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       # taz.de -- Deutsche Autoindustrie: Konkurrenz und Klimavorgaben
       
       > Die deutsche Autoindustrie präsentiert bei der IAA unter Druck ihre
       > neuesten Modelle. Die Grünen tun sich derweil schwer mit dem
       > Verbrenner-Aus.
       
   IMG Bild: Das Modell Mercedes-Benz Concept AMG GT XX auf der IAA in München, Deutschland, am 8. 9. 2025
       
       Berlin taz | Die Autobranche steht in den Startlöchern für die IAA in
       München, Europas größte Automobilausstellung. Hier feiern sich die
       deutschen Autobauer traditionell selbst, zelebrieren mit einer Prise
       Standortnationalismus den deutschen Erfindergeist und das Ansehen deutscher
       Marken auf dem Weltmarkt, das ihnen lange zuverlässig Gewinne beschert hat.
       Der Verband der Automobilindustrie (VDA), Lobbyvertretung der deutschen
       Hersteller und Ausrichter der IAA, heißt Marken aus anderen Staaten
       willkommen und lobt sich für die internationale Kooperation.
       
       Dabei macht die ausländische Konkurrenz der deutschen Autoindustrie auf dem
       Weltmarkt mächtig Druck. Die hiesigen Autobauer klagen über niedrige
       Absatz- und Gewinnzahlen, wettern gegen die europäischen Klimavorgaben und
       drohen sich damit immer weiter in die Krise hineinzumanövrieren. Und die
       politischen Reaktionen darauf werden immer erstaunlicher.
       
       Katharina Dröge, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, zeigte sich im
       Gespräch mit der ARD am Sonntagabend zunächst offen dafür, das
       Verbrenner-Aus ein wenig zu verschieben. Ihr Parteikollege Cem Özdemir,
       Grünen-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg, habe recht,
       wenn er sage, dass es auf ein Jahr früher oder später nicht ankomme. Am
       Montag jedoch stellte Dröge klar, dass sie an dem geplanten Datum 2035
       festhält: Eine Diskussion über eine Aufweichung sei „ein großer Fehler“,
       sie schaffe Unsicherheit und gefährde sowohl Klimaschutz als auch
       Arbeitsplätze.
       
       Aus der SPD-Bundestagsfraktion kam zunächst Protest: Parlamentarischer
       Geschäftsführer Dirk Wiese warnte vor neuen Debatten über das
       Verbrenner-Datum. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf betonte dagegen, man
       sei nicht dogmatisch – entscheidend seien [1][sowohl Klimaziele als auch
       Arbeitsplätze].
       
       ## Langsam elektromobil
       
       Die Lage ist kompliziert. Einerseits kommen die deutschen Autobauer auf dem
       Inlandsmarkt immer noch gut an, Volkswagen etwa baute seine
       Marktführerschaft zuletzt sogar deutlich aus. Andererseits haben die Marken
       aus dem Volkswagenkonzern, von Mercedes-Benz und BMW sowie die
       Stellantis-Tochter Opel Mühe, ihre Position auf dem Weltmarkt zu behaupten.
       Die Umstellung auf Elektromobilität wurde zu spät ins Rollen gebracht.
       
       Chinesische Autobauer sind bei E-Autos und Hybridfahrzeugen besser
       aufgestellt. [2][Auf dem Markt in China selbst], der besonders VW lange
       Erfolg versprach, wurden die deutschen Marken überholt – zum Beispiel vom
       chinesischen E-Autobauer BYD. Außerdem hat die europäische Autoindustrie
       mit den Zöllen zu kämpfen, die US-Präsident Donald Trump für Autos
       kurzerhand von 2,5 auf 27,5 Prozent erhöhte.
       
       BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen, zu dem unter anderem die Marken Cupra,
       Škoda, Audi und Porsche gehören – sie alle machen noch immer Gewinne.
       Allerdings weniger als in den letzten Jahren, und das wollen die
       Konzernvorstände mit Sparprogrammen wettmachen. VW will allein in
       Deutschland bis 2030 fast ein Viertel aller Stellen streichen. Andere
       Akteure der Autobranche straucheln ebenfalls: Vergangene Woche gab der
       Zulieferer AE Group Werkschließungen bekannt. ZF Friedrichshafen hat seit
       Anfang 2024 weltweit 11.200 [3][Vollzeitjobs abgebaut, der Sparkurs soll
       noch weiter verschärft werden].
       
       ## Ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr
       
       Der Verkehrswendeverband Transport & Environment (T&E) versucht hingegen,
       ein anderes Licht auf die Autobranche zu werfen. „In der Realität sehen wir
       einen schnellen Anstieg der E-Auto-Verkäufe und Ladepunkte in ganz Europa“,
       sagte Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E am Montag. „Einige Hersteller
       reden die Erfolge der letzten Jahre mit Absicht schlecht, weil sie die
       Flottengrenzwerte schwächen wollen.“
       
       Die europäischen Klimavorgaben für die Autoindustrie gelten seit 2023 und
       besagen: Ab 2035 dürfen in der EU keine neuen Autos mehr auf den Markt
       kommen, die mit fossilem Diesel oder Benzin betrieben werden. Bis 2035
       müssen Hersteller schrittweise die von der EU festgelegten
       Flottengrenzwerte einhalten – Obergrenzen für den durchschnittlichen
       CO2-Ausstoß der Fahrzeuge eines jeden Autobauers, die in der EU neu
       zugelassen werden. So sollen die CO2-Emissionen im Straßenverkehr sinken,
       die das Klima und die menschliche Gesundheit gefährden.
       
       ## Europäische Hersteller auf Kurs
       
       Laut T&E werde nur Mercedes-Benz die Flottengrenzwerte voraussichtlich
       verfehlen. Alle anderen Autohersteller aus der Europäischen Union seien auf
       Kurs. Allerdings drohe sich das zu ändern, wenn die EU dem Druck der
       Autoindustrie nachgibt und die Emissionsziele weiter aufweicht. Erst in
       diesem Jahr hatten die Autobauer Zugeständnisse bekommen. Sie haben nun
       zwei Jahre mehr Zeit, die ursprünglich für 2025 geltenden Grenzwerte
       einzuhalten. „Verwässern wir die vereinbarten Ziele weiter, könnten noch
       mehr europäische Hersteller Mercedes folgen und bei der Elektrifizierung
       ins Hintertreffen geraten“, warnt Bock.
       
       Mercedes-Chef Ola Källenius ist aktuell an der Spitze des europäischen
       Autoverbands Acea und einer derjenigen, die am lautesten über das
       Verbrennerverbot schimpfen. Offenbar nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch
       in Baden-Württemberg, wo Özdemir 2026 kandidiert – und wo Mercedes-Benz
       seinen Hauptsitz hat.
       
       Auch bei der IAA zeigt sich die Komplexität der Lage: Viele Hersteller
       bewerben fleißig ihre E-Autos. Ausrichter VDA aber macht immer wieder klar,
       dass er das Verbrenner-Aus allzu gerne kippen würde.
       
       9 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Nanja Boenisch
       
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