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       # taz.de -- Anschlag auf Nord-Stream-Gasleitungen: Viele Fragen in der Pipeline
       
       > Immer mehr deutet darauf hin, dass die Ukraine am Anschlag auf Nord
       > Stream 1 und 2 beteiligt war. Was bedeutet das?
       
   IMG Bild: Explosion der Pipeline Nord Stream 2: Ausdruck der deutschen Naivität gegenüber Putins Russland
       
       Worum geht es? 
       
       Verschiedene Medien [1][berichten], deutsche Ermittler*innen hätten
       alle Beteiligten am Anschlag auf die Nordstream-Pipelines im Herbst 2022
       identifiziert. Demnach handelt es sich um insgesamt sieben Personen, mit
       ukrainischer Staatsangehörigkeit. Gegen sechs von ihnen liegen Haftbefehle
       vor. Beim siebten handelt es sich offenbar um einen Soldaten der
       ukrainischen Armee, der inzwischen wohl bei Kämpfen gegen die russischen
       Invasoren getötet wurde. Vor seinem Tod soll er letztes Jahr in Deutschland
       eine militärische Ausbildung erhalten haben.
       
       Wurde nicht vor Kurzem erst jemand in diesem Zusammenhang verhaftet? 
       
       Letzte Woche nahm die italienische Polizei bei Rimini [2][den Ukrainer
       Serhii K. fest], der den Anschlag koordiniert haben soll. Er sitzt im
       Moment in einem italienischen Gefängnis, bisher wurde noch nicht über seine
       Auslieferung nach Deutschland entschieden.
       
       Was genau wird Serhii K. und den anderen sechs Beschuldigten vorgeworfen? 
       
       Die Gruppe soll im September 2022 in Rostock die Segelyacht „Andromeda“
       gemietet haben und damit vor die dänische Insel Bornholm gesteuert haben.
       Dort verlaufen in rund 80 Meter Tiefe die Rohre der beiden
       Nordstream-Pipelines. Vier der Beschuldigten sollen hinabgetaucht sein und
       die Leitungen gesprengt haben.
       
       Warum waren die Pipelines so wichtig? 
       
       Über Nordstream 1 lieferte Russland schon seit 2011 große Mengen Gas an
       Deutschland. Viele Nato-Staaten sahen darin einen Versuch Russlands,
       Deutschland in die wirtschaftliche Abhängigkeit zu führen. Mit dem Bau von
       Nordstream 2 ab 2013 wurden diese Bedenken bei den engsten Verbündeten
       Deutschlands noch größer: Zusammen hätten durch beide Pipelines 55
       Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr fließen können. Die USA erwogen
       zeitweise sogar, beteiligte deutsche Firmen zu sanktionieren. Am Ende
       verhinderte der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, dass
       Nordstream 2 in Betrieb genommen wurde. Russland stellte damals auch die
       Gaslieferungen über Nordstream 1 ein.
       
       Die Pipelines waren zum Zeitpunkt des Anschlags also ohnehin bedeutungslos? 
       
       Symbolisch waren die Pipelines weiterhin Ausdruck der deutschen Naivität
       gegenüber Putins Russland. Die Sprengung beendete endgültig alle
       Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme der Lieferungen, die besonders
       russlandfreundliche deutsche Politiker*innen bis dahin noch hatten.
       
       Welche Rolle spielt die Ukraine? 
       
       Ein Tatmotiv hätten ukrainische Stellen jedenfalls: die wirtschaftlichen
       Verbindungen Deutschlands zum russischen Aggressor endgültig zu kappen. Die
       ukrainische Regierung weist zwar alle Vorwürfe von sich, aber die
       Beweislast wird immer größer. Das fängt damit an, dass alle sieben
       Tatverdächtigen ukrainische Staatsbürger*innen sind. Und sie reisten
       auf dem Weg zum Anschlag offenbar mit ukrainischen Originalpässen durch
       Polen, die allerdings auf falsche Namen ausgestellt waren.
       
       Das war ’s? 
       
       Als die deutschen Behörden letztes Jahr einen der Verdächtigen in Polen
       aufspürten, wurde er nicht nur mutmaßlich von polnischen Stellen gewarnt,
       sondern floh mit einem Auto in die Ukraine, das ein ukrainisches
       Diplomatenkennzeichen hatte. Die Ermittler*innen gehen außerdem davon
       aus, dass zumindest einige der Beschuldigten Verbindungen zu ukrainischen
       Nachrichtendiensten hatten.
       
       Wie geht die Bundesregierung damit um? 
       
       Bislang drückt sich die Bundesregierung vor eindeutigen Aussagen. So
       fordern Unions- und SPD-Politiker*innen immer wieder Aufklärung und loben
       die Ermittlungen. Zu den Hinweisen auf eine ukrainische Beteiligung
       schweigen sie bislang aber konsequent. Es ist ja auch ein Dilemma: Die
       schwarz-rote Koalition unterstützt die Ukraine stärker als alle
       vorangegangenen Regierungen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) knüpft die
       Abwehr des russischen Angriffs immer wieder an die Sicherheit Deutschlands
       und ganz Europas. Da ist es natürlich unbequem, wenn ausgerechnet die
       Ukraine hinter einem Anschlag auf einen wichtigen Teil der deutschen
       Energieinfrastruktur steckt. Die Nordstream-Pipelines mögen 2022 ein
       peinliches Relikt fehlgeleiteter deutscher Außenpolitik gewesen sein – ein
       ukrainischer Angriff darauf wäre aber trotzdem ein eindeutiger Fall von
       Staatsterrorismus.
       
       28 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesschau.de/investigativ/nord-stream-sabotage-104.html
   DIR [2] /Anschlag-auf-Pipelines-2022/!6108522
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
       
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