# taz.de -- Sexualforscher wird 200 Jahre alt: Karl Heinrich Ulrichs kämpfte für die Homo-Liebe
> Der Mann aus dem ostfriesischen Aurich war seiner Zeit voraus. Trotz
> staatlicher Unterdrückung forderte er schon im 19. Jahrhundert die Ehe
> für alle.
IMG Bild: Postitulierte, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt: Karl Heinrich Ulrichs
Hamburg taz | Er gilt als Vordenker der Bewegung zur Gleichstellung von
Homosexuellen und genderqueeren Personen. Bereits Mitte des 19.
Jahrhunderts forderte er Straffreiheit für die gleichgeschlechtliche Liebe.
[1][Zwar sind in ganz Deutschland Straßen und Plätze nach ihm benannt] –
trotzdem ist vielen unbewusst, wie wichtig er für die moderne Geschichte
ist. Am 28. August 2025 wäre der in Aurich geborenen Sexualforscher Karl
Heinrich Ulrichs 200 Jahre alt geworden.
Der eigentlich als Jurist und Journalist arbeitende Ulrichs hat sich wie
keine Person vor ihm wissenschaftlich mit der Frage auseinandergesetzt, wie
und ob Männer sich lieben können. [2][Dass es gleichgeschlechtliche Liebe
schon seit dem Anbeginn der Menschheit gibt, ist allgemein bekannt.] Jedoch
wurde jeglicher öffentlicher Diskurs darüber jahrhundertelang unterdrückt.
Seine „Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe“ sind ein
früher Meilenstein in der damals entstehenden Sexualforschung. In der
zwölfteiligen Arbeit beschreibt er den „Uranismus“ (das Wort „homosexuell“
wurde erst später erfunden) als eine vollkommen normale Handlung und nicht
etwa als Krankheit, wie es damals vorherrschende Meinung war.
In der selben Logik unterscheidet er, beeinflusst von Gottheiten aus der
griechischen Mythologie, „Dioninge“ und „Urninge“ – heterosexuelle und
homosexuelle Personen. Für homosexuelle Frauen benutzte er den Begriff
„Urninde“. Er selbst outete sich als Urning und machte auf die Repressalien
aufmerksam, die insbesondere homosexuelle Männer vom preußischen
Staatsapparat, aber auch von der gesamten Gesellschaft, zu spüren bekamen.
Als er in einer Rede vor dem deutschen Juristentag am 29. August 1867 offen
für die Ehe zwischen Männern plädierte, wurde er verhöhnt und vom
Rednerpult verjagt. Er beschrieb den Hass, dem er ausgesetzt war, als eine
„tausendjährige, vieltausendköpfige, wuthblickende Hydra“, welche mit „Gift
und Geifer“ um sich spritze und schon viele in den Selbstmord getrieben
habe.
Unterkriegen ließ er sich dadurch nicht. Auch nicht durch die zunehmende
Beobachtung durch preußische und später reichsdeutsche Autoritäten. Auf
seine Rede, die bis heute als das erste Coming-Out gewürdigt wird, blickt
er selbstbewusst zurück: „Ja, ich bin stolz, dass ich die Kraft fand, der
Hydra der öffentlichen Verachtung einen ersten Lanzenstoß in die Weichen zu
versetzen“, schrieb er.
Ulrichs gilt außerdem als Vordenker der sogenannten Zwischenstufentheorie.
Diese Theorie bricht das binäre Geschlechtermodell auf und besagt, dass es
mehr als nur zwei Geschlechter geben müsse. [3][Sie wurde später durch den
Sexualforscher Magnus Hirschfeld ausgearbeitet und popularisiert.]
Der Historiker Norman Domeier beschreibt Ulrichs als sehr mutige Person.
Immerhin wurden noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts vereinzelt Menschen
wegen homosexuellen Handlungen bei lebendigem Leibe verbrannt. Gleichzeitig
sei er jedoch kein Aktivist gewesen, wie man ihn sich heute vorstellen
würde. [4][Erst seit rund 30 Jahren schenke man seiner Arbeit größere
Aufmerksamkeit, sagt Domeier.] Bisher fehle eine tiefgehende
wissenschaftliche Aufarbeitung von Ulrichs Leben und Wirken.
28 Aug 2025
## LINKS
DIR [1] /Schwul-wird-selbstverstaendlich/!1103533/
DIR [2] https://www.zeit.de/wissen/geschichte/2014-01/geschichte-der-homosexualitaet-schwule-lesben-verfolgung
DIR [3] /Pionier-sexueller-Emanzipation/!5504545
DIR [4] /50-Deutscher-Historikertag/!5032261
## AUTOREN
DIR Krischan Meyer
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