# taz.de -- Photovoltaik schafft Stromüberschuss: Wenn der Solarstrom unterwegs verloren geht
> Bei den großen Nord-Süd-Trassen wird jeder Fortschritt mit großem Pomp
> gefeiert. Die kleineren Verteilnetze finden wenig Beachtung. Das rächt
> sich.
IMG Bild: An Solaranlagen mangelt es inzwischen nicht: Solarpark in Langenenslingen
Freiburg taz | Vor allem [1][in Bayern] wird eine der großen
Herausforderungen der Stromwirtschaft deutlich: Durch Netzengpässe gehen
inzwischen große Mengen an Solarstrom verloren. Von 1.389 Gigawattstunden
Photovoltaik-Strom, die im Jahr 2024 in Deutschland abgeregelt werden
mussten, betrafen 986 Gigawattstunden den Freistaat. Also 71 Prozent. Damit
gingen im letzten Jahr in Bayern fast fünf Prozent der erzeugbaren
Solarstrommenge wegen fehlender Netzkapazitäten verloren.
Der Grund der bayerischen Spitzenposition ist offensichtlich: Der Freistaat
steht beim Ausbau der Photovoltaik an der Spitze. Er deckt im Jahresmittel
bereits rund ein Viertel seines Strombedarfs aus Solaranlagen, während der
Vergleichswert bundesweit mit 14 Prozent deutlich niedriger liegt. Der
Zubau an Photovoltaik erzielte deutschlandweit zuletzt Rekorde: Gut 15
Gigawatt an Nennleistung kamen 2024 hinzu, mehr als in jedem Jahr zuvor. In
diesem Jahr sind es bereits weitere acht Gigawatt.
Bei solchen Zahlen kann der Netzausbau nicht mithalten, da er lange
Planungszeiten braucht – während eine Photovoltaikanlage auf dem Dach
kurzfristig montiert werden kann. Entsprechend rapide nehmen die
Netzengpässe zu; deutschlandweit ging im Jahr 2024 bereits fast doppelt so
viel Solarstrom verloren, wie im Jahr zuvor.
In welchem Maße die Abregelung der Photovoltaik aufgrund von Engpässen im
Verteilnetz oder aber im Übertragungsnetz erfolgt, ermittelt die
Bundesnetzagentur nicht. Diese Kennzahl weist die Behörde nur für die
Erneuerbaren in Summe aus. Danach waren im vergangenen Jahr Engpässe im
Verteilnetz für 26 Prozent des verlorenen Stroms verantwortlich, der große
Rest war Engpässen im Übertragungsnetz geschuldet.
## Massive Investitionen in die Verteilnetze sind nötig
Diese Unterscheidung der Netzebenen ist nötig, weil es in der öffentlichen
Debatte beim Netzausbau oft so scheint, als seien allein fehlende nationale
Trassen von Nord nach Süd das Problem. Doch zunehmend rückt auch das zu
schwache Verteilnetz in der Mittel- und Niederspannung ins Blickfeld. Will
man die Photovoltaik derart ambitioniert weiter ausbauen wie in den letzten
zwei Jahren, wird man massiv auch in die Verteilnetze investieren müssen.
Denn auch wenn die Aufsichtsbehörde die Zahlen nicht erhebt: Man kann
annehmen, dass die Photovoltaik aufgrund ihrer dezentralen Struktur
überproportional von Engpässen im Verteilnetz betroffen ist.
Unklar bleibt zudem, in welchem Maße aktuell bereits der Neubau von Wind-
und Solaranlagen wegen fehlender Netze in der Warteschleife hängt. Angaben
dazu hat weder die Bundesnetzagentur vorliegen, noch kann die ansonsten mit
Zahlen gut vertraute Agora Energiewende hier mit Schätzungen aufwarten.
Agora zitiert aber im Jahresbericht den Ausbaubedarf, wie ihn das
Bundesbedarfsplangesetz und das Energieleitungsausbaugesetz ausweisen.
Danach sind im Übertragungsnetz 128 Vorhaben mit einer Gesamtlänge von
16.808 Kilometern erfasst.
## Die Netzkosten werden noch mehr steigen
Zugleich stellt der Thinktank fest: „Die Fortschritte bei der
Fertigstellung neuer Trassen sind noch immer bescheiden.“ Zum Verteilnetz
heißt es: „Der weitere Zubau dezentraler Erneuerbarer-Energien-Anlagen und
die gleichzeitig stetig steigende Zahl elektrischer Verbrauchsanlagen in
Privathaushalten, wie Wärmepumpen, Heimspeicher für PV-Dachanlagen oder
E-Auto-Ladevorrichtungen erfordert eine fundamentale Modernisierung der
Verteilnetzinfrastruktur.“ Während über die nationalen Trassen seit 20
Jahren gesprochen wird, blieb das Verteilnetz oft unter dem Radar. In
seinem jüngsten Jahresbericht stellt Agora Energiewende fest, dass erstmals
im Jahr 2023 „die Dimension der zu erwartenden Netzanschlüsse, der
zukünftigen Stromerzeugung sowie die Dimension des zukünftigen
Stromverbrauchs“ in sogenannten Regionalszenarien abgebildet worden sei.
Das war offenkundig nötig, denn mit [2][geplanten Investitionen] von
zuletzt fast 12 Milliarden Euro pro Jahr liege „das Investitionsvolumen der
Verteilnetzbetreiber in einer vergleichbaren Größenordnung wie das der
Übertragungsnetzbetreiber“. So wird also noch viel Geld auszugeben sein, um
Kupfer im Boden zu verlegen – was dann naturgemäß die Netzentgelte treibt.
So sind diese nach Zahlen der Bundesnetzagentur bereits 2024 gegenüber dem
Vorjahr um gut 24 Prozent gestiegen. Für Haushaltskunden benennt die
Regulierungsbehörde inzwischen einen Mittelwert der Netzentgelte von 11,62
Cent je Kilowattstunde.
Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien werden die Netzkosten weiter
steigen. Zwar diskutiert die Politik darüber, dass diese Beträge
[3][künftig dem Steuerzahler aufgebürdet] werden sollen, statt wie bisher
dem Stromkunden per Stromrechnung. Das aber ändert nichts daran, dass der
Netzausbau bezahlt werden muss – auch wenn die Kosten nicht mehr so
offensichtlich zutage treten wie heute, wo sie die Netzentgelte treiben.
31 Aug 2025
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## AUTOREN
DIR Bernward Janzing
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