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       # taz.de -- Frau von inhaftiertem Unternehmer Kavala: „Sehr gut für seine Moral“
       
       > Seit bald acht Jahren sitzt Kulturmäzen Osman Kavala im Silivri-Gefängnis
       > bei Istanbul. Ein Gespräch mit Ayşe Buğra, die die Goethe-Medaille in
       > Empfang nehmen wird.
       
   IMG Bild: Erklärung zum 9.Jahrestag der Gezi-Park-Proteste 2022: rote Luftballons mit Forderungen nach Demokratie und Freiheit steigen auf
       
       taz: Frau Professor Buğra, wie ist die Situation für Ihren Mann Osman
       Kavala, im Moment? Wie geht es ihm nach so vielen Jahren [1][im Gefängnis
       in Silivr]i? 
       
       Ayşe Buğra: Wie Sie wissen, ist mein Mann seit dem 7. Oktober 2017 im
       Gefängnis, trotz zweier Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofes in
       Straßburg, dass es keinen hinreichenden Grund für eine Inhaftierung gibt
       und das Gericht deshalb seine sofortige Freilassung fordert. Das Urteil des
       Menschenrechtsgerichtshofes wurde vom Ministerrat des Europarates
       unterstützt, der wiederholt die Türkei aufgefordert hat, die Urteile aus
       Straßburg umzusetzen. Obwohl mein Mann trotzdem immer noch im Gefängnis
       ist, ist er in einer guten Verfassung.
       
       taz: Wie oft können Sie ihn besuchen? 
       
       Buğra: Ich kann ihn nur zweimal im Monat sehen. Ich habe jeden Monat zwei
       Besuche bei ihm. Einmal hinter einer Glasscheibe, wo wir uns über ein
       Telefon verständigen müssen, das andere Mal können wir beide unter
       Bewachung ohne Glasscheibe in einem Raum sein.
       
       taz: Wie ist die mentale Verfassung Ihres Mannes? Kann er lesen und
       schreiben oder andere Aktivitäten machen? Bekommt er die Bücher, die er
       lesen will? 
       
       Buğra: Es ist natürlich eine schmerzliche Erfahrung, jahrelang im Gefängnis
       festgehalten zu werden, ohne dass ein Ende abzusehen ist, insbesondere für
       jemanden, der nicht mehr jung ist. Aber er schafft es, sich nicht
       demoralisieren zu lassen. Das Wichtigste für ihn ist, dass er lesen kann.
       Er liest viel, sowohl zeitgenössische Literatur als auch Klassiker. Er
       liest viele Romane, aber auch Sachbücher. Er hält sich auf dem Laufenden,
       er ist intellektuell völlig auf der Höhe.
       
       taz: Haben Sie die Hoffnung, dass Ihr Mann das Gefängnis in absehbarer Zeit
       verlassen kann? Hilft ihm die nationale und internationale Solidarität, die
       er erfährt? 
       
       Buğra: Die Solidaritätsadressen von Freunden und selbst von vielen Leuten,
       die wir persönlich gar nicht kennen, helfen ihm sehr. Die öffentliche
       Unterstützung und die Besuche türkischer Oppositionspolitiker im Gefängnis
       sind ebenfalls sehr hilfreich. Er ist sehr glücklich darüber, dass dank der
       Arbeit vieler Leute der von ihm gegründete Verein „Anadolu Kültür“ auch in
       seiner Abwesenheit sehr gut weiterarbeitet. Außerdem sind natürlich die
       vielen Auszeichnungen, die er während seiner Zeit im Gefängnis bekommen
       hat, sehr gut für seine Moral. Er hat für die Aktivitäten von Anadolu
       Kültür den Europäischen Archäologen-Preis bekommen, für seine
       Menschenrechtsarbeit den Hrant-Dink-Preis und den Václav-Havel-Preis des
       Europarates, den [2][Preis für den Dialog der Kulturen vom Deutschen
       Institut für Auslandsbeziehungen] und den Düsseldorfer
       Tonhalle-Menschenrechtspreis. Alle diese Auszeichnungen geben ihm die
       Courage, nicht aufzugeben.
       
       taz: Trotz all dieser Auszeichnungen sitzt er weiterhin in Haft. Denken
       Sie, dass die europäischen Politiker vielleicht mehr tun könnten, damit er
       freikommt? 
       
       Buğra: Es ist etwas enttäuschend, dass der Europarat, zu dem die Türkei ja
       seit 1949 gehört, nicht effektiver darin ist, die türkische Regierung dazu
       zu bringen, die Entscheidungen des europäischen Menschenrechtsgerichts
       umzusetzen. Ich tendiere dazu zu glauben, dass geopolitische Erwägungen
       dabei eine Rolle spielen. Es ist traurig, dass diese Erwägungen
       möglicherweise wichtiger sind als die Bedenken über die Verletzung der
       Menschenrechte.
       
       29 Aug 2025
       
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