URI: 
       # taz.de -- Nullrunde beim Bürgergeld: Sozialverbände kritisieren mehr Not und Ausgrenzung
       
       > Die Koalition will den Sozialstaat „reformieren“. Der Kanzler tönt von
       > tiefen Einschnitten. Beim Bürgergeld ist eine Nullrunde in Sicht.
       
   IMG Bild: Die Politik der schwarzen Regierung, und danke Kooperation der SPD, wird jene die wenig haben hart treffen
       
       Berlin dpa/taz | Beim Bürgergeld müssen sich Bezieherinnen und Bezieher
       auch im nächsten Jahr auf eine Nullrunde einstellen. Das folgt aus dem
       gesetzlichen Anpassungsmechanismus, wie das Bundesarbeitsministerium auf
       Anfrage mitteilte. Ressortchefin Bärbel Bas (SPD) plant außerdem härtere
       Sanktionen etwa bei Terminversäumnissen. Kanzler Friedrich Merz (CDU)
       machte erneut deutliche [1][Ansagen für einschneidende Sozialreformen] –
       und strapazierte damit noch frische schwarz-rote Absprachen [2][für mehr
       Gemeinsamkeit in der Koalition].
       
       Die Regelsätze beim Bürgergeld sollen wie schon 2025 nicht erhöht werden.
       „Der gesetzlich festgelegte Fortschreibungsmechanismus führt zum 1. Januar
       2026 zu keiner Veränderung der Regelbedarfshöhen“, sagte ein Sprecher des
       Ministeriums. Die Regelsätze sollen damit bei 563 Euro im Monat für
       Alleinstehende bleiben, für Kinder je nach Alter zwischen 357 und 471 Euro.
       Das Vorhaben muss noch ins Kabinett.
       
       Die nächste Nullrunde beim Bürgergeld, das das Existenzminimum sichern
       soll, war erwartet worden. Hintergrund ist ein Verfahren, mit dem jährlich
       berechnet wird, ob die Sätze angepasst werden müssen – je nach Entwicklung
       bestimmter Nettolöhne und der Preise. Zum Ausgleich für die hohe Inflation
       waren die Sätze 2023 und 2024 deutlich erhöht worden, 2025 gab es bereits
       eine Nullrunde. Union und SPD haben im [3][Koalitionsvertrag] Änderungen am
       Mechanismus vereinbart.
       
       Linke-Chef Jan van Aken kritisierte: „Bärbel Bas macht sich zur
       Ausführenden einer schwarzen Politik, die bei den Ärmsten knausert und den
       Superreichen nützt.“ Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen
       Gesamtverbands, Joachim Rock, sagte Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter
       Nachrichten, die zweite Nullrunde hintereinander bedeute „mehr Not und
       wachsende Ausgrenzung“. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger
       (CDU) nannte die Pläne für 2026 hingegen ein richtiges Signal. „Das zeigt,
       dass die Bürgergeldkosten nicht immer weiter steigen müssen“, so Bilger zur
       Rheinischen Post.
       
       ## Strengere Vorgaben geplant
       
       Bas kündigte außerdem Regelungen an, um „mehr Zug in der Betreuung“ zu
       erreichen. Wer ohne Grund nicht zu Terminen komme, dem werde deutlich mehr
       gestrichen, sagte sie der Bild. „Wir helfen auf dem Weg in Arbeit, aber
       dafür muss man mitmachen. Alles andere ist unfair gegenüber denjenigen, die
       jeden Morgen aufstehen.“ Insgesamt gehe es um mehr Beratung, engere
       Betreuung und mehr Verbindlichkeit. Bürgergeld-Regelleistungen bekommen
       rund 5,5 Millionen Menschen. Die Zahlungen lagen 2024 bei 47 Milliarden
       Euro.
       
       Die Koalition peilt im Herbst mehrere Gesetze für [4][„Reformen“ der
       Sozialsysteme] an. Der Kanzler sagte dazu am Samstag bei einem
       CDU-Landesparteitag in Bonn: „Das wird schmerzhafte Entscheidungen
       bedeuten. Das wird Einschnitte bedeuten.“ Ziel sei, dass Kranken-, Pflege
       und Rentenversicherung – „die großen Errungenschaften unseres
       Sozialstaates“ – auch in Zukunft leistungsfähig und nicht überfordert
       seien. „So wie es jetzt ist, insbesondere im sogenannten Bürgergeld, kann
       es nicht bleiben und wird es auch nicht bleiben.“
       
