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       # taz.de -- Schwimmen ohne Ausweis: Im Prinzenbad allein
       
       > Unser Autor wollte einmal ohne Verletzungsgefahr Sport treiben. Doch
       > zunächst muss er da an den Türstehern vorbei.
       
   IMG Bild: Die Schlange zum Paradies: Andrang im Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg
       
       Alle, die ich kenne und die in Kreuzberg wohnen, lieben das
       [1][Prinzenbad]. Ich liebe es auch. Das liegt nicht nur an der verrotteten
       Kreuzberg-Romantik, die der Ort ausstrahlt. Es ist auch der faulste Ort, an
       den man sich an einem heißen Tag flüchten kann. Man schwimmt ein paar
       Bahnen und fühlt sich sportlich, während man den Müll auf dem Boden der
       Sportbahn betrachtet, ohne sich zu ekeln. Dann steigt man aus, raucht eine,
       liest ein paar Seiten und wartet, bis man trocken ist.
       
       [2][Schwimmen] ist gelenkschonend und weitgehend kontaktfrei. Angeblich
       liegt die Rate bei etwa 3 Verletzungen pro 10.000 Stunden. Selbst ich hätte
       es kaum geschafft, mich zu verletzen.
       
       Obwohl ich mit Freund:innen prätentiös [3][Rilkes „Herbsttag“] zitiere,
       war dieser Sommer alles andere als „sehr groß“. Kaum Gelegenheit, ins
       [4][Prinzenbad] zu gehen. Also beschließe ich, an einem Sonntagmorgen im
       August früh loszugehen. Gegen neun Uhr stehen nur ein paar Leute am
       Eingang. Ich laufe mit gesenktem Kopf, höre Musik, bis plötzlich ein
       riesiger Schatten die Sonne verdeckt.
       
       Es ist ein Türsteher. Natürlich hatte ich vergessen, dass sie seit ein paar
       Jahren am Eingang Ausweise kontrollieren. Ich habe mein Portemonnaie nicht
       dabei, weil ich diese kleinen Spinde hasse, in die man seine Sachen legt.
       Zum Glück habe ich meinen Presseausweis im Rucksack. Der Türsteher wird
       wütend: „Das ist ein Presseausweis. Ich kenne die! Die sind für
       Veranstaltungen. So was kann jeder fälschen!“
       
       Ich schätze, er hat mit allem, was er sagt, recht. Aber das erklärt nicht,
       warum ich an einem Sonntagmorgen mit einem gefälschten Presseausweis ins
       Freibad gehen sollte. Ich versuche, ihm ein Foto meines Passes auf dem
       Handy zu zeigen. Er lehnt ab.
       
       ## Der zweite Anlauf
       
       Irgendwann ziehe ich ab und fluche auf Türkisch wie [5][Mesut Özil]. Der
       Sommer ist vorbei und ich war nicht ein einziges Mal dort. Ich gehe da nie
       wieder hin! Das war’s mit dem Prinzenbad! Ich werde nie wieder die Menschen
       betrachten, die sich auf den roten Pflastersteinen recken. Ich werde nicht
       mehr an denen vorbeigehen, die extra früh kommen, um sich einen Platz auf
       den türkisfarbenen und unzerstörbaren Sitzen zu sichern. Und Lebewohl
       meinem Lieblingsplatz, dem Stück Wiese hinter den Toiletten, so weit
       draußen wie möglich. Dort war weniger los und die vorbeifahrende U-Bahn
       erinnerte mich daran, dass ich in fünf Minuten zu Hause sein könnte.
       
       Als ich am [6][Kottbusser Tor] vorbeikomme, werden die dramatischen
       Gedanken allmählich weniger. Soll ich einfach meinen Ausweis holen? Aber
       bis ich zurück bin, gibt es vielleicht eine lange Schlange. Hinzu kommen
       die Kratzer von den Zehennägeln sportlich-aggressiver Mitschwimmer, die
       mich ständig überholen, während ich mit meinen Raucherlungen nach Luft
       schnappe. Genau die Erfahrung, bei der man sich Corona zurückwünscht.
       
       Ich komme zu Hause an. Was bleibt mir also? Ein Bad im Prinzenbad oder mein
       beleidigter Stolz? Ich fahre zurück. Ich gebe den Ausweis etwas
       passiv-aggressiv ab. Niemand achtet darauf. Jetzt bin ich im Prinzenbad.
       Ich gehe an der Bude und an den riesigen Schachfiguren vorbei, die in ein
       paar Stunden von unbeaufsichtigten Kindern durch die Gegend geworfen
       werden. Dann gehe ich an den Toiletten vorbei. Ich suche mir einen sonnigen
       Platz und genieße den ersten wirklich schönen Sommertag. Er ist tatsächlich
       sehr groß.
       
       Dort denke ich mir eine Statistik aus: Je besser verfügbar die Orte für
       eine Sportart sind, desto häufiger passieren Verletzungen. Es gibt an jeder
       Ecke [7][Freiplätze: Basketball] ist eine risikoreiche Sportart, genauso
       wie Fußball. Im Vergleich dazu gibt es in der Stadt weniger Tennisplätze,
       was Tennis relativ sicherer macht. Tischtennis ist eine Ausnahme in dieser
       nicht ganz ausgereiften Statistik. Sommerbäder hingegen gibt es meist nur
       eines pro Bezirk in Berlin. Und selbst wenn man eines erreicht, ist es
       schwierig, überhaupt Zugang zu bekommen.
       
       15 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://blogs.taz.de/prinzenbad/
   DIR [2] /Schwimmen/!t5021078
   DIR [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Herbsttag
   DIR [4] /Prinzenbad/!t5566577
   DIR [5] /Mesut-Oezil/!t5038556
   DIR [6] /Kottbusser-Tor/!t5298177
   DIR [7] /Streetball-Plaetze-im-Harnisch-Test/!1223783/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ali Çelikkan
       
       ## TAGS
       
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