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       # taz.de -- Propaganda in Peking: Frieden spielen in Peking
       
       > Ein Tiktok-Clip der Linksjugend Solid feiert die „World Youth Conference
       > for Peace“ in Peking. Doch Repression und Zwangsarbeit werden
       > ausgeblendet.
       
   IMG Bild: Ein riesiges Gemälde mit vier Friedenstauben an der Wand eines Einkaufszentrums in Shenyang, Liaoning, China
       
       „80 Jahre Sieg über den Faschismus. 80 Jahre Vereinte Nationen. Wir halten
       fest am Menschheitstraum einer friedlichen Welt“, erklärt eine
       Bundessprecherin der [1][Linksjugend Solid] in einem Tiktok-Video. Dazu:
       Historische Aufnahmen in Schwarz-Weiß von der Sprengung des Hakenkreuzes
       auf dem Nürnberger Zeppelinfeld und der Gründung der Vereinten Nationen
       1945.
       
       Dann spricht eine zweite Person, Mitglied im Parteivorstand der Linken:
       „Deswegen sind wir heute bei der World Youth Conference for Peace in
       [2][Beijing] – mit jungen Menschen aus über 130 Nationen“.
       
       Zu sehen sind langsame Kamerafahrten, die dem Video eine träumerische
       Schwere verleihen: Das Publikum blickt gebannt auf die riesige LED-Bühne;
       ein chinesischer Chor singt John Lennons Friedenshymne „Imagine“; junge
       Teilnehmende lächeln in die Kamera. Alles wirkt glatt produziert, emotional
       aufgeladen.
       
       „Wir? Das sind Mitglieder der Linksjugend Solid, der Linken und
       Stipendiat:innen der Rosa-Luxemburg-Stiftung“, heißt es weiter. Eine
       zweite Bundessprecherin der Jugendorganisation, gekleidet in ein knallrotes
       Sakko mit [3][einer Friedenstaube] [4][]als Ansteckpin, appelliert unter
       feierlicher Musik an „Frieden“ und „Dialog“. Entscheidend seien „geteilte,
       universelle Werte von Menschenrechten, Naturschutz und Gerechtigkeit“. Ein
       Clip, der ebenso gut aus dem PR-Büro des chinesischen Außenministeriums
       stammen könnte.
       
       Wer steckt hinter dieser Konferenz? Woher kommt diese unkritische Haltung
       der Linksjugend Solid gegenüber China?
       
       So unschuldig, wie es im Tiktok-Video wirkt, ist die Veranstaltung nämlich
       nicht. Die „World Youth Conference for Peace“, die Ende Juli, das erste Mal
       stattfand und an der laut staatlichen Medienberichten über 3.000 Menschen
       teilnahmen, ist kein harmloses Jugendtreffen.
       
       ## Kritik verdrängen
       
       Es ist ein Prestigeprojekt des Parteiapparats. Veranstaltet wurde die
       Konferenz von der Peking-Universität, die, wie alle chinesischen
       Hochschulen, unter politischer Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas
       (KP) steht, sowie von der All-China Youth Federation und der Chinese
       People’s Association for Friendship with Foreign Countries. Beide
       Organisationen klingen nach Zivilgesellschaft, sind tatsächlich aber tief
       im Machtapparat verankert.
       
       Die All-China Youth Federation ist ein Dachverband chinesischer
       Jugendorganisationen und faktisch ein Organ der kommunistischen Jugendliga,
       das der KP unterstellt ist und ideologisch in ihrem Sinn agiert.
       
       Der zweite Organisator gehört laut internationalen
       Sicherheitsexpert:innen zum United Front-Netzwerk der Partei, einem
       Geflecht aus Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen im In- und
       Ausland, das gezielt Kontakte zu „Freunden Chinas“ knüpfen soll, die bereit
       sind, Pekings Interessen zu fördern.
       
       Laut Mercator Institute for China Studies verfolgt Peking immer offensiver
       das Ziel, die öffentliche Meinung im Ausland im Sinne der Partei zu
       steuern. Ausländische Stimmen sollen gezielt über Tiktok oder Youtube
       jüngere Zielgruppen ansprechen. Damit will das Regime Kritik an
       Menschenrechtsverletzungen verdrängen.
       
