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       # taz.de -- Söder will regionale Erbschaftsteuer: In Bayern soll das Sterben am günstigsten sein
       
       > Bayern fordert eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer und klagt dafür
       > vor dem Verfassungsgericht. Die Bundesländer stünden dadurch in
       > Wettbewerb zueinander.
       
   IMG Bild: Mister Bayern First: Söder scheitert meist mit seinen Anläufen, Vorteile für Bayern zu erklagen
       
       Freiburg taz | [1][Bayerns Ministerpräsident Markus Söder] (CSU) will die
       Erbschaftsteuer um 50 Prozent senken – für Todesfälle in Bayern. Die
       Steuersätze der Erbschaftsteuer sind bisher bundesweit einheitlich, daher
       fordert Söder eine „Regionalisierung“ der Steuer. Söder will das nicht nur
       politisch in der schwarz-roten Koalition durchsetzen. Parallel läuft auch
       eine Klage Bayerns beim Bundesverfassungsgericht.
       
       In Deutschland werden pro Jahr Vermögen im Wert von etwa 400 Milliarden
       Euro vererbt. Ganze 12 Milliarden Euro werden vom Staat als Erbschaftsteuer
       abgeschöpft. Geregelt ist dies zwar in einem Bundesgesetz, doch das
       Steueraufkommen geht vollständig an die Länder, in denen die Verstorbenen
       ihren Wohnsitz hatten. Bayern nimmt so pro Jahr 2,4 Milliarden Euro ein,
       Thüringen nur 27 Millionen, weil in den neuen Ländern wenig vererbt werden
       kann.
       
       Söder forderte am Montag in der Bild-Zeitung: „Jedes Bundesland soll
       künftig eigene Steuersätze festlegen dürfen, denn das Steueraufkommen
       fließt ohnehin in die Länderhaushalte. Es ist nur folgerichtig, den Ländern
       dann auch die Hoheit über die Höhe der Steuer zu geben.“ Kanzler Friedrich
       Merz reagierte zurückhaltend: „Wir haben im Moment andere Sorgen.“
       
       Umso wichtiger für Söder, dass er noch ein zweites Eisen im Feuer hat: Im
       Juni 2023 veranlasste Bayern beim Bundesverfassungsgericht das Verfahren
       der abstrakten Normenkontrolle gegen das Erbschaftsteuergesetz. Der Bund
       habe hierfür gar keine Gesetzgebungskompetenz. Ein Bundesgesetz sei nicht
       erforderlich.
       
       Der Bundestag nahm zu dieser Klage nicht Stellung; vermutlich konnten sich
       SPD und Union nicht einigen. Deshalb hat die Grünen-Bundestagsfraktion den
       Rechtsprofessor Florian Meinel mit einer Stellungnahme beauftragt, die der
       taz vorliegt.
       
       Für Meinel steht außer Zweifel, dass ein Bundesgesetz für die
       Erbschaftsteuer zulässig ist. Andernfalls bestünde die Gefahr eines
       „ruinösen Steuerwettbewerbs“. Wenn Bayern bei der Erbschaftsteuer die
       Steuersätze absenken und die Freibeträge erhöhen könnte, wäre dies ein
       Anreiz für reiche Leute, nach Bayern umzuziehen. Sie würden dort dann auch
       Einkommensteuer zahlen. „Das wäre eine Bayern-first-Politik, eine Abkehr
       von der für den deutschen Föderalismus charakteristischen Solidarität“,
       so Meinel.
       
       ## Geringe Erfolgsaussichten
       
       Die Chancen, dass Bayern das Bundesgesetz völlig kippt, sind relativ
       gering. Erst 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass der
       Bund hier die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz wahrnehmen durfte. Der
       Bundestag habe auch einen Einschätzungsspielraum, ob eine
       Rechtszersplitterung zu „problematischen Entwicklungen für die Rechts- und
       Wirtschaftseinheit“ führt.
       
       Besser sind die bayerischen Erfolgsaussichten an einem zweiten Punkt.
       Bayern moniert auch, dass die Freibeträge für die Erbschaftsteuer (500.000
       Euro für Ehegatt:innen, 400.000 Euro für Kinder) schon seit 2009 nicht mehr
       erhöht wurden. Gerade in Bayern müssten viele Kinder das ererbte Haus
       verkaufen, so das bayerische Argument, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu
       können.
       
       ## Söder macht weiter Druck
       
       Meinel überzeugt aber auch das nicht. „Wenn Ehegatten im ererbten Haus
       wohnen bleiben oder wenn Kinder dort einziehen, ist das Familienheim von
       der Erbschaftsteuer befreit“, es gehe also nur um Fälle, bei denen die
       Immobilie als Kapitalanlage genutzt wird. „Und auch dort kann die
       Steuerlast für zehn Jahre gestundet werden.“
       
       Eine verfassungsrechtliche Pflicht, Steuerfreibeträge regelmäßig zu
       erhöhen, gebe es nur beim Schutz des Existenzminimums, aber nicht bei der
       Erbschaftsteuer. „Es gibt keinen Anspruch auf Absicherung von
       Ungleichheit“, schreibt Meinel.
       
       Wann das Bundesverfassungsgericht über die Klage Bayerns entscheidet, ist
       noch offen. Bis dahin wird Söder weiter politisch Druck machen. Doch selbst
       wenn er es durch Erpressung und Deals schaffen würde, die rot-schwarze
       Koalition auf seine Seite zu ziehen, so wäre er noch nicht am Ziel:
       Erforderlich wäre für eine Regionalisierung der [2][Erbschaftsteuer] auch
       die Zustimmung des Bundesrats, also der Länderkammer. Und dort sind Söders
       Vorstöße bisher immer gescheitert – weil sie eben vor allem Bayern nutzen
       und anderen Ländern schaden.
       
       2 Sep 2025
       
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   DIR Christian Rath
       
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