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       # taz.de -- Kritik am Selbstbestimmungsgesetz: Kalkulierter Angriff
       
       > Rechtsextremist*in Liebich soll in einem Frauengefängnis
       > untergebracht werden. Liebichs Aktion befeuert den transfeindlichen
       > Kulturkampf
       
   IMG Bild: Liebichs Verhalten hat Methode unter rechten Trollen
       
       Wie weit darf Marla Svenja Liebich gehen? Der*die verurteile
       [1][Rechtsextremist*in soll in einem Frauengefängnis in Chemnitz
       untergebracht werden,] obwohl Liebich erst kurz nach der Verurteilung das
       Geschlecht änderte und jahrelang queere Menschen attackierte. Damit greift
       Liebich ganz gezielt das Selbstbestimmungsgesetz an. Die Aktion soll eine
       Debatte um die Rechte von trans Personen aufmachen und einen
       transfeindlichen Kulturkampf befeuern.
       
       Und Liebich hat eindeutig Erfolg: transfeindliche Social Media-User*innen,
       Politiker*innen der Union oder Autor*innen bei Springer haben nun
       endlich einen Anlass, darüber zu diskutieren, ob das Recht von trans
       Menschen, über ihre Geschlechtsidentität zu bestimmen, nicht doch irgendwie
       zu weit gehen würde. Innenminister Alexander Dobrindt hat bereits eine
       Reform des Selbstbestimmungsgesetzes angekündigt. Auf Telegram jubelt die
       radikale Rechte über die Folgen von Liebichs Performance.
       
       Liebichs perfides Vorgehen basiert auf einem bekannten Vorgehen von Rechten
       im Netz, sogenannten Sockenpuppenaccounts. Nur hat der*die [2][umtriebige
       Rechtsextremist*in] das Konzept in den analogen Raum übertragen.
       
       Sockenpuppenaccounts sind eine Form des Trollings, bei der es darum geht,
       andere Menschen primär auf Social Media an der Nase herumzuführen, indem
       man eine falsche Identität erstellt. Rechte Trolle versuchen so immer
       wieder progressive Aktivist*innen ins Lächerliche zu ziehen. Bereits
       2014 erstellten Vertreter der Alt-Right Twitter-Accounts stereotyper „Angry
       Black Women“, über die sie Aussagen verbreiteten wie „Weiße können nicht
       vergewaltigt werden“ oder unter dem Hashtag #EndFathersDay die Abschaffung
       des Vatertags forderten.
       
       ## Fake Accounts sollen marginalisierte Menschen verhöhnen
       
       Das Ziel der Aktion: rassistische Narrative über Afroamerikaner zu
       verbreiten, Schwarze Feministinnen zu diskreditieren und Empörung über eine
       aus dem Ruder gelaufene antirassistische Woke Culture zu schüren. Rechte
       Meinungsmacher aus den USA wie Tucker Carlson oder Ben Shapiro ließen es
       sich nicht nehmen, bereitwillig auf diesen Zug aufzuspringen.
       
       Es waren letztendlich die beiden Schwarzen Feministinnen Shafiqah Hudson
       und I’Nasah Crockett, die die Kampagne dahinter erkannten und aufdeckten:
       keine Schwarze Frau sprach oder verhielt sich so, wie diese Accounts es
       suggerierten. Es gelang ihnen, die Aktion zu einer der primären Brutstätten
       der Alt-Right-Bewegung zurückzuführen.
       
       Auch im deutschsprachigen Raum ist diese Technik präsent: auf X finden sich
       eine ganze Reihe Accounts, deren Betreiber*innen sich beispielsweise
       darüber beschweren, von der Ärztin mit dem Pronomen „dey“ statt einem
       selten verwendeten Neopronomen angesprochen worden zu sein und nun die
       Praxis verklagen wollen.
       
       Diese Sockenpuppen haben zwei Funktionen: sie verhöhnen marginalisierte
       Menschen in Form niederträchtiger Stereotype und dienen als
       Feindbildmarkierung für Bürgerlich-Konservative. Diese sollen in ihren
       gesellschaftlich vermittelten reaktionären Vorannahmen über zum Beispiel
       Queerness bestätigt werden. Das Bittere ist: Es funktioniert, jedes Mal
       aufs Neue.
       
       ## Angriff gegen queere Community
       
       Dieses Konzept wird nicht nur von Liebich in den analogen Raum übertragen.
       Ein Beispiel ist der transfeindliche Troll Bijan Tassavoli, der durch
       öffentlichkeitswirksame Aktionen versucht, die Kämpfe von trans Menschen zu
       verhöhnen. So hat Tassavoli sich als männlich gelesene Person in eine
       Frauensauna gesetzt oder hat im Rahmen des von Nius finanzierten
       Propagandafilms „Trans ist Trend“ eine queerfeministische Demonstration
       besucht, um sich darüber zu beschweren, angeblich misgendert worden zu
       sein. So versucht T., die Solidarität und Akzeptanz der queeren Community
       ins Lächerliche zu ziehen.
       
       Als Liebich nach seiner Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von 18
       Monaten öffentlich wirksam einen Geschlechtswechsel und neuen Vornamen
       beantragte, begann sein Spiel mit der Öffentlichkeit. Ob Liebich überhaupt
       in ein Frauengefängnis kommt, steht noch offen – das letzte Wort hat die
       JVA.
       
       Seit vergangenen Sonntag geht Liebich in seiner Inszenierung noch weiter
       und fordert außerdem die Versorgung mit koscherem Essen – um zu schauen,
       wie weit das Trolling gehen kann.
       
       Die Sache ist jedoch: das Selbstbestimmungsgesetz ist nicht das Problem. Es
       ist eine absolute Notwendigkeit für die Rechte einer bereits extrem
       vulnerablen und marginalisierten Community und muss mit aller Kraft
       verteidigt werden. Das Problem sind bösartige Menschen wie Liebich, denen
       es genuin Spaß macht, diese Community und ihre so fragilen Rechte zu
       torpedieren – und eine queerfeindliche Politik, die dieses Spiel begeistert
       mitspielt.
       
       25 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Veronika Kracher
       
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