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       # taz.de -- Nach Protesten in Frankreich: Wiedereinführung von Pestizid gekippt
       
       > Der französische Verfassungsrat hat die Wiedereinführung eines Pestizids
       > gekippt. Mehr als zwei Millionen Menschen hatten eine Petition
       > unterschrieben.
       
   IMG Bild: Französische Anbauer von Zuckerrüben – hier ein Feld bei Frankfurt – wollten das Pestizid gerne einsetzen
       
       Paris taz | Die in Frankreich verbotenen Pestizide der
       Neonikotinoid-Familie dürfen nun doch nicht erneut verkauft und in der
       Landwirtschaft eingesetzt werden. Das haben am Donnerstagabend die neun
       Richter des Verfassungsgerichts entschieden. Ihr Argument lautete, dass die
       Wiedereinführung dieser Insektizide in Widerspruch zur Umweltcharta stehe,
       die 2005 der französischen Verfassung beigefügt wurde. Ebenfalls
       bemängelten die Verfassungsrichter, die befristete Wiederverwendung der
       verbotenen Chemikalien nur durch bestimmte Agrarsektoren, und damit der
       Geltungsbereich, sei unklar definiert.
       
       Dass das höchste Verfassungsgericht damit die grundrechtlichen
       Umweltschutzprinzipien über die unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen
       gewisser Landwirtschaftssektoren stellt, ist über Frankreich hinaus von
       Bedeutung. Ein Sieg ist das auch für die mehr als 2,1 Millionen
       französischen Bürger und Bürgerinnen, die in einer Petition zu Händen der
       Nationalversammlung verlangt hatten, aus Rücksicht auf die Gesundheit und
       die Umwelt auf die Wiedereinführung der Neonikotinoide zu verzichten.
       
       Die [1][Petition] war Anfang Juli von einer parteilosen Studentin lanciert
       worden und hatte in kürzester Zeit einen Riesenerfolg, der die
       Berufspolitiker und die Medien völlig überrascht hat. Denn das
       Petitionsrecht war bisher eher als demokratisches Alibi betrachtet worden.
       Der Publikumserfolg der Petition gegen die Neonikotinoide wird nun bestimmt
       in anderen Fragen und Forderungen als Beispiel Schule machen.
       
       Das Verfassungsgericht nahm indes nicht Stellung zu dieser Petition. Es
       musste aufgrund einer Klage von Abgeordneten der linken Opposition ein
       kürzlich verabschiedetes Landwirtschaftsgesetz unter die Lupe nehmen und
       entscheiden, ob diese nach dem Senator Laurent Duplomb benannte und von
       beiden Parlamentskammern schließlich angenommene Vorlage
       verfassungsrechtlich kohärent und zulässig sei.
       
       ## Woanders legal
       
       In dieser Loi Duplomb wurde auf Wunsch und Druck des mächtigen
       Bauernverbands FNSEA unter anderem ein seit 2018 geltendes Verbot des
       Pflanzenschutzmittels Acetamiprid aufgehoben. Dieses wird vor allem von den
       Rüben- und Haselnussproduzenten als Insektizid verwendet. Obwohl die
       Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit vor negativen Auswirkungen
       auf das menschliche Gehirn warnte, darf Acetamiprid in der EU bis 2033
       legal eingesetzt werden – außer in Frankreich, wo aus medizinischen Kreisen
       auch auf potenziell krebserregende Folgen dieser Moleküle hingewiesen
       wurde.
       
       Für die Imker ist dieses Insektizid, das nicht nur Läusen und anderen
       Insekten den Garaus macht, schlicht ein „[2][Bienenkiller]“, der das
       Überleben der Bienenvölker bedroht. Die Befürworter der Neonikotinoide
       machten dagegen geltend, es sei für sie ein unzulässiger
       Wettbewerbsnachteil in Europa, wenn nur Frankreich ihnen den Einsatz dieses
       für sie unersetzbaren Pflanzenschutzmittels verbiete.
       
       Nur teilweise kritisiert im Übrigen das Verfassungsgericht in seinem Urteil
       die in der Loi Duplomb ebenfalls vorgesehenen administrativen
       Erleichterungen bei der Schaffung immenser künstlicher
       „Mega“-Wasserreserven. Staatspräsident Emmanuel Macron hat bereits erklärt,
       er werde das Gesetz nun in der von den Verfassungsrichtern korrigierten
       Form umgehend in Kraft setzen. Einen Bedarf für eine erneute
       Parlamentsdebatte, wie sie die Gegner und die Petition gegen die Loi Duplom
       gefordert hatten, sieht er dagegen nicht.
       
       8 Aug 2025
       
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