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       # taz.de -- Protest gegen grüne Umweltsenatorin: Den Wald finden alle toll, nur nicht überall
       
       > Auf einem Waldparkplatz traf Hamburgs Umweltsenatorin Fegebank auf
       > Aktivist*innen für Wilhelmsburgs „Wilden Wald“, der Neubauten weichen
       > soll.
       
   IMG Bild: Gekämpft wird um den Wilden Wald schon lange: Graffito von 2019, als dort Bäume besetzt waren
       
       Hamburg taz | Hamburg hat durchaus Wald, keine Frage. Am Fuße der Harburger
       Berge zum Beispiel, auf dem Waldparkplatz der „Kärntner Hütte“, die
       versucht, hier am Rande der Stadt eine Skihütte zu simulieren, sieht man so
       viel Wald, wie das Auge reicht. Wege ziehen sich den Hang hoch, die Bäume
       stehen dicht, gleich wird die grüne Umweltsenatorin Katharina Fegebank
       kommen zu einem Waldspaziergang, Thema: „Krank oder vital – wie geht es dem
       Hamburger Wald?“
       
       Zynisch finden das die Demonstrant*innen, die sich auf dem Parkplatz
       eingefunden haben. Denn an anderer Stelle in Hamburg soll ein Wald
       verschwinden: Die ersten 800 Quadratmeter, so die Nachricht, des „Wilden
       Waldes“ auf der Elbinsel Wilhelmsburg könnten [1][schon demnächst gefällt
       werden], mit dem Segen der Umweltsenatorin. Eine benachbarte Firma hat den
       Antrag zur Rodung gestellt, die Behörde würde wohl zustimmen, heißt es.
       
       Und das wäre ja erst der Anfang. 8 Hektar groß ist die Waldfläche am
       Spreehafen insgesamt, die seit den 60er-Jahren vor dem Deich in
       Wilhelmsburg wächst, an der Stelle, an der bis zur Flutkatastrophe von 1962
       eine Gartensiedlung stand, in der Menschen wohnten. [2][Viele von ihnen
       ertranken oder erfroren in dieser Nacht]. Die Fläche wurde seitdem nie
       wieder bebaut, und die Natur machte sich breit.
       
       Es ist ein Biotop, wie es nicht viele gibt in Hamburg, mit seltenen
       Amphibien, es wachsen dort Eschen, die sich woanders schwertun, Libellen
       schwirren herum. Der Wilde Wald filtert die Abgase der vielen LKWs, die vor
       dem Deich vorbeikommen, er sorgt für ein kühleres Mikroklima in einer
       versiegelten und aufgeheizten Umgebung.
       
       Wilhelmsburg selbst mag ein grüner Stadtteil sein, aber an dieser Stelle am
       Deich, dort, wo es zum Hafen hin geht, wird es erdrückt von Industrie- und
       Lagerflächen, von baumlosen Straßen mit viel Verkehr. Sollte der Wilde Wald
       abgeholzt werden, würde es eine Ausgleichsfläche geben, „irgendwo in
       Schleswig-Holstein“, sagt Roswitha von der Gruppe der Wilhelmsburger
       Waldretter*innen. „Aber da haben die Menschen in Wilhelmsburg überhaupt
       nichts von.“
       
       Lange hatten die Grünen in Hamburg ihre Hand über den Wilden Wald gehalten,
       doch nach den letzten Koalitionsverhandlungen waren sie eingeknickt vor der
       SPD [3][und den Plänen, dort 1.100 Wohnungen zu bauen]. Auch deswegen
       wollen die Demonstrant*innen auf dem Parkplatz hier mit der grünen
       Umweltsenatorin reden, die bisher immer noch nicht erschienen ist.
       
       Ein Auto fährt vor, es kommt direkt aus dem Wald, heraus steigen Förster
       und grüßen. Die Förster und die Waldretter*innen stehen beide auf
       verschiedenen Seiten des Waldes. Weitere Demonstrant*innen treffen ein.
       Martin kommt von „Moorburg forever“, einer Initiative, die sich gegen die
       Autobahnpläne dort wendet und für den Erhalt der Natur einsetzt. „Jeder
       lebende Baum bremst den Klimawandel“, sagt Martin, und klar, der Wilde Wald
       in Wilhelmsburg sei mit seinen 80 Hektar relativ klein, aber irgendwo müsse
       man eben „ein Zeichen setzen“.
       
       An der Schranke weiter hinten, wo zwei Polizistinnen das Geschehen
       überwachen, entsteht Bewegung. Eine Fotografin und eine Amtsleiterin der
       Umweltbehörde kommen.
       
       Sollte es ernst werden im Wilden Wald, sollten die Bagger rollen, wäre
       Snoopy bei denen, die Widerstand leisten. Früher, erzählt er, hat er in der
       Baubranche gearbeitet, aber er kann das nicht mehr mit seinem Gewissen
       vereinbaren, jetzt ist er Erzieher. Snoopy hat die Demo hier angemeldet, im
       Wilden Wald hat er dafür gesorgt, dass das Baumhaus dort als
       „versammlungsimmanentes Kundgebungsmittel“ legalisiert wird.
       
       Vor der Schranke fährt jetzt noch ein Auto vor, eine E-Limousine, da sitzt
       Fegebank drin. Begleitet wird sie von ihrer Staatsrätin, der ehemaligen
       Altonaer Bezirksamtschefin Stefanie von Berg. Die beiden nähern sich, sehen
       die Demo, stutzen. Von Berg begrüßt einen alten Bekannten, einer der
       Förster ist mit ihr zur Schule gegangen. Fegebank nähert sich langsam den
       Demonstrant*innen.
       
       ## „Krasser Zielkonflikt“: Wohnungsbau gegen Wildwuchs
       
       „Es geht um die Gesundheit unserer Kinder!“, darauf Fegebank: „Ich tue
       immer gerne was für die Gesundheit“, es entspinnt sich eine Diskussion. Die
       Demonstrant*innen drücken Fegebank einen Flyer in die Hand, mit dem
       Termin der Mahnwache im Wilden Wald, die Ende September beginnt. „Der Wilde
       Wald ist ja tatsächlich ein Wald!“ Fegebank: „Ich weiß, ich weiß.“ Und dann
       sagt sie, dass es eben nicht leicht sei in der Politik; „Wir haben da einen
       ganz krassen Zielkonflikt“, Wohnungsbau sei eben auch wichtig.
       
       Es gebe in Wilhelmsburg doch genug andere Flächen, wo gebaut werden könnte,
       meinen die Demonstrant*innen, man solle doch erst mal da anfangen, bevor
       vollendete Tatsachen geschaffen würden. Die Stimmung wird hitziger,
       Fegebank ruft von Berg: „Kannst du mal kommen?“ Am Ende gibt es einen
       Termin, oder das Versprechen eines Termins: Fegebank wird beim Wilden Wald
       vorbeikommen und sich die Argumente anhören.
       
       Ob das etwas bringt? Eigentlich ist die Entscheidung ja schon gefallen, das
       wissen die Demonstrant*innen auch. Am improvisierten Tisch, der hinter
       der Schranke steht, liegen Flyer aus, einer davon läutet die nächste Runde
       ein: „Altenwerder Wildnis bleibt“. Die wuchernde Natur dort an der Autobahn
       [4][soll für den Hafen plattgemacht werden]. Sie ist das nächste Gebiet,
       für das gekämpft werden muss.
       
       28 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Wiese
       
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