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       # taz.de -- Antisemitismus an Universitäten: Eine Atmosphäre der Angst
       
       > Ein neuer Bericht zeigt, wie Antisemitismus in Europa jüdische
       > Studierende bedroht. Auch Vorfeldorganisationen von Terrorgruppen mischen
       > demnach mit.
       
   IMG Bild: Auch hierzulande stiegen antisemitische Vorfälle an Unis, zeitgleich gab es auch friedliche Palästina-Protestcamps
       
       Berlin taz | Es ist eine erschreckende Bilanz der Bedrohung und Gewalt: In
       Toulouse werden Gegenstände einer Studierenden mit Hakenkreuzen beschmiert
       und dem Satz „Dreckige Jüdin stirb“. In Straßburg werden drei jüdische
       Studierende als „Faschisten“ beschimpft und zu Boden geschlagen, als sie
       Poster aufhängen, die die Freilassung der israelischen Geiseln in den
       Händen der Hamas fordern. Und in Berlin wird der jüdische Student Lahav
       Shapira von einem Kommilitonen [1][so brutal verprügelt], dass er mehrere
       Brüche im Gesicht erleidet. Die Liste der Vorfälle geht immer weiter:
       Hakenkreuz-Schmierereien, Todesdrohungen, physische Angriffe,
       Verherrlichung des Hamas-Terrors gegen Zivilist*innen, Verharmlosung des
       Holocaust.
       
       Zu lesen ist diese Bilanz des Antisemitismus an europäischen Unis in einem
       [2][neuen Report] von der Europäischen Union Jüdischer Studenten (EUJS),
       der Organisation B’nai B’rith sowie des Vereins democ. Neue Zahlen liefert
       der Bericht nicht, stattdessen bietet er einen Überblick über die
       Gesamtlage.
       
       Deutschland kommt dabei schlecht weg. Auch an den hiesigen Unis stieg die
       Zahl der antisemitischen Vorfälle dramatisch, nachdem Hamas-Kämpfer am 7.
       Oktober 2023 Israel überfallen und rund 1.000 Zivilist*innen ermordetet
       hatten. Bei Campus-Protesten gegen den auf das Massaker folgenden
       israelischen Militäreinsatz in Gaza wurden immer wieder antisemitische
       Parolen skandiert, zum bewaffneten Kampf gegen Israel aufgerufen und
       Hamas-Symbole an Wände geschmiert.
       
       Anfang 2024 folgte dann der schwere Angriff auf Lahav Shapira sowie im
       Frühjahr desselben Jahres mehrere aufsehenerregende Besetzungen von
       Gebäuden mehrerer Berliner Unis. Auch hier tauchten unter anderem
       Hamas-Symbole wie das rote Dreieck auf, das die Organisation nutzt, um
       israelische Ziele zu markieren. Die meisten Besetzungen wurden schnell von
       der Polizei geräumt.
       
       ## Rechtliche und moralische Grauzonen
       
       Insbesondere aus linken Kreisen gab und gibt es daran Kritik. Denn längst
       nicht alle Demonstrierenden äußern sich antisemitisch, sympathisieren mit
       Hamas oder werden gar gewalttätig. Sollen sie für den Antisemitismus
       derjenigen haften, die neben ihnen stehen? Wird der Protest gegen
       Kriegsverbrechen entwertet, weil auch Islamisten mitdemonstrieren? Eine
       klare Antwort darauf zu finden, ist auch deshalb so kompliziert, weil
       umstritten ist, wo genau israelbezogener Antisemitismus beginnt und
       legitime Kritik an Israel und seiner Politik in Gaza endet.
       
       In einzelnen Fällen sah der staatliche Kampf gegen Antisemitismus
       jedenfalls eher nach dem Versuch aus, in die Freiheit der Lehre
       einzugreifen. Im Bildungsministerium unter Bettina Stark-Watzinger (FDP)
       gab es 2024 etwa Versuche, Forscher*innen die staatlichen Gelder zu
       streichen, wenn sie Kritik an Israel geübt hatten. Darüber stürzte die
       Ministerin fast.
       
       Ist die konkrete Einordnung einzelner Protestaktion also komplex, gelingt
       das bei Gruppen wie Samidoun und Masar Badil sehr viel einfacher. Bei
       ersterem handelt es sich um eine mittlerweile verbotene Vorfeldorganisation
       der Terrorgruppe PFLP. Der steht auch Masar Badil nahe, das allerdings auch
       Verbindungen zu Hamas und islamischem Jihad hält. Sowohl Masar Badil als
       auch Samidoun mischen laut dem Bericht auch an den Unis mit.
       
       Genauso unstrittig sind die Folgen der antisemitischen Bedrohung für
       jüdische Studierende. Neben den körperlichen Folgen konkreter Gewalttaten
       betont der Bericht hier insbesondere, wie für jüdische Studierende eine
       Atmosphäre der Angst entstanden sei. Viele isolierten sich, müssten auf dem
       Campus ihre jüdische Identität verstecken oder blieben den
       Lehrveranstaltungen gleich ganz fern.
       
       27 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lahav-Shapira-zu-antisemitischem-Angriff/!6080635
   DIR [2] https://democ.de/documents/41/Antisemitism-at-European-universities_WEB_01.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
       
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