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       # taz.de -- Umweltschutz in Griechenland: Schwimmen in Müll und braunem Schlamm
       
       > In Griechenland hält die Infrastruktur beliebter Inseln dem
       > Touristenansturm nicht stand. In vielen Orten fließt das Abwasser
       > ungereinigt ins Meer.
       
   IMG Bild: Klein-Venedig in Mykonos, Griechenland: Abwasser gelangt direkt ins Meer
       
       Athen taz | Das Ereignis löste Ende August buchstäblich hohe Wellen aus:
       Tagelang sprudelte ungereinigtes Abwasser aus einem Schacht am Strand von
       Chochlakas im Westen der griechischen Insel Patmos und gelangte so direkt
       ins Meer. Der Grund dafür: die kaputte Kläranlage der Insel sowie eine
       verstopfte Leitung, über die normalerweise das gereinigte Abwasser ins Meer
       geleitet wird.
       
       Chochlakas war nicht der einzige Ort, der heimgesucht wurde. An vielen
       Stellen auf Patmos floss brauner Schlamm statt Trinkwasser aus den
       Wasserhähnen, berichtete die Athener Tageszeitung Kathimerini.
       Bürgermeister Nikitas Tsabalakis bestreitet dies allerdings mit Nachdruck.
       Fest steht, dass sich inzwischen die Staatsanwaltschaft in den vermutlichen
       Öko-Fall Patmos eingeschaltet hat.
       
       Die Athener Wassergesellschaft EYDAP hat ein achtköpfiges Team auf die
       Insel entsandt. „Die biologische Kläranlage ist vollständig verstopft, die
       Membranen sind beschädigt“, stellte Kostas Vougiouklakis, der
       EYDAP-Direktor für Abwasserentsorgung, fest. Bislang habe die Kanalisation
       mit einer „Umgehung“ funktioniert, die das Abwasser in einen eigenen
       Schacht leitete, der zum Unterwasserkanal führt. „Dieser Kanal ist
       verstopft. Daher ist der Schacht an der Küste übergelaufen und alles an der
       Oberfläche ins Meer geflossen“, so der Abwasserexperte.
       
       Patmos gilt als „Perle der Dodekanes-Inselgruppe“ in der Ostägäis und ist
       längst vom Geheimtipp zu einem beliebten Urlaubsziel von Reisenden aus
       aller Welt avanciert. Das Gros der 3.283 ständigen Bewohner lebt inzwischen
       vom Tourismus. Mitten in der Saison ist der übel riechende Schaden für sie
       der Super-GAU.
       
       ## Fette, Babywindeln, Abfälle
       
       Die biologische Kläranlage von Patmos war eine von vielen, die Mitte der
       Zehnerjahre in ganz Griechenland gebaut wurden. Sie sollte das sehr
       problematische Vorgängersystem aus den 1980er Jahren ersetzen. Das mit
       EU-Geldern finanzierte Projekt ging mit deutlichem Verzug 2018 in Betrieb.
       Wegen mangelnder Wartung seien in den letzten Jahren immer wieder Probleme
       aufgetreten, räumt Patmos’ Bürgermeister Tsabalakis ein. „Nichts hat
       richtig funktioniert.“ Vor einigen Tagen sei die Situation indes eskaliert.
       
       Notgedrungen musste die EYDAP Maßnahmen ergreifen. Improvisieren auf
       Griechisch. Man müsse verhindern, dass weiter Müll ins Meer gelangt, sagt
       Vougiouklakis. „Wir haben eine Vorbehandlung eingeführt, um Fette,
       Babywindeln und Abfälle, die in die Kanalisation gelangen, zurückzuhalten.“
       Zusätzlich soll eine Unterwasserleitung in Betrieb gehen. Vougiouklakis
       sagt dazu mit entwaffnender Ehrlichkeit: „Falls wir das schaffen, wird das
       um diese festen Bestandteile bereinigte, immer noch belastete Abwasser etwa
       210 Meter von der Küste entfernt in einer Tiefe von 25 Metern gesammelt.“
       Das sei natürlich keine ideale Lösung – „aber es ist viel besser als das,
       was derzeit passiert“.
       
       Allein der Austausch der Membranen in der Kläranlage würde etwa 100.000
       Euro kosten. Das kann die Gemeinde offenkundig einfach nicht bezahlen.
       „Genauso ist die Situation auf vielen Inseln, wo die Anlagen ohne
       Fachpersonal, Wartung, Ressourcen und ohne Planung betrieben werden“,
       erklärt Vougiouklakis.
       
       ## Geplatzte Wasserleitung, verdutzte Touristen
       
       Patmos ist also kein Einzelfall. Auf der Kykladeninsel Mykonos, die im
       Winter nur gut 10.000 Einwohner zählt, dafür im Sommer von Touristenmassen
       geradezu überlaufen wird, platzte zuletzt am Strand von Plati Gialo vor den
       Augen verdutzter Touristen eine 33 Jahre alte Abwasserleitung. Für die
       Urlauber hieß das: schwimmen im Dreck.
       
       Einer aktuellen Studie der Universität der Ägäis zufolge sind von den 53
       Kläranlagen in der Ägäis und im Ionischen Meer 15 vor dem Jahr 2000 gebaut
       worden. Ferner erfüllen 25 Anlagen die Umweltauflagen nicht oder nicht
       mehr. Bei 16 der 53 Anlagen wurden Schadstoffwerte bei den Einleitungen ins
       Meer gemessen, die die EU-Höchstgrenzen überschreiten.
       
       Doch nicht nur auf den Inseln ist die Lage ökologisch bedenklich. 40 der
       erfassten 281 Kläranlagen in Ortschaften über 2.000 Einwohnern in ganz
       Griechenland funktionieren nicht – das ist jede siebte Kläranlage. Die
       meisten davon liegen in touristischen Regionen. Zugleich ist vorgesehen,
       dass bis 2035 auch Orte mit mindestens 1.000 ständigen Einwohnern über
       biologische Kläranlagen verfügen müssen – für Hellas eine Herkulesaufgabe.
       
       Doch nicht nur in Sachen Abwasser ist das Land an der Grenze der
       Belastbarkeit. Ob Stromausfälle, Probleme in Häfen, Flughäfen oder Staus –
       die Infrastruktur leidet immer mehr unter den Touristenmassen. Die
       Kleininsel Symi, zwei Fährstunden von Rhodos entfernt, versucht es jetzt
       anders. Bürgermeister Eleftherios Papakalodoukas will von jedem
       Tagesbesucher eine Gebühr von drei Euro kassieren, um das Geld in die
       strapazierte Infrastruktur zu investieren.
       
       Der auch in diesen Tagen andauernden Hitze, extremen Dürre und verheerenden
       Waldbränden zum Trotz steuert der griechische Reisesektor 2025 auf ein
       neues Rekordjahr zu. In diese Richtung weisen jedenfalls die Zahlen vom
       ersten Halbjahr. Jüngsten Angaben der Athener Notenbank zufolge stieg die
       Anzahl der touristischen Ankünfte aus dem Ausland in den ersten sechs
       Monaten im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 0,6 Prozent
       auf 11,69 Millionen.
       
       Für den Tourismussektor lief es schon im Vorjahr so gut wie nie zuvor.
       Knapp 36 Millionen ausländische Touristen besuchten Griechenland 2024 –
       Reisende auf Kreuzschiffen noch nicht eingerechnet. Deutschland lag in der
       Rangliste der Herkunftsländer der Griechenlandurlauber dabei unangefochten
       auf Platz eins.
       
       2 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ferry Batzoglou
       
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