       Merz bekräftigte, man könne sich das System, das man heute habe, mit dem
       Erwirtschafteten nicht mehr leisten. „Wir leben seit Jahren über unsere
       Verhältnisse“, behauptete er. Verantwortlich dafür sei die Politik. Das zu
       ändern, sei „ein mühsamer Weg“. Er sei aber „fest entschlossen, diesen Weg
       zu gehen.“
       
       Die Spitzen der Fraktionen von Union und SPD hatten bei einer Klausur in
       Würzburg einen Plan mit Vorhaben beschlossen, die nach der Sommerpause
       umgesetzt werden sollen. Verabredet wurden aber auch mehr Abstimmung und
       Austausch, um jüngste Streitigkeiten und Pannen wie bei der gescheiterten
       Verfassungsrichterwahl hinter sich zu lassen. Das solle nun auch die
       Koalition in Gänze erfassen, hatte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch noch
       dazugesagt.
       
       ## Ermahnung zum „Geist von Würzburg“
       
       Der Kanzler erwähnte diesen „Geist von Würzburg“ in seiner Rede tags darauf
       nicht – und erntete Kritik. „Merz' heftige Attacken gegen unseren
       Sozialstaat passen nicht zu den sachlichen Gesprächen der
       Koalitionsfraktionen gerade in Würzburg“, mahnte der Parlamentarische
       Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, im Tagesspiegel. Man
       habe sich dort zugesichert, nicht die schnelle Schlagzeile zu suchen,
       sondern sachlich miteinander zu beraten. „Es wäre gut, auch der Kanzler
       nähme sich diese Abmachung zu Herzen.“
       
       An diesem Montag nimmt auch eine von der Regierung eingesetzte Kommission
       zu Reformen des Sozialstaates die Arbeit auf. Sie soll bis Jahresende
       Vorschläge machen. Der Sozialverband Deutschland warf Merz Verzerrungen
       vor. Er erwecke „den Anschein, der Sozialstaat würde uns finanziell
       ruinieren“, sagte Verbandschefin Michaela Engelmeier. „Das ist nicht nur
       sachlich falsch, sondern gesellschaftlich gefährlich.“ Der
       Arbeitgeberverband Gesamtmetall nannte Reformen angesichts der langen
       Wirtschaftskrise überfällig.
       
       31 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fragwuerdige-politische-Sprache/!6106675
   DIR [2] /Gut-100-Tage-Schwarz-Rot/!6109695
   DIR [3] https://www.koalitionsvertrag2025.de/
   DIR [4] /Unionsplaene-fuer-Kosteneinsparungen-/!6109874
       
       ## TAGS
       
   DIR Sozialstaatsreform
   DIR Sozialstaat
   DIR Bürgergeld
   DIR Bärbel Bas
   DIR Kanzler Merz
   DIR Friedrich Merz
   DIR Sozialpolitik
   DIR Bundesregierung
   DIR Friedrich Merz
   DIR Sozialpolitik
   DIR Sozialstaatsreform
   DIR Podcast „Bundestalk“
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Faktencheck Sozialausgaben: Das sagenumwobene Bürgergeld
       
       Der Sozialstaat ist zu teuer, Kürzungen beim Bürgergeld sind geboten: Die
       Parteien debattieren über eine Reform. Welche Mythen stimmen, welche nicht.
       
   DIR Herbst der Reformen: Wenn jemand immer wieder Nein sagt
       
       Die Bundesregierung plant einen Herbst der Reformen – und eine neue Härte
       beim Bürgergeld. Dabei steht eine Figur im Mittelpunkt, die es kaum gibt.
       
   DIR Wieder Nullrunde beim Bürgergeld: Und die SPD knickt wieder ein
       
       Trotz gestiegener Lebenshaltungskosten steigt das Bürgergeld wieder nicht.
       Zur Legitimation schiebt die Koalition Quatsch-Argumente vor.
       
   DIR Wirtschaftsweise Truger: „Der Sozialstaat ist ein Schutzfaktor, kein Krisenfaktor“
       
       In der Debatte über Wirtschaftskrise und Sozialkürzungen wirbt der
       Wirtschaftsweise Truger dafür, „nicht die Ärmsten die Zeche zahlen“ zu
       lassen.
       
   DIR Fragwürdige politische Sprache: Simulation von Tatendrang
       
       Herbst der Reformen? Klingt gut. Doch nachhaltige Anpassungen der
       Sozialsysteme sind ein bisschen zeitaufwändiger als Laubfegen.
       
   DIR Unionspläne für Kosteneinsparungen: Kommt die große Reform des Sozialstaats?
       
       Der „Herbst der Reformen“ ist bislang zwar nur Marketing-Sprech, aber die
       Union will unbedingt beim Sozialen sparen. Wie will sie das machen?