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       # taz.de -- Umsetzung der GEAS-Reform: Zur Not sollen auch geflüchtete Kinder in Haft
       
       > Die Bundesregierung setzt die Reform des europäischen Asylsystems GEAS
       > um. Doch die deutschen Beschlüsse gehen weit über die Vorgaben der EU
       > hinaus.
       
   IMG Bild: Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen bald auch geflüchtete Kinder inhaftiert werden können
       
       Berlin taz | Noch schlimmer als nötig. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch
       zwei Entwürfe beschlossen, mit denen deutsche Gesetze an die Reform des
       EU-Asylsystems GEAS angepasst werden sollen, die 2026 in Kraft tritt. Die
       Pläne gehen dabei noch über das hinaus, was die bereits sehr harten
       EU-Beschlüsse vorschreiben.
       
       Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Mittwoch, es gehe um
       „Verantwortung und Verlässlichkeit, um Sicherheit und europäische
       Solidarität“. Oppositionspolitiker*innen und
       Menschenrechtler*innen kritisierten die Pläne dagegen als unmenschlich
       und rechtswidrig.
       
       Die GEAS-Reform, die die EU-Staaten und -Institutionen im vorigen Jahr
       beschlossen, [1][sieht umfangreiche Verschärfungen vor.] So sollen
       Geflüchtete an den EU-Außengrenzen künftig ein „Sicherheitsscreening“
       durchlaufen und manche auch beschleunigte Asylverfahren in Haftlagern – das
       betrifft auch Kinder. Dabei gelten die Betroffenen rechtlich als nicht
       eingereist. Wer keinen Schutz bekommt, soll direkt abgeschoben werden.
       
       Außerdem sieht die GEAS-Reform für Krisensituationen weitreichende
       Möglichkeiten vor, humanitäre Standards abzusenken. Kritiker*innen
       fürchten außerdem, dass die neuen Regeln illegale Pushbacks erleichtern,
       bei denen Geflüchtete ohne Asylverfahren einfach zurückgedrängt werden.
       
       ## Haft als „Schutz“ für Kinder
       
       Die am Mittwoch vom deutschen Kabinett beschlossenen Entwürfen sollen die
       hiesige Gesetzeslage mit den EU-Beschlüssen in Einklang bringen. Allerdings
       nutzt die Bundesregierung die nötigen Gesetzesänderungen [2][für weitere
       Verschärfungen]. Die wohl folgenschwerste: die geplante Einführung von
       sogenannten Sekundärmigrationszentren.
       
       Die zielen auf Geflüchtete, die nach den Dublin-Regeln eigentlich dort ihr
       Asylverfahren durchlaufen müssten, wo sie zuerst EU-Boden betreten haben.
       Auch wer in einem anderen EU-Land Schutz bekam und nun in Deutschland
       erneut um Asyl bittet, soll in die Zentren müssen und von dort möglichst
       direkt wieder abgeschoben werden. Praktisch dürften so fast alle
       Geflüchteten, die hier ankommen, betroffen sein.
       
       Die Idee der Zentren entspricht weitgehend [3][den Dublin-Zentren], die es
       bereits in Brandenburg und Hamburg gibt. Der große Unterschied: Wo in den
       existierenden Zentren nur nachts eine Anwesenheitspflicht für manche
       Bewohner*innen gilt, könnten die neuen Zentren bald Gefängnissen
       gleichen. Die am Mittwoch beschlossenen Entwürfe sehen die Möglichkeit vor,
       Geflüchteten das Verlassen der Einrichtungen komplett zu verbieten.
       
       Auch nicht von der EU-Reform vorgegeben: eine neue Form der
       Asylverfahrenshaft, die sogar auf Kinder und Jugendliche angewendet werden
       kann, wenn das deren „Schutz“ dient. Das soll gelten, wenn Elternteile oder
       Betreuungspersonen in Haft sind. Wiebke Judith von Pro Asyl sagte dazu:
       „Kinder schützt man nicht, indem man sie einsperrt.“ Und die
       innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger,
       sagte: „Zynischer geht es nicht“.
       
       SPD-Abgeordneten, die die Beschlüsse ihrer Minister*innen am Mittwoch
       verteidigten, war das Unbehagen dabei teils anzuhören. So sagte etwa der
       Berichterstatter der Fraktion Hakan Demir beschwörend: „Die Koalition
       achtet darauf, dass der nachvollziehbare Wunsch nach Ordnung nicht zum
       Abbau der Rechte von Schutzsuchenden führt.“ Und der innenpolitische
       Sprecher der Fraktion, Sebastian Fiedler, lobte den Beschluss zwar,
       versprach aber auch, im parlamentarischen Verfahren „sorgfältig zu prüfen
       und zu beraten“.
       
       3 Sep 2025
       
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