       ## Mit Nachsicht begegnet
       
       Wie stark die Parallelen zwischen dem Tiktok-Video der Linksjugend Solid
       und den Narrativen des Regimes sind, zeigt sich auch an Xi Jinpings
       persönlicher Grußbotschaft an die Jugendkonferenz. Er eröffnete seine
       Nachricht mit dem 80. Jahrestag, an dem das „chinesische Volk“ gemeinsam
       mit der Welt den Faschismus besiegt habe. Ein historischer Bezug, der,
       ähnlich wie im Tiktok-Video, als narrativer Ausgangspunkt für die Konferenz
       dient und Chinas Rolle als friedensstiftenden Gastgeber hervorheben soll.
       
       Eine Anfrage der taz, wie die Linksjugend Solid vor diesem Hintergrund ihre
       Teilnahme an der Regime-Konferenz bewertet und ob es sich um eine
       gesponserte Reise handelte, blieb unbeantwortet.
       
       Auch im öffentlichen Diskurs ist zu beobachten, dass die Linke Peking immer
       wieder mit Nachsicht begegnet. Das hat auch ideologische Gründe: Wer sich
       sozialistisch nennt und gezielt ein Image als „Fürsprecher des Globalen
       Südens“, „Befreier von kolonialer Bevormundung“ und antiwestliche
       Friedensmacht kultiviert, so wie Peking seit Jahren, erscheint manchen
       automatisch als bessere Alternative zu den USA.
       
       Die Parteispitze wirbt immer wieder für eine Annäherung an Peking etwa,
       indem China als ehrlicher Friedensvermittler im Ukrainekrieg ins Spiel
       gebracht wird, während es Putins Kriegsmaschinerie stützt. Nicht
       verwunderlich, dass auch große Teile des linken Nachwuchses die Nähe zu
       China suchen.
       
       Institutionell ist diese Nähe auch über die parteinahe
       Rosa-Luxemburg-Stiftung verankert. Ihr Büro in Peking gibt auf seiner
       Website an, mit Organisationen des chinesischen Regimes zu kooperieren.
       
       Wer die Narrative der KP übernimmt und mit ihr kooperiert, muss sich die
       Frage gefallen lassen, was ein „hoch lebe die internationale Solidarität“
       noch wert ist, wenn diese dort endet, wo Chinas Herrschaft beginnt.
       
       Die systematischen Menschenrechtsverbrechen der KP sind gut dokumentiert.
       Naivität kann keine Ausrede sein: Im Inneren hat das Regime eine
       technologische Überwachungsdystopie errichtet, mit der die Bevölkerung
       lückenlos kontrolliert werden soll.
       
       Menschenrechtsorganisationen legten Zwangsarbeit, Internierung und Folter
       von Uigur:innen und anderen muslimischen Minderheiten in staatlich
       betriebenen Lagersystemen offen.
       
       ## Zwangsassimiliert
       
       Tibetische Kinder werden in Internaten zwangsassimiliert, um die tibetische
       Kultur und Sprache auszulöschen. Auch die militärischen Aggressionen der KP
       sind bekannt. Staatsmedien zelebrieren modernste Kriegswaffen, das Militär
       probt in großangelegten Manövern die Invasion Taiwans. In martialischer
       Rhetorik droht das Regime der demokratisch regierten Insel immer
       unverhohlener mit Unterwerfung – koste es, was es wolle.
       
       In Hongkong schreitet die Entrechtung seit Jahren voran. Aktivist:innen,
       die nach der Zerschlagung der Demokratiebewegung 2019 ins Exil geflohen
       sind, warnen vor Pekings verlängertem Arm.
       
       Auch im Ausland sind Diaspora-Communitys und chinesische
       Dissident:innen nicht sicher. Organisationen wie Reporters Without
       Borders dokumentieren immer wieder Fälle sogenannter transnationaler
       Repression, bei denen chinesische Geheimdienste Exiljournalist:innen
       ausspähen. Betroffene berichten von Drohungen – auch gegen ihre im
       Heimatland verbliebenen Angehörigen.
       
       All das zeigt, wie sehr Pekings Selbstinszenierung und politische Praxis
       auseinanderklaffen. Doch wenn das Regime rot lackiert ist, gehen manche
       bereitwillig Kompromisse ein und kooperieren mit einem autoritären System,
       das mit „Frieden“ und „Menschenrechten“ nur wenig zu tun hat.
       
       4 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ex-Gruene-bauen-Junge-Linke-auf/!6091004
   DIR [2] /Ende-der-Sanlitun-Bar-Street-in-Peking/!5909527
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       ## AUTOREN
       
   DIR Vivien Chang
       
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