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       # taz.de -- Zurückgehende Besucherzahlen in Berlin: Keine Stadt für Tourist:innen
       
       > Immer weniger Menschen kommen in die Hauptstadt. Nicht verwunderlich,
       > wenn krampfhaft versucht wird, sie mit austauschbaren Attraktionen
       > anzulocken.
       
   IMG Bild: Ästhetische Beleidigung: Uber-Platz vor der Uber-Arena in Berlin-Friedrichshain
       
       Berlins Tourismusbranche geht es schlecht: Immer weniger Menschen wollen in
       der Hauptstadt Urlaub machen. Das [1][zeigen die neuesten Zahlen, die das
       Amt für Statistik Berlin-Brandenburg in dieser Woche veröffentlichte]. Im
       Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind die Besucher:innenzahlen im
       ersten Halbjahr um 1,8 Prozent eingebrochen. Branchenverbände schlagen
       schon Alarm und sprechen von „Undertourism“.
       
       Doch statt krampfhaft zu versuchen, Besucher:innen mit maßlos
       überbewerteten Großevents und austauschbaren Attraktionen in die Stadt zu
       locken, sollte der Senat stärker Berlins eigentliche Stärken fördern: die
       lebendige Kunst- und Kulturszene.
       
       Abseits allen Touri-Bashings bleibt Tourismus in Berlin ein wichtiger
       Wirtschaftsfaktor. 2024 verzeichnete die Stadt fast zwölf Millionen
       Besucher:innen, und sie alle geben viel Geld aus. Auch wenn gerade
       linke Szeneviertel-Bewohner:innen gern über grölende
       Sauftourist:innen die Nase rümpfen oder schimpfend über
       orientierungslos wirkende Leihrad-Kolonnen herziehen – zur Wahrheit gehört
       auch, dass Tourismus Berlins kulturelle Vielfalt am Leben hält.
       
       Gäbe es keine Tourist:innen, hätte die Hälfte aller Restaurants,
       Theater, Clubs und Galerien längst dichtgemacht. Ob man es mag oder nicht:
       Die Spendierfreude der Besucher:innen hält das kulturelle Leben der
       Stadt aufrecht und ermöglicht eine Vielfalt, die ohne Tourismus kaum
       möglich wäre.
       
       ## Kulturförderung heißt Tourismusförderung
       
       Doch der Reflex der Tourismusbranche und der Politik, nun auf Haudrauf die
       Besucher:innenzahlen steigern zu wollen, greift zu kurz. Was soll die
       Forderung nach Abschaffung der Luftverkehrssteuer und damit Verbilligung
       auch der Flüge in die Hauptstadt, [2][die Burkhard Kieker, der
       Geschäftsführer der landeseigenen Tourismusagentur Visit Berlin, jüngst im
       RBB ventilierte]? Das ist klimapolitisch von vorgestern und führt am
       Problem vorbei.
       
       Denn das Problem ist schließlich vor allem, dass die Grundlagen für Berlins
       Attraktivität zunehmend zerstört werden. Die Kunst- und Kulturszene findet
       aufgrund explodierender Mieten kaum noch Räume. [3][In diesem Jahr kürzte
       der Senat zudem Millionen an Fördergeldern]. Ein Club nach dem anderen muss
       schließen, weil die Betreiber:innen die Mieten nicht mehr stemmen
       können oder sich neu zugezogene Nachbar:innen über den Lärm beschweren.
       
       Auch Berlins spannende historische Architektur aus der Nachkriegszeit wird
       zunehmend vernichtet und muss gesichtslosen Neubauten Platz machen. [4][Ob
       beim Palast der Republik] oder den Friedrichshainer Mauerüberbleibseln
       zwischen Spree und der ästhetischen Beleidigung, die sich derzeit
       Uber-Arena nennt: [5][Der Umgang Berlins mit seinem historischen Erbe ist
       beschämend.]
       
       Stattdessen setzt die Stadt auf Großevents wie die
       Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr. Oder träumt von Olympia
       2036 oder 2040 oder 2044. Oder der Weltausstellung Expo 2035. Oder der
       Internationalen Bauausstellung 2034. Bei anderen „Attraktionen“ wie dem
       gerade am Ostkreuz entstehenden Großaquarium Ocean Berlin ist man
       bedauerlicherweise schon weiter.
       
       Dass mit dieser Politik keine Besucher:innen angelockt werden können,
       zeigt sich immer deutlicher. Es wäre schlau, die Tourismusförderung ganz
       abzuschaffen und damit aufzuhören, Investor:innen zu hofieren, die rein
       auf Tourismus ausgelegte Projekte umsetzen und die Stadt für ihre
       Bewohner:innen immer weniger lebenswert machen. Denn nur ein
       lebenswertes Berlin ist auch attraktiv für Tourist:innen.
       
       15 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/119-2025
   DIR [2] https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2025/07/30/tourismus-berlin-urlaub-hotel-sommer-burkhard-kieker.html
   DIR [3] /Kulturkuerzungen-in-Berlin/!6053865
   DIR [4] /Palast-der-Republik-im-Berliner-Schloss/!6008694
   DIR [5] /Touristische-Hotspots-in-Berlin/!6102957
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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