen würden, war
       damit völlig unklar. Die Unionspolitiker hielten an ihrer Kritik fest, die
       SPD an ihrer Kandidatin.
       
       ## Brosius-Gersdorf hatte von Drohungen berichtet
       
       In einer früheren schriftlichen Stellungnahme hatte die Juristin die gegen
       sie erhobene Vorwürfe deutlich zurückgewiesen. „Die Bezeichnung meiner
       Person als ‚ultralinks‘ oder ‚linksradikal‘ ist diffamierend und
       realitätsfern“, heißt es darin. In manchen Medien sei zudem falsch über
       ihre Position zum Schwangerschaftsabbruch berichtet worden. Im ZDF betonte
       Brosius-Gersdorf: „Ich vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte
       unserer Gesellschaft.“ Dies könne jeder nachlesen.
       
       Brosius-Gersdorf hatte auch berichtet, sie habe Drohungen und verdächtige
       Poststücke erhalten. „Ich musste vorsorglich meine Mitarbeitenden bitten,
       nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten“, sagte die Juristin im ZDF. Die
       Berichterstattung über die Verfassungsrichterwahl und ihre Person sei
       „nicht spurlos an mir vorbeigegangen, nicht an mir, nicht an meinem Mann,
       an meiner Familie, meinem gesamten sozialen Umfeld.“
       
       Für die schwarz-rote Koalition war die geplatzte Richterwahl eine Schlappe.
       „Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen
       eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt“, hatte Unionsfraktionschef
       Jens Spahn (CDU) in einem Brief an seine Fraktion geschrieben. Er gab aber
       auch der SPD eine Mitverantwortung für die gescheiterte Suche nach einem
       Kompromiss.
       
       7 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lto-dokumentiert-erklaerung-im-wortlaut
   DIR [2] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lto-dokumentiert-erklaerung-im-wortlaut
   DIR [3] /Wahl-zur-Verfassungsrichterin/!6099841
   DIR [4] /Wahl-der-VerfassungsrichterInnen/!6100685
       
       ## TAGS
       
   DIR Richter:innenwahl 
   DIR Frauke Brosius-Gersdorf
   DIR Bundesverfassungsgericht
   DIR CDU/CSU
   DIR SPD
   DIR Social-Auswahl
   DIR Reden wir darüber
   DIR Bundesverfassungsgericht
   DIR Verfassungsgericht
   DIR Julia Klöckner
   DIR Brandmauer
   DIR Schwerpunkt Paragraf 219a
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Wahl fürs Bundesverfassungsgericht: Schlucken oder spucken?
       
       Die Linkspartei ist das Zünglein an der Waage bei der Wahl der
       BundesverfassungsrichterInnen. Und will sich nicht zu Kopfnickern
       degradieren lassen.
       
   DIR Rückzug von Brosius-Gersdorf: Es ist die Stunde der Antifeministen
       
       Der Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf ist ein Sieg der rechten Hetzer –
       der nur durch die Unterstützung von CDU und CSU möglich war.
       
   DIR Wahlrecht in Deutschland: Klöckner will Reform der Reform
       
       Die Bundestagspräsidentin mahnt die Regierungsparteien zu einer Änderung
       des Wahlrechts. Eine Politikwissenschaftlerin sieht drängendere Probleme.
       
   DIR Nach Treffen mit Alice Weidel: Unionsfraktion auf Distanz zu Abgeordneter Saskia Ludwig
       
       Die CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig traf bei einer rechten Denkfabrik in
       Ungarn auf AfD-Chefin Weidel. Nun reagiert die Unionsfraktion.
       
   DIR Studie zu Schwangerschaftsabbrüchen: Wann ist die Veröffentlichung?
       
       Seit 2024 liegen dem Gesundheitsministerium Ergebnisse einer Studie zu
       Abtreibungen vor, veröffentlicht sind sie nicht. Weil sie politisch nicht
       genehm sind?