# taz.de -- Abtreibung und reproduktive Rechte: Hürden auf dem Weg zum Abbruch
> Um eine Schwangerschaft zu beenden müssen Frauen in Berlin und
> Brandenburg viele Hindernisse überwinden. Eine Studie spricht von
> struktureller Gewalt.
IMG Bild: Feminist*innen protestieren gegen eine Demonstration von Abtreibungsgegner*innen in Berlin
Berlin taz | Neun Punkte hat die To-do-Liste für eine Abtreibung, von der
ersten Info bis zum tatsächlichen Termin bei einer Ärztin. Davon
jedenfalls gehen Wissenschaftlerinnen der Charité aus. Sie wollten in einer
Studie nachvollziehen, auf welche Hürden Frauen stoßen, die ihre
Schwangerschaft abbrechen wollen. Dafür haben sie Beraterinnen in Berlin
und Brandenburg befragt. Ihr Fazit: Auf dem Weg zu einem
Schwangerschaftsabbruch stoßen Frauen auf staatlich verursachte Barrieren,
die sie davon abhalten, grundlegende reproduktive Gesundheitsleistungen in
Anspruch zu nehmen. Die Studienmacherinnen werten dies als eine Form
struktureller Gewalt.
Schwangere Frauen würden in einer entscheidenden, kritischen Situation im
Stich gelassen. 60 Prozent der Betroffenen stießen auf organisatorische,
administrative und logistische Hürden, heißt es in der Studie, die [1][in
der Zeitschrift „Sexual and Reproductive Health Matters“ erschienen] ist.
Darunter fällt laut Studie etwa die [2][verpflichtende Beratung an sich].
Beraterinnen aus Berlin und aus Brandenburg berichten, dass die
allermeisten Frauen bereits vor der Beratung eine Entscheidung getroffen
haben. Sie kommen nur, um die erforderliche Bestätigung zu bekommen, dass
sie sich beraten lassen haben. Ansonsten bräuchten viele Frauen eigentlich
viel dringender eine Beratung, was sie alles erfüllen müssen und wie sie
das am besten bewerkstelligen.
In Brandenburg müssen [3][Frauen oft weite Strecken zurücklegen] für die
Beratung, aber auch für die medizinischen Untersuchungen und für den
Abbruch selbst. Frauen sähen sich teils gezwungen, dafür auf Berlin
auszuweichen. Dabei seien sie wiederum dem guten Willen der dortigen
Ärzt*innen ausgeliefert, die eigentlich nicht zuständig seien. In Berlin
wiederum seien kurzfristige Termine teilweise nicht möglich. Da ein Abbruch
nur in den ersten 12 Wochen straffrei bleibt und Frauen außerdem zu drei
Tagen Wartezeit zwischen Pflichtberatung und Abbruch-Termin verdonnert
sind, kann sie das in Zeitnot bringen.
Nach der Pflichtberatung ist es ohnehin häufig schwer, eine Praxis zu
finden und einen Termin zu bekommen. Gerade in Brandenburg hat die Zahl der
Kliniken und Praxen, die Abtreibungen durchführen, abgenommen. Beim Abbruch
selbst haben Frauen selten die Wahl zwischen einer Ausschabung mit Narkose
und einer medikamentösen Abtreibung. Auch müssen sie die Kosten zwischen
350 und 600 Euro meist erst mal selbst tragen, Erstattungen seien häufig
mit Problemen verbunden.
## Schwangeschaftsabbrüche endlich legalisieren
Die Studienmacher*innen plädieren deshalb dafür,
[4][Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland zu legalisieren]. Erst das sei
die Grundlage, um wirklich eine gerechte und sichere Gesundheitsversorgung
wie von der WHO gefordert zu gewährleisten. „Viele Frauen können das
Gesundheitssystem nicht ohne Weiteres navigieren. Das macht den Abbruch
noch schwerer, der dazu noch kriminalisiert ist und nur unter bestimmten
Bedingungen straffrei bleibt“, sagt Mitautorin Stefanie Theuring. Sie
betont, dass insbesondere sprachlich, sozial und finanziell marginalisierte
Frauen zusätzlich unter den Hürden leiden.
Tatsächlich war die Studie aus Forschung zu Zugängen zur
Gesundheitsversorgung für Migrant*innen hervorgegangen. Dabei hatte sich
herausgestellt, dass bei Abtreibungen die Hürden alle Frauen betreffen.
Daher haben Theuring und ihre Kolleg*innen [5][vom Institut für
Internationale Gesundheit] die Studie ausgekoppelt. Inwieweit die
Ergebnisse auch für andere Bundesländer gelten, lasse sich ohne
weitergehende Forschung nicht bewerten, sagt Theuring. Die Auflagen seien
in den Ländern teils unterschiedlich. Bundesweite Studien wiesen darauf
hin, dass ihre Erkenntnisse möglicherweise übertragbar seien.
In einer [6][Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Zyklisch gedacht:
Reproduktion, Gesundheit, Gesellschaft“] sprechen Wissenschaftlerinnen der
Charité mit Vertreterinnen aus der Politik über Schwangerschaftsabbrüche,
Endometriose und Menopause. Für den ersten Teil am Dienstag, 9. September,
um 18 Uhr zum Thema „Schwangerschaftsabbruch: Eine Bestandsaufnahme“ ist
eine Teilnahme online noch möglich. Dort ist auch die
Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) für eine Podiumsdiskussion
angekündigt.
9 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.tandfonline.com/doi/epdf/10.1080/26410397.2025.2534266
DIR [2] /Schwangerschaftskonfliktberatung/!5487492
DIR [3] /Juristin-ueber-Schwangerschaftsabbrueche/!6081055
DIR [4] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
DIR [5] https://internationale-gesundheit.charite.de/metas/person/person/address_detail/pd_dr_stefanie_theuring
DIR [6] https://frauenbeauftragte.charite.de/metas/veranstaltung/veranstaltung/details/schwangerschaftsabbruch_eine_bestandsaufnahme
## AUTOREN
DIR Uta Schleiermacher
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