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       # taz.de -- Linken-Abgeordneter über die Polizei: „Wir brauchen einen radikalen Wandel“
       
       > Die Hamburger Linksfraktion lädt zu einem Kongress über die Arbeit der
       > Polizei. Linken-Politiker Deniz Celik über die Probleme und mögliche
       > Lösungen.
       
   IMG Bild: Protest nach einem Tod durch Polizeischüsse von hinten: Demonstration „Gerechtigkeit für Lorenz“ am 29. Juni in Oldenburg
       
       taz: Herr Celik, können Sie sich eine Gesellschaft ohne Polizei vorstellen? 
       
       Deniz Celik: Ja, als Utopie schon. Dafür müssen allerdings die Ursachen von
       Kriminalität größtenteils beseitigt sein. [1][Es braucht eine Gesellschaft,
       die gerecht, armutsfrei sowie diskriminierungsfrei ist und soziale Teilhabe
       für alle ermöglicht.]
       
       taz: Hilft die Polizei dabei? 
       
       Celik: Nein, dafür brauchen wir die Zivilgesellschaft. Wir müssen die
       materiellen Verhältnisse verändern und soziale Ungleichheiten beseitigen.
       Das sind Prozesse, bei denen die ganze Gesellschaft gefordert ist.
       
       taz: Welche Rolle spielt die Polizei momentan in unserer Gesellschaft? 
       
       Celik: Sie soll für Sicherheit sorgen. Im Diskurs wird das immer in den
       Mittelpunkt gestellt. Zugleich sehen wir, wie marginalisierte Gruppen
       verdrängt und unliebsame Proteste unterdrückt werden. Kritische
       Demonstrierende erfahren starke Repressionen. Die Polizei drängt Protest
       zurück und schreckt Engagierte ab.
       
       taz: Braucht es die Polizei? 
       
       Celik: Menschen werden Opfer von rassistischer Gewalt oder
       Hasskriminalität. Die Polizei kann dabei Schutz bieten. Nötig sind aber
       auch Gewaltprävention, Schutzräume, Frauenhäuser,
       Antidiskriminierungsstrategien und so weiter. Es muss eine ehrliche Debatte
       darüber geben, wo Polizei noch nötig ist. Der Einsatzbereich muss deutlich
       sinken. Am System gibt es viel zu kritisieren.
       
       taz: Was denn zum Beispiel? 
       
       Celik: Man muss darüber sprechen, dass Menschen auch [2][Angst vor der
       Polizei haben], etwa marginalisierte Gruppen. Es gibt immer mehr Orte für
       [3][anlasslose Kontrollen]. Das schafft Angsträume für Menschen, die
       aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe in willkürliche Polizeimaßnahmen
       kommen. Auch Polizeigewalt ist ein großes Thema. Es kommt immer wieder zu
       [4][tödlichen Polizeieinsätzen]. Die Fälle werden nicht als strukturelles
       Problem gesehen, sondern wenn überhaupt als Einzelfall betrachtet. Oft
       fehlt eine kritische Aufarbeitung.
       
       taz: Also ist es ein strukturelles Problem? 
       
       Celik: Man muss gucken, warum es immer wieder zu solchen Einsätzen kommt.
       Warum tritt die Polizei nicht deeskalativ auf? Von der Polizei werden
       bestimmte Gruppen als Gefahr gesehen. [5][Es muss eine ehrliche
       Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus stattfinden.]
       
       taz: Sollte das bestehende System der Polizei aufgelöst werden? 
       
       Celik: In der jetzigen Form schon. Es braucht einen radikalen,
       institutionellen Wandel, und eine stärkere demokratische Kontrolle. Ich
       wünsche mir eine Gesellschaft, in der Sicherheit viel breiter definiert und
       die soziale Teilhabe von allen Menschen gesichert wird. Die Polizei wird
       dann in den allermeisten Fällen nicht mehr gebraucht. Doch zuvor brauchen
       wir konkrete Schritte zur Reform der Institution.
       
       taz: Welche? 
       
       Celik: Ganz wichtig wären [6][unabhängige Beschwerdestellen] zur Kontrolle
       der Polizei. Betroffene können sich dort hinwenden. Die Polizei muss
       grundrechtsfreundlich handeln und sicherstellen, dass die Grundrechte der
       Menschen gewahrt werden. Zudem müssen Ressourcen für die Polizei
       zurückgefahren und [7][das Geld woanders hin investiert werden.] Etwa in
       die Sozialarbeit, die Armutsbekämpfung und nicht in Kontrolle und
       Überwachung. Die Rolle der Polizei muss neu definiert werden.
       
       taz: Was muss passieren, damit das System tatsächlich verändert wird? 
       
       Celik: Wir brauchen mehr Gegenöffentlichkeit und Gegendruck von unten. Nur
       so kann sich die Polizeipraxis radikal verändern. Es ist wichtig, dass aus
       der Zivilgesellschaft alternative Konzepte entwickelt werden und Sicherheit
       neu definiert wird.
       
       5 Sep 2025
       
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