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       # taz.de -- Behörden gegen Anti-Rechts-Festival: Anti-Nazi-Festival in Jamel geht gegen Behörden in Führung
       
       > Das Festival „Jamel rockt den Förster“ erzielt vor dem Verwaltungsgericht
       > Schwerin erneut einen Teilsieg. Doch der Rechtsstreit geht weiter.
       
   IMG Bild: Im vergangenen Jahr kamen rund 3.000 Leute zum Anti-Rechts-Rock-Festival nach Jameln: Über die Neuauflage wird noch gestritten
       
       Hannover taz | Es ist die jüngste Volte in einem langen und komplizierten
       Rechtsstreit: Vor dem Verwaltungsgericht Schwerin setzten sich die
       Veranstalter von „Jamel rockt den Förster“ mit einem Eilantrag gegen die
       Gemeinde Gägelow durch.
       
       Mit der auch als „Forstrock-Festival“ bekannten Veranstaltung versucht das
       Ehepaar Lohmeyer seit 2007 Widerstand zu leisten, gegen die völlige
       Vereinnahmung des kleinen Ortes Jamel, der von Neonazis und völkischen
       Siedlern [1][zum Musterort auserkoren] wurde.
       
       Die Gemeinde Gägelow, zu der Jamel gehört, muss nun einen Pachtvertrag mit
       dem Festival abschließen, damit dieses – wie in den Jahren zuvor auch – die
       Wiesen rund um den Veranstaltungsort für den Aufbau, als Park- und
       Campingfläche nutzen kann.
       
       Dabei darf die Gemeinde nicht verlangen, dass diese Pacht ohne jeden
       Vorbehalt bezahlt und in keinem Fall zurückgefordert wird. Darüber, ob
       diese plötzliche Pachtforderung von rund 8.000 Euro zulässig ist, nachdem
       man die Flächen mehr als 15 Jahre lang unentgeltlich zur Verfügung gestellt
       hat, wird nämlich [2][vor Gericht noch gestritten].
       
       ## Landkreis erlässt etliche Auflagen
       
       Gleichzeitig versucht auch der Landkreis Nordwestmecklenburg weiterhin die
       Veranstaltung mit etlichen Auflagen einzuschränken. Er will zum Beispiel
       den Alkoholausschank verbieten. Dazu wurde eine zweite Ordnungsverfügung
       erlassen, obwohl der Landkreis mit einer solchen Verfügung vor dem
       Verwaltungsgericht schon einmal gescheitert ist und dagegen Beschwerde vor
       dem Oberverwaltungsgericht (OVG) eingelegt hat.
       
       Ohne die Entscheidung des OVGs abzuwarten, hat man nun einfach eine zweite
       Ordnungsverfügung nachgelegt. Nach Aussagen des Anwaltes der Veranstalter,
       [3][Johannes Eisenberg], unterscheidet sich die inhaltlich aber kaum von
       der ersten. Der Landkreis wollte dazu am Freitag kurzfristig nicht Stellung
       nehmen.
       
       ## CDU-Politiker vor Ort mit heftiger Richterschelte
       
       Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass der Landrat Tino Schomann
       (CDU) mit einem eigenwilligen Rechtsverständnis auf sich aufmerksam macht.
       Als das Verwaltungsgericht Schwerin am 23. Juli nicht in seinem Sinne
       entschied und einen großen Teil der versammlungsrechtlichen Auflagen gegen
       das Festival zurückwies, schäumte er.
       
       Schomann sprach von einem „rechtsfehlerhaften und verfahrenswidrigen
       Beschluss“ – eine ziemlich heftige Richterschelte für einen Politiker, der
       selbst kein Jurist, sondern Landwirt ist. Dabei sekundierte ihm der
       CDU-Kreisvorsitzende Thomas Grote, der gleich auch noch andeutete,
       Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD),
       immerhin Schirmherrin der Veranstaltung, hätte Einfluss auf die
       Gerichtsentscheidung genommen.
       
       Grote erklärte außerdem, man mache sich in der CDU Nordwestmecklenburg
       große Sorgen um die Unabhängigkeit der Justiz. Das löste große Empörung,
       [4][nicht nur beim politischen Gegner aus]. Auf dem CDU-Blog, auf dem der
       Kreisverband seine Pressemitteilung veröffentlicht hat, fragte ein Nutzer,
       ob man sich hier schon einmal als Juniorpartner der AfD ins Spiel bringen
       wolle.
       
       Die Idee ist nicht ganz abwegig, wenn man das jüngste Agieren des Landrates
       betrachtet: Gerade [5][drohte er schon einmal dem Flüchtlingsrat mit einer
       Klage], weil ihm dessen politische Bewertung von Vorgängen in einem
       Flüchtlingsheim nicht gefiel.
       
       ## Polizei teilt Einschätzung des Landrates nicht
       
       Dabei teilt wohl nicht einmal die Polizei die Einschätzung des Landrates zu
       der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die vom Festival
       „Jamel rockt den Förster“ ausgehen soll – das lässt sich jedenfalls aus der
       Begründung des Verwaltungsgerichtes herauslesen.
       
       Die Veranstalter sind ohnehin der Meinung, dass das Vorgehen sowohl der
       Gemeinde als auch des Landkreises in erster Linie ein Anschlag auf ihr
       zivilgesellschaftliches Engagement ist. Immerhin sitzen [6][im Gemeinderat
       zwei bekennende Rechtsextreme], Sven Krüger und Stefan Meinecke, von der
       Wählergemeinschaft „Heimatliebe“.
       
       Und die sind möglicherweise nicht die einzigen, die es dem zugezogenen
       Hamburger Künstlerpaar übelnehmen, dass es jedes Jahr wieder – laut und
       bunt, mit der Unterstützung prominenter Musiker und rund 3.000
       Teilnehmenden – auf das Nazi-Problem des Ortes aufmerksam macht.
       
       ## Grundsätzliche Frage noch nicht entschieden
       
       Über die grundsätzlichen Fragen, die mit diesem Rechtsstreit verbunden
       sind, ist indes immer noch nicht entschieden. Das Hauptsacheverfahren, in
       dem es dann auch darum gehen muss, ob diese Pachtforderung der Gemeinde
       berechtigt ist und ob es sich bei dieser Veranstaltung um eine politische
       Versammlung oder doch eher ein kommerzielles Musikfestival handelt, steht
       noch aus.
       
       Bisher hat das Verwaltungsgericht nur über mehrere Eilanträge entschieden,
       die verhindern sollten, dass sich das Ganze organisatorisch von selbst
       erledigt hat, bevor es überhaupt zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Im
       Moment sieht es so aus, als könnte das Festival wie geplant am 22. und 23.
       August stattfinden.
       
       8 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Jamel-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5219778
   DIR [2] /Jameln-rockt-den-Foerster-vor-Gericht/!6099179
   DIR [3] /Johannes-Eisenberg/!a37563/
   DIR [4] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/streit-um-jamel-festival-cdu-kritik-an-justiz-sorgt-fuer-widerspruch,jamel-116.html
   DIR [5] /Nach-Kritik-an-einem-Fluechtlingsheim/!6101831
   DIR [6] /Gemeinderatssitzung-in-Jamel/!6072101
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
       ## TAGS
       
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