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       # taz.de -- Debatte um die Rente: Mithalten im Privatisierungs-Bingo, aber richtig
       
       > Die Debatte um die Rente wird derzeit mit Tempo aus der verstaubten Ecke
       > geholt. Gekonnt wird der demografische Wandel zum Sozialabbau genutzt.
       
   IMG Bild: Über die Rente mit 70 wird viel diskutiert
       
       Es ist Rentendebatte, und da ist Bernd Raffelhüschen nie weit. Der
       Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Freiburg verfügt mit seinen
       hellen Locken und dem jungenhaften Grinsen über eine Dany-Cohn-Bendit-hafte
       Anmutung, was in interessantem Kontrast zu seiner politischen Mission
       steht. Die lautet seit Jahrzehnten: Abbau der Sozialsysteme zugunsten der
       privaten Versicherungswirtschaft.
       
       So unterstützt Raffelhüschen aktuell auch Wirtschaftsministerin Katherina
       Reiche (CDU), [1][die sich für eine Rente mit 70 ausgesprochen] hat: „Es
       ist vernünftig, die Beiträge konstant zu halten und das Rentenniveau
       abzuschmelzen“, [2][erklärt Raffelhüschen]. Alles andere sei eine unfaire
       Belastung der „zukünftigen und jungen Generation“.
       
       Dieses sogenannte Argument verblüfft mich jedes Mal. Sollte die „zukünftige
       und junge Generation“ nicht auch ein Interesse an einer Rente haben, von
       der man leben kann? Die Gemeinten werden jedoch stets so gehandelt, als
       dürften ihnen nur die Rentenbeiträge wichtig sein, denn Hoffnung auf eine
       Rente bräuchten sie sich ohnehin nicht zu machen. Auch in linken Kreisen
       wird oft schnodderig-cool behauptet, die Rente sei quasi nur noch eine
       Luftspiegelung, verlorene Sache.
       
       ## Demografischer Wandel und der Sozialabbau
       
       Warum eigentlich?, sollte speziell diese „zukünftige und junge Generation“
       lieber fragen, finde ich. Schließlich hat sich das gesetzliche Rentensystem
       bisher als relativ elastisch erwiesen. Man muss es eben verbessern, um es
       stabiler zu machen. Und man muss es gegen seine VerächterInnen verteidigen.
       
       Ein Freund von mir hat sich genau das vorgenommen und schreibt gerade ein
       Buch darüber, wie der demografische Wandel zum Sozialabbau benutzt wird.
       Kolossal kann er sich über die Fernseh-Rhetoriktricks der RentenexpertInnen
       auf Kapitaldeckungsticket aufregen. Darunter: die Denunziation der
       Sozialsysteme durch erschröckliche Riesenzahlen, wie es zum Beispiel auch
       der [3][Bochumer Sozialökonom und Wirtschaftsweise Martin Werding] bei
       der letzten Rentenreform gemacht hat.
       
       Da werden dann Summen wie „500 Milliarden Beitragsmittel zusätzlich“,
       Ausrufezeichen!, „Wer soll das bezahlen?“, in den Raum geworfen – und es
       geht beinahe unter, dass ein Zeitraum bis 2039 beschrieben ist. Umgelegt
       aufs Jahr, sind 500 Milliarden dann gar nicht mehr so viel, gemessen daran,
       was die Rentenkasse so umwälzt.
       
       Wer die Agenda-2010-Zeit unter Kanzler Gerhard Schröder noch im Gedächtnis
       hat, der wird im anlaufenden Privatisierungs-Bingo mühelos mithalten
       können: Die „zukünftige und junge Generation“ hatten wir schon. Damit
       untrennbar verbunden: „Wir werden alle immer älter.“ (Nur kurz: Nein –
       [4][die Lebenserwartungen unterscheiden sich nach Einkommen].) Dazu gehören
       auch „explodierende Lohnnebenkosten“ und natürlich „gewerkschaftliche
       Betonköpfe“. Oh, Moment. Hat von den Gewerkschaften überhaupt schon jemand
       etwas gesagt? Gibt’s da noch SozialexpertInnen? Vielleicht denken sie alle:
       Das wird schon nicht so schlimm, wenn nach den Sommerferien die
       Umbaudiskussionen zu Rente, Gesundheit, Pflege so richtig losgehen.
       
       Nach Lektüre des Koalitionsvertrags dachte ich auch ([5][und schrieb es an
       dieser Stelle]), dass die Kommissionen, die da befasst werden sollen, schon
       keinen allzu großen Druck aufbauen würden. Andererseits ist die
       [6][100-Tage-Bilanz des Kanzlers] diese Woche derartig mies ausgefallen
       (abgesehen von der Außenpolitik), dass er auf Ideen kommen könnte. Nicht
       dass das Arbeitgeberlager noch von ihm abrückt. Ich wette, bei der
       [7][Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft] prüfen sie schon die Entwürfe
       für eine dicke Herbstkampagne von der Sorte „Merz, mach uns den Schröder“.
       
       17 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/katherina-reiche-wir-koennen-nicht-ein-drittel-des-lebens-in-rente-verbringen-110608178.html
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=y2mvaJHW7RU
   DIR [3] https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/rente-rentenpaket-ampel-wirtschaftsweise-100.html
   DIR [4] https://www.diw.de/de/diw_01.c.905139.de/publikationen/wochenberichte/2024_25_1/hoeheres_haushaltseinkommen_geht_bei_frauen_und_maennern_mit_hoeherer_lebenserwartung_einher.html
   DIR [5] /Schwarz-roter-Koalitionsvertrag/!6081193
   DIR [6] /100-Tage-GroKo-Noch-schlechtere-Zahlen-als-Olaf-Scholz/!6103026
   DIR [7] https://insm.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Winkelmann
       
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