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       # taz.de -- Menschenrechte in der Lieferkette: Von nun an wieder Selbstkontrolle
       
       > Die Bundesregierung hat zentrale Hebel zur Überprüfung des
       > Lieferkettengesetzes abgeschafft – zum Beispiel die Berichtspflichten von
       > Unternehmen.
       
   IMG Bild: Nach dem Trocknen werden die Stoffe auf Großmärkten angeboten und später an Textilfabriken geliefert, Bangladesh, 28.3.2025
       
       Berlin taz | Vier Jahre, nachdem eine CDU-SPD-Koalition unter
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Gesetz beschloss, das Unternehmen
       zur Einhaltung von Menschenrechten verpflichtet, sägt Schwarz-Rot es wieder
       ab. In der Kabinettssitzung am Mittwoch hat die Bundesregierung zentrale
       Abschwächungen des [1][Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes] beschlossen.
       
       Zwar müssen große Unternehmen auch in Zukunft ihre Zulieferer kennen und
       dafür sorgen, dass dort keine Verstöße gegen Menschenrechte an der
       Tagesordnung sind, aber sie müssen nach dem neuen Gesetzentwurf nicht mehr
       darüber berichten. Das heißt, sie müssen vorerst keine Einblicke geben, ob
       sie ihre Lieferketten auf Risiken analysieren, wie viele Beschwerden sie
       erhalten haben oder welche Maßnahmen sie zur Prävention von
       Menschenrechtsverletzungen ergreifen.
       
       Außerdem soll [2][die zuständige Kontrollbehörde Bafa] Unternehmen
       zukünftig bei Verstößen nicht mehr sanktionieren können – außer bei
       massiven Menschenrechtsverletzungen.
       
       Die Bundesregierung setzt damit ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag
       um. Sie schafft das Gesetz aber nicht ab – wie ebenfalls angekündigt. Bis
       Juli 2027 muss Deutschland ohnehin die europäische Richtlinie (CSDDD)
       umsetzen, auch sie erfordert die Einrichtung eines Lieferkettengesetzes.
       
       ## Auch in der EU droht Abschwächung
       
       Über den Rahmen dieser Richtlinie verhandelt die EU wieder, nachdem
       Deutschland unter der Ampelregierung die formale Annahme im Rat blockiert
       hatte. Auch hier liegen wieder starke Abschwächungen auf dem Tisch. Zum
       Beispiel soll nach Wunsch der Mitgliedstaaten im Rat nur noch ein Bruchteil
       der Unternehmen von den Pflichten betroffen sein. Deutschland trägt diese
       Entscheidungen trotz internem Widerstand des SPD-geführten
       Bundesarbeitsministeriums offenbar mit.
       
       Zahlreiche Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen reagierten am
       Mittwoch mit heftiger Kritik auf den Kabinettsbeschluss. Sofie Kreusch von
       der zivilgesellschaftlichen Initiative Lieferkette kritisierte die neue
       Bundesregierung für „eine Rolle rückwärts“.
       
       Sie handle „nicht nur verantwortungslos gegenüber den Betroffenen von
       Menschenrechtsverletzungen weltweit, sondern auch im Widerspruch zu
       europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben, die Rückschritte beim Schutz
       der Menschenrechte verbieten“. Deutsche Unternehmen, die bereits mit der
       Umsetzung des Lieferkettengesetzes begonnen haben, verlören wichtige
       Anreize zur Vorbeugung von Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden.
       
       ## BDI fordert Abschaffung
       
       Die Abschwächungen seien „eine offene Einladung, es mit den Menschenrechten
       nicht mehr so genau zu nehmen“, kritisierte Armin Paasch von der
       Entwicklungsorganisation Misereor. „In der Konsequenz droht eine reale
       Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung unter
       Beteiligung deutscher Unternehmen“.
       
       Laut Paasch hat das Gesetz bereits konkrete Verbesserungen für Betroffene
       bewirkt. Nach einer Beschwerde der ecuadorianischen Gewerkschaft Astac
       gegen die Supermarktkette Rewe etwa habe der Zulieferbetrieb die Löhne für
       Bananenarbeiter*innen angehoben. Auch [3][eine Studie mehrerer
       Zivilorganisationen vom Mai] zeigte positive Wirkungen des Gesetzes für
       Arbeitnehmerinnen am Ende der Lieferkette, forderte jedoch Nachbesserungen
       in der Beteiligung Betroffener und bei der Sanktionierung von Unternehmen.
       
       Die Bundesregierung kommt mit dem Beschluss Wirtschaftsverbänden entgegen,
       die über den Bürokratieaufwand des Gesetzes klagten. Dem Bundesverband der
       Deutschen Industrie (BDI) gehen die Änderungen dennoch nicht weit genug.
       Geschäftsführerin Tanja Gönner sagte der taz: „Für eine spürbare Entlastung
       wäre eine vollständige Aussetzung des nationalen Gesetzes erforderlich, bis
       die entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt ist.“
       
       Gönner fordert zudem, dass das Bafa angewiesen werden müsse, auch „Abfragen
       auf Basis des deutschen Gesetzes zu stoppen“. Der Änderung des
       Lieferkettengesetzes müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen.
       
       4 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Leila van Rinsum
       
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