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       # taz.de -- Berliner S-Bahn: Wieder mal ein Krisentreffen
       
       > Wissen Sie, was eine Gleisfreimeldeanlage ist? Sie sorgt jedenfalls mit
       > dafür, dass die Berliner S-Bahn am Ende ist und neidisch nach Hamburg
       > guckt.
       
   IMG Bild: Schon schön, wenn so eine Bahn mal fährt
       
       Nun meldet sich sogar Eberhard Diepgen zur Wort. Dem Krisentreffen, zu dem
       die Berliner Verkehrssenatorin [1][Ende August die S-Bahn und die Deutsche
       Bahn] einbestellt hat, kann der Oldie unter Berlins Regierenden
       Bürgermeistern nicht sonderlich viel abgewinnen. „Ich bin nicht besonders
       optimistisch“, schreibt Diepgen nach dem Gipfel in einem [2][Gastbeitrag
       für ein Berliner Boulevardblatt]. „Schnelle Lösungen sind nicht in Sicht.“
       
       Diepgen, Jahrgang 1941, war schon 1984 in Westberlin Regierungschef, da
       befand sich die Senatskanzlei noch im Rathaus Schöneberg. Die S-Bahn war im
       damals geteilten Berlin ein hochpolitisches und sensibles
       Kaltes-Kriegsthema. Weil sie auch nach dem Mauerbau von der Deutschen
       Reichsbahn betrieben wurde, wurde sie in Westberlin teilweise boykottiert.
       
       Im Jahr, in dem Diepgen ins Rathaus Schöneberg zog, wurde die S-Bahn von
       der BVG übernommen, die auch die Berliner U-Bahn im Westteil der Stadt
       rollen ließ. Man könnte auch sagen: Die S-Bahn kehrte heim nach Westberlin.
       
       Inzwischen gehört die S-Bahn der Deutschen Bahn – und manchmal scheint es,
       sie sei noch unbeliebter als zu Mauerzeiten. Wer morgens aufwacht, hört es
       schon im Radio. S-Bahn-Ausfall hier, Ersatzverkehr dort. An einem Tag waren
       sogar drei Viertel aller Strecken gestört. Deshalb auch der Krisengipfel
       der Verkehrssenatorin mit der Bahn.
       
       Und gleich danach die Enttäuschung, die auch Eberhard Diepgen angesichts
       des mageren Ergebnisses anzumerken ist. Hier ein neues Schräubchen, da ein
       bisschen mehr putzen, damit die „Gleisfreimeldeanlage“ nicht immer gleich
       einen liegen gebliebenen Zug meldet (und die Strecke sperrt), obwohl nur
       ein Coffee-to-go-Becher auf der Schiene liegt. Ein elektronisches Stellwerk
       soll es erst Mitte der 30er Jahre geben.
       
       ## Wie schön ist es da in Hamburg
       
       Ach, wie schön ist es da in Hamburg. Das erste digitale Stellwerk
       Deutschlands hat die Hansestadt, gesponsert vom Bund. Und wenn die S3 die
       Elbe hinab nach Stade fährt, wechselt sie einfach vom Stromabnehmer der
       eigenen S-Bahn-Gleise und wechselt auf die Regionalbahntrasse und fährt die
       Oberleitung aus. Die Hamburger U-Bahn testet gerade sogar den 100
       Sekundentakt. Die BVG in Berlin hat dagegen als Grundsatz ausgegeben:
       „Stabilität vor Wachstum“.
       
       Hamburg fährt in die Zukunft, Berlin kämpft mit der Vergangenheit. Warum
       nur? Nachfrage beim Fahrgastverband Igeb. Eine Antwort bleibt hängen: Es
       gebe in Berlin eine höhere Bereitschaft, aufs Gleis zu gehen. Bei Personen
       auf dem Gleis wird erst mal alles gesperrt. Früher, heißt es dann hinter
       vorgehaltener Hand, habe der Lokführer einfach gehupt. Heute dagegen
       herrsche eine Vollkaskomentalität.
       
       Das hätte auch von Eberhard Diepgen kommen können. Türstörungen gab es zu
       seinen Zeiten jedenfalls nicht. Jede S-Bahn-Tür hatte einen Griff, man
       konnte sie auseinanderziehen, wenn die Bahn in den Bahnhof fuhr, und auf
       dem Bahnsteig aus dem fahrenden Zug springen.
       
       Und dann erzählt der Igeb-Vertreter von S-Bahn-Unfällen im Ostteil der
       Stadt. Aus den Siebzigern, der Zeit also, aus der das Stellwerk in
       Schöneweide stammt, das auch schon Schlagzeilen gemacht hat. Weil ein
       Stellwerker nicht zur Arbeit kam, war der Südosten der Stadt lahmgelegt.
       Das Stellwerk ist nämlich nicht ans Netz der anderen Stellwerke
       angeschlossen.
       
       Die Unfälle damals, sagt der Igeb-Mann, hätten keine großen Proteste
       ausgelöst. Ein bisschen nachdenklich macht das schon. Andererseits: Je
       sicherer die Systeme, desto störungsanfälliger werden sie, siehe
       Gleisfreimeldeanlage.
       
       Und was ist, wenn das elektronische Stellwerk da ist?
       
       30 Aug 2025
       
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