URI: 
       # taz.de -- Kulinarische Innovationen: Wie immer, aber mit extra Plastik
       
       > Wo sind die Foodtrends, wenn im Sommer die Zeit still steht? Man muss
       > sich nur darauf einlassen – dann erlebt man auf der Zunge britzelnde
       > Flashbacks.
       
   IMG Bild: Früher war weniger Plastik
       
       Die Zeit vergeht anders in der Datschenkolonie im Brandenburgischen.
       Gleichförmiger, sonnenstandabhängiger, langsamer, mitunter steht sie fast,
       und genau deshalb sind wir ja hier. Bloß eine Foodtrendkolumne, die
       schreibt sich so schlecht. Zu den größten kulinarischen Innovationen 2025
       zählt hier, dass man beim Strandimbiss jetzt auch mit EC-Karte zahlen kann
       (ab 10 Euro).
       
       Wobei ebenjener Strandimbiss generell aufrüstet, plötzlich stehen da
       meterhohe Werbesegel („Durst? Hunger? Kaffee? Bier? Alles hier!“) und
       diverse Tafeln mit bunten Sommer-Sonne-gute-Laune-Sprüchen, was wohl mit
       der Eröffnung eines Restaurants auf dem gleichen Gelände zu tun hat. Dort
       ist die Karte so retro-rustikal, dass das einzige vegetarische Hauptgericht
       (Ofenkartoffel) mit „Hier auch mal was ohne Fleisch“ angekündigt wird.
       Karnivore Selbstironie oder Brandenburger Schnoddrigkeit? Vermutlich
       beides.
       
       In der Theorie haben Imbiss und Restaurant ihre Claims sauber abgesteckt,
       die einen bedienen tagsüber mit flotten To-go-Snacks, die anderen gen Abend
       mit wertigen Tellergerichten. In der Praxis knirscht es wohl etwas, oder
       warum finden zeitgleich ein Unpluggedkonzert und ein „Cocktailabend 2.0“
       statt? Uns fehlen leider noch zehn bis zwanzig Jahre, um solche Feinheiten
       des Datschensiedlungssozialgeflechts zu durchdringen.
       
       Auch Lebensmittelort drei, der kleine Laden an der Rezeption, liegt nicht
       direkt am Foodtrendpuls, hier findet man Matchatee so wenig wie
       Dubaischokolade. Ein Regal jedoch erzählt von einem Trend, der vermutlich
       nicht neu ist, mir (40+, kinderlos) aber bisher verborgen war: Süßigkeiten,
       deren zuckrige Essenz von mehr oder weniger alltäglichen Gegenständen aus
       Plastik um- und überformt wird.
       
       Konkret sind das kleine Feuerlöscher, mit denen man sich „Candy Spray“
       direkt in den Mund blasen kann. Oder Toiletten, in deren Schüssel saurer
       Staub liegt, in dem man einen Lutscher (die „Klobürste“) wälzen kann. Auch
       ein Ventilator, ein Lippenstift, ein Propellerflugzeug, eine Handgranate,
       ein Paar Schuhe, ein Bleistift, ein Jojo und eine Mülltonne sind dabei. Es
       ist das gleiche „Machen wir es wie immer, aber mit einer Extraportion
       Plastik“-Prinzip, das heute auch für Kinderzeitschriften gilt, an die fast
       alle ein kleines Spielzeug drangeheftet ist. Früher war das mal
       Alleinstellungsmerkmal des Yps-Hefts.
       
       Statt eines 2,50-Euro-Klos kaufe ich mir doch lieber eine
       Süßigkeiteninnovation meiner eigenen Kindheit: Magic Gum, Knisterkaugummi,
       nur echt mit dem kleinen grünen Männchen auf der dunkelblauen Packung. Das
       britzelt immer noch so aufregend im Mund, als wäre 1988. Die Zeit, sie
       vergeht hier eben anders.
       
       2 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Brake
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Geschmackssache
   DIR Sommer
   DIR Zeit
   DIR Süßigkeiten
   DIR wochentaz
   DIR Datsche
   DIR Brandenburg
   DIR Social-Auswahl
   DIR Kolumne Geschmackssache
   DIR Kolumne Geschmackssache
   DIR Kolumne Geschmackssache
   DIR Döner
   DIR Kolumne Geschmackssache
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neue Namen für Fleischersatz: Was im Wurst Case zu tun ist
       
       Wenn Begriffe wie „Burger“ oder „Schnitzel“ für Fleischersatzprodukte
       verboten werden, wie könnten Tofu und Co. dann heißen? Drei
       Lösungsvorschläge.
       
   DIR Fastfood aus Berlin: Ich komm aus Kreuzberg, du Foodie!
       
       Viele Fastfood-Läden, die in Berlin starten, eröffnen bald auch Filialen
       anderswo. Was ist davon zu halten?
       
   DIR Trends bei Getränken: Dosenbier is back
       
       Bier, Energydrinks oder Icetea werden (wieder) vermehrt aus Dosen
       konsumiert. Kann man sich die Ökobilanz schöntrinken?
       
   DIR Döner-Logo: Wer hat's erfunden?
       
       Jeder kennt und liebt ihn: den Mann mit Kochmütze und Schnauzer, der ein
       langes Messer an den Spieß hält. Doch wer ist sein Schöpfer? Eine
       Spurensuche.
       
   DIR Britische Süßigkeiten im Test: Die Zucker-Challenge von der Insel
       
       Die wochentaz-Redaktion knuspert sich durch Schokolade und Karamell aus UK.
       Am Ende kriegt sie den Mund vor lauter Staunen gar nicht mehr auf.