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       # taz.de -- Abschiebungen nach Afghanistan: Aus den Augen, aus dem Sinn
       
       > Unter den jüngst nach Afghanistan abgeschobenen 81 Personen befanden sich
       > auch vier aus Berlin. Deren weiteres Schicksal interessiert den Senat
       > wenig.
       
   IMG Bild: „Nicht zuständig“: Abschiebeflug nach Kabul auf dem Flughafen Leipzig am 18. Juli
       
       Berlin taz | Die Berliner Innenverwaltung äußert sich erstmals zu dem
       [1][umstrittenen Abschiebeflug nach Afghanistan vor gut einem Monat]. Unter
       den am 18. Juli von Leipzig aus abgeschobenen 81 Männern aus ganz
       Deutschland befanden sich demnach auch vier aus Berlin.
       
       Gegen alle vier lagen „rechtskräftige Verurteilungen zu mehrjährigen
       Freiheitsstrafen“ vor, sie saßen bereits seit längerem in Haft, heißt es in
       einer noch unveröffentlichten Antwort des Senats auf eine parlamentarische
       Anfrage der Grünen-Fraktion, die der taz vorliegt.
       
       Die Sammelabschiebung in das von den Taliban beherrschte Afghanistan – die
       zweite seit der Machtübernahme der Ultraislamisten 2021 – [2][hatte für
       scharfe Kritik gesorgt]. Menschenrechtsorganisationen warnten vor
       außergerichtlichen Hinrichtungen und Folter, die vor Ort an der
       Tagesordnung seien. Niemand verdiene das, „auch nicht Straftäter“, erklärte
       etwa Amnesty International.
       
       Bei SPD-Innensenatorin Iris Spranger will man davon nichts wissen. Für die
       vier Personen aus Berlin sei – wie in allen anderen Fällen – die
       „Zumutbarkeit der Rückkehr“ festgestellt worden, teilt die Innenverwaltung
       in ihrer Antwort unter Berufung auf das Bundesamt für Migration und
       Flüchtlinge (BAMF) mit.
       
       ## Lapidare Antworten der Innenverwaltung
       
       Zur Begründung der Zumutbarkeit verabschiedet sich Sprangers Haus dann ins
       völlig Lapidare, wenn es schreibt: „Das BAMF bewertet die
       Menschenrechtslage in Afghanistan aufgrund vielfältiger Erkenntnisse.“
       Näheres dazu, welche Erkenntnisse das sind, sucht man in der Antwort
       vergebens.
       
       Aus den Augen, aus dem Sinn: Dieses Prinzip gilt auch für die Frage,
       [3][was mit den Abgeschobenen vor Ort passiert]. Wo sich die Personen
       aufhalten, wisse man nicht. Und überhaupt: „Für eine Verfolgung des
       weiteren Lebensweges der Personen im Herkunftsland gibt es keine
       Rechtsgrundlage. Der Senat ist weder zuständig noch verpflichtet,
       entsprechende Informationen zu erheben.“
       
       Für die Grünen-Fraktion sind die Antworten in höchstem Maße unbefriedigend.
       Zumal der Senat so tut, als sei die Abschiebung reine Bundessache. Dabei
       ist das Land Berlin über sein Landesamt für Einwanderung (LEA) und die hier
       vorgenommene Auswahl der abzuschiebenden Personen sehr wohl in die
       entsprechenden Maßnahmen involviert.
       
       Jian Omar, der migrationspolitische Sprecher der Fraktion, hat dann auch
       viele offene Fragen. „Rückführungen kommen nur in eng begrenzten
       Ausnahmefällen und nach sorgfältiger Einzelfallprüfung in Betracht“, sagt
       Omar zur taz. Ob es diese genaue Prüfung seitens des LEA überhaupt gegeben
       hat – unklar.
       
       Vom schwarz-roten Senat, sagt Grünen-Politiker Omar, erwarte er deshalb
       „die Offenlegung der Entscheidungsgrundlagen, nachvollziehbare
       Risikoanalysen für den Zielstaat sowie vollständige Akteneinsicht“.
       
       ## Sprangers harte Linie
       
       Innensenatorin Spranger gilt mit Blick auf Abschiebungen nach Afghanistan
       als Verfechterin einer harten Linie. Schon nach der Ermordung eines
       Polizisten in Mannheim durch einen aus Afghanistan stammenden Mann im Juni
       2024 hatte die SPD-Politikerin erklärt: „Wer eine Gefahr für die
       öffentliche Sicherheit darstellt, hat sein Bleiberecht verwirkt.“
       
       Ob das Zielland ein sicheres Herkunftsland sei oder nicht, spiele keine
       Rolle, sofern die Sicherheit in Deutschland überwiege, so Spranger vor
       einem Jahr weiter. Mehr noch: [4][Im Abgeordnetenhaus bezeichnete sie
       Afghanistan sogar als „sicheres Land“.] Zwei Monate später hob der erste
       Abschiebeflug nach Kabul mit 28 Afghanen ab, darunter zwei Berlinern.
       
       Im aktuellen Fall wurden die vier Abgeschobenen aus Berlin nach Auskunft
       der Innenverwaltung zu Freiheitsstrafen „zwischen mehr als drei und bis zu
       elf Jahren“ verurteilt, in erster Linie wegen „Straftaten gegen das Leben
       und die körperliche Unversehrtheit“. Ersteres umfasst Mord und Totschlag,
       letzteres Körperverletzungen und Misshandlungen.
       
       Abgesehen davon, dass sich der Senat trotz konkreter Nachfrage nicht mal
       die Mühe mache, Straftaten und Haftdauer genauer aufzuschlüsseln: Es bleibe
       „eine Schande, dass sich Berlin auch am zweiten Afghanistan-Abschiebeflug
       nach der Machtergreifung der Taliban beteiligt hat“, kritisiert der
       Innenexperte der Grünen-Fraktion, Vasili Franco.
       
       Es gehe an dem Punkt auch und vor allem um die generelle Haltung. Franco
       sagt zur taz: „Wer nach Afghanistan abschiebt, legitimiert und hofiert die
       Taliban.“
       
       22 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Rutz
       
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