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       # taz.de -- Neue Anzeigen für Berliner Radverkehr: Falsche Prioritäten in der Bedürfnispyramide
       
       > Viele Berliner Fahrradwege sind nicht ausreichend gesichert. Statt sie
       > auszubauen, konzentriert sich die Verkehrsverwaltung aber lieber auf
       > einen entspannten Flow.
       
   IMG Bild: Rot-Grün-Rot: Die Anzeige soll die Anfahrt zur Ampel entspannter machen
       
       Auf die Frage „Lieber Sicherheit oder Komfort?“ antworten vermutlich viele
       mit „Sicherheit“. Die meisten Menschen sorgen sich erst um ihren
       körperlichen und seelischen Schutz, bevor Erträgliches noch etwas
       annehmlicher werden soll. Der Sozialpsychologe Abraham Maslow entwickelte
       bereits in den 1940er Jahren eine bis heute bekannte Bedürfnispyramide:
       Erst braucht es die Erfüllung der Grundbedürfnisse wie Essen und Schlaf,
       dann Sicherheits- und soziale Bedürfnisse, bis so etwas wie
       Selbstverwirklichung an der Reihe ist.
       
       Womit die Berliner Verkehrsverwaltung in dieser Woche punkten wollte, lässt
       sich in Sachen Bedürfnishierarchie eher auf der Ebene der
       Individualbedürfnisse einordnen, jene nach Erfolg, Unabhängigkeit oder
       Freiheit. Die Verwaltung will nämlich für Radfahrer:innen die Anfahrt
       an die Ampel entspannter machen. „Velo Flow“ lautet der vielversprechende
       Name des Pilotprojekts.
       
       In der Kreuzbergstraße, rund hundert Meter vor der Kreuzung
       Großbeerenstraße, hängt dafür seit Dienstag [1][eine erste Anzeige an einem
       Laternenpfahl]. Sie sagt voraus, ob die nächste Ampel bei Rot oder Grün
       erreicht wird – vorausgesetzt man fährt mit einer Geschwindigkeit von etwa
       20 Kilometern pro Stunde.
       
       Rot und grün zieht es langsam über den kleinen Bildschirm, darauf ein
       Fahrrad. Beim Selbsttest wurde das unscheinbare Ding anfänglich zwar
       übersehen und beim zweiten Mal musste sich erst auf die Umfahrung der auf
       dem Fahrradstreifen geparkten Müllabfuhr konzentriert werden, sind diese
       Hürden aber bewältigt und hat man intuitiv perfekt auf 20 km/h
       beschleunigt, darf ganz entspannt auf die rote Ampel zugefahren werden. Vor
       23 ausgewählten Kreuzungen soll zukünftig eine solche Anzeige geben. 3.000
       Euro kostet das Stück, nicht eingerechnet sind die Kosten für die
       Erschließung und die Digitalisierung der Ampelanlage.
       
       ## Was ist mit Sicherheit?
       
       Wie es um das viel grundlegendere Bedürfnis nach Sicherheit bestellt ist,
       veranschaulicht hingegen der [2][aktuelle Haushaltsentwurf] von
       Schwarz-Rot. Statt mehr Geld für sichere Radwege [3][folgen drastische
       Kürzungen]. So soll es für „Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs“ in
       den Jahren 2026 und 2027 nur noch 2,5 Millionen Euro jährlich geben. 2025
       waren es noch 6 Millionen.
       
       Die Kürzungen zeigen, dass die Sicherheit der Bürger:innen, die auf dem
       Rad unterwegs sind, für den Senat keine Rolle spielen. Und so müssen selbst
       gestandene Stadtfahrradfahrer:innen angesichts der kontinuierlichen
       Gefährdungen auf Berlins Straßen weiter weiche Knie haben. Digitale
       Anzeigen fürs entspanntere Fahrradfahren muten da nur als Spott an. Und
       wenn Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) im Tagesspiegel dann noch zum
       Schulbeginn empfiehlt, Zehnjährige auf dem Radweg sollen „einfach ganz,
       ganz vorsichtig sein“, ist das kein Trost.
       
       9 Sep 2025
       
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