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       # taz.de -- Feuer in Spanien: Die wahren Verantwortlichen
       
       > Spanien sieht sich mit den größten Katastrophen seit Jahrzehnten
       > konfrontiert: Folgen des Klimawandels, des Kapitalismus. Die spanische
       > Rechte blockt.
       
   IMG Bild: Mehrere Einsatzkräfte versuchen das Feuer in Anllarinos del Sil, León und Kastilien zu löschen
       
       Die Brandkatastrophe in Spanien hat Ursachen weit über den ersten Funken
       hinaus. Dass [1][in nicht einmal drei Wochen] in den Regionen Galicien,
       Kastilien und León und der Extremadura eine Fläche so groß wie Mallorca den
       Flammen zum Opfer fiel und vier Tote zu beklagen sind, hat mit dem
       Klimawandel und fehlender politischer Antwort darauf zu tun.
       
       In allen drei Regionen regiert die konservative Partido Popular (PP), in
       zweien davon – Kastilien und León und der Extremadura – mit Unterstützung
       der rechtsextremen Vox; ein Bündnis, das die PP auch auf zentralstaatlicher
       Ebene anstrebt, sollte eine solche Koalition bei den Wahlen 2027 eine
       Mehrheit bekommen.
       
       Die Regionalpolitik der PP trägt einen nicht unerheblichen Teil der
       Verantwortung für die Brandkatastrophe. [2][Katastrophenschutz ist
       Regionensache]. Dort wo sie regieren, privatisieren die Konservativen und
       streichen öffentliche Stellen und Ausgaben bei den Brandschutzmaßnahmen.
       Programme – wie etwa die Brandschutzbrigaden im Winter in die Wälder zu
       schicken, um dort aufzuräumen – gelten der PP „als Geldverschwendung“. Die
       Feuerwehrleute werden fast alle nach der Sommersaison aufs Arbeitsamt
       geschickt. Und Vox besteht darauf, Programme zum Klimawandel abzuschaffen.
       Ihnen gilt alles, was mit Klimapolitik zu tun hat, als „ideologisch“ und
       „woke“.
       
       Es habe schon immer gebrannt, sind sich beide Parteien einig. Ursache sei
       nicht der Klimawandel, sondern der Mensch – vom „Feuerterrorismus“ reden
       sie ständig. Das stimmt und stimmt aber auch nicht. 96 Prozent der Feuer
       gehen tatsächlich auf menschliches Handeln zurück. Von fahrlässigem Umgang
       mit offenem Feuer bis hin zu gezielter Brandstiftung ist alles dabei. Doch
       eine Sache ist, dass es brennt und die andere, wie es brennt. Die Feuer
       sind immer virulenter und kaum noch zu kontrollieren. Und das liegt sehr
       wohl am Klimawandel.
       
       ## Regen
       
       Die Hitzewelle trägt zum Ausmaß bei, die Veränderung der Niederschläge im
       Jahresablauf auch. Dieses Frühjahr regnete es viel – viel mehr als üblich
       –, während der Rest des Jahres trockener war als normal. Gestrüpp und
       Gräser wuchsen schnell und mehr als sonst, trockneten dann aus und bieten
       jetzt den Feuern reichlich Nährstoff. Die Teile von Kastilien und León
       sowie Galiciens, die jetzt abbrennen, gehören zu dem, was eigentlich als
       feuchtes, grünes Spanien gilt. Dort waren Tagestemperaturen bis zu 40 Grad
       und Nächte mit kaum unter 30 Grad bisher nicht normal. Dieses Jahr gab es
       sie – parallel zu den Waldbränden.
       
       Dennoch will Spaniens Rechte vom Klimawandel nichts wissen. „Die
       Wissenschaftler sind sich nicht einmal einig, wie das Wetter morgen in
       Sevilla wird, wie soll da jemand wissen, was in 300 Jahren geschieht“,
       erklärte der ehemalige spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits
       2015. Und der Bürgermeister von Madrid, José Luis Martínez Almeida,
       entschied sich bei der Antwort auf die Frage von Schülern, was für ihn
       wichtiger wäre, den Amazonas zu schützen oder Notre-Dame wieder aufzubauen,
       für zweites, da die Kathedrale in Paris ein Symbol unserer Kultur sei.
       
       V0x geht noch einen Schritt weiter. Die Rechtsextremen beschuldigen die
       Umweltschützer, die Verantwortung für die Waldbrände zu tragen. „Da sie die
       Agenda 2030 verkaufen müssen, läuft es, wie es läuft. Sie lassen uns die
       Berge nicht säubern, sie lassen uns die Flüsse nicht säubern, sie lassen
       uns keinen einzigen Ast herausziehen, sie lassen die Tiere die Berge nicht
       säubern“, verbreitet Vox über ihre Influencer in den sozialen Netzwerken,
       auch wenn diese Aussagen keinerlei Wahrheitsgehalt haben. Denn in den
       Naturparks ist traditionelles Wirtschaften nicht verboten.
       
       ## Landwirte
       
       Doch schuld sind nicht die „Umweltschützer in der Stadt“. Schuld ist unter
       anderem die Landflucht und die wiederum ist Folge des Kapitalismus, in dem
       traditionelle Weidewirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Übrigens: 88
       Prozent der Waldbrände gehen auf das Handeln ebenjener Landbevölkerung
       zurück, die von der Rechten hochgelobt wird. Bei 42,7 Prozent sind die
       Verursacher Landwirte, bei 30 Prozent Viehzüchter. Sie gehen sorgenlos mit
       Feuer um, als gebe es die trockenen Sommer nicht.
       
       Die Brandkatastrophe ist von einem nie da gewesenen Ausmaß. Selbst in
       Madrid, Hunderte von Kilometern von den großen Brandherden entfernt, trübte
       der Rauch die Sonne. Die Regierung der Hauptstadtregion – ebenfalls PP –
       sah vor lauter Ideologie den Rauch nicht. Sie erklärte, es sei Wüstensand
       aus der Sahara, den der Wind hergetragen habe. Ein seltenes Wetterphänomen,
       das tatsächlich ab und an vorkommt. Die Madrider Regionalpräsidentin Isabel
       Díaz Ayuso machte „eine ideologische Agenda“ aus, die Brandverhütung und
       -bekämpfung behindern, während ihre Feuerwehrleute gegen befristete
       Arbeitsverhältnisse und schlechte Entlohnung streiken.
       
       Mit solchen Angriffen auf Zentralregierung und EU versucht die PP, vom
       eigenen Versagen abzulenken. [3][Spaniens sozialistischer Ministerpräsident
       Pedro Sánchez hält dagegen]. Er redet vom Klimanotstand und strebt einen
       nationalen Pakt an, um die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen. Eine
       Kommission unterschiedlicher Ministerien hat die Arbeit bereits
       aufgenommen.
       
       Die Linkskoalition hat dabei nicht nur die Waldbrände im Blick, sondern
       auch die Starkregen, die immer häufiger auftreten und immer öfter dort, wo
       es sie bisher nicht gab. Auch sie führen zu tödlichen Katastrophen, wie im
       vergangenen Oktober in der Region zwischen Valencia und Utiel, als 228
       Menschen in den Fluten ertranken. Auch hier versagte eine von V0x
       unterstützte PP-Regierung völlig.
       
       Für Spaniens Rechte ist die Idee eines nationalen Paktes gegen den
       Klimanotstand „Rauch, der von den wahren Verantwortlichen ablenken soll“ –
       als wäre Katastrophenschutz nicht Sache der Regionen und damit ihrer
       Regierungen. Zu den wahren Verantwortlichen gehören auch sie.
       
       24 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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