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       # taz.de -- Israel: NGO spricht von möglichen Kriegsverbrechen im Westjordanland
       
       > Zerstörte Autos, entwurzelte Bäume: Die NGO ACRI beschuldigt Generalmajor
       > Avi Bluth der Kriegsverbrechen. Es ist der erste solche Fall seit Beginn
       > des Gazakriegs.
       
   IMG Bild: Das israelische Militär hat in dem Dorf Al-Mughayyir auf der WestBank 3000 Bäume entwurzelt, vorwiegend Olivenbäume
       
       Ramallah taz | Drei Tage lang belagerten die israelischen Streitkräfte das
       palästinensische Dorf Al-Mughayyr im Westjordanland an diesem Wochenende.
       Auslöser war ein mutmaßlicher Terrorangriff, den ein 30-jähriger Bewohner
       des Dorfes auf israelische Hirten in der Nähe des illegalen Außenposten
       Adei Ad am Donnerstagmorgen begangen haben soll.
       
       Jetzt wirft eine israelische Menschenrechtsorganisation, The Association
       for Civil Rights in Israel (ACRI), dem Kommandanten des Zentralkommandos im
       Westjordanland Avi Bluth [1][mögliche Kriegsverbrechen] vor. Es ist das
       erste Mal seit Beginn des Krieges in Gaza, dass eine israelische NGO eine
       solche Anschuldigung gegen ein Mitglied der israelischen Streitkräfte (IDF)
       im Westjordanland erhebt.
       
       Nach Angaben des Militärs hat der palästinensische Mann aus Al-Mughayyr am
       Donnerstag das Feuer auf die Israelis eröffnet, doch niemanden getroffen.
       Bei dem Handgemenge, das darauf folgte, wurde ein 20-jähriger Siedler am
       Kopf leicht verletzt. Dann floh der Angreifer, offenbar in Richtung
       Al-Mughayyr.
       
       ## Palästinenser*innen schikaniert
       
       Das Militär riegelte das Dorf ab, hinderte Bewohner*innen an der Ein-
       und Ausreise und begann mit den Razzien. Dabei sollen
       [2][Palästinenser*innen nach eigenen Angaben schikaniert] und Autos
       zerstört worden sein.
       
       Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Soldat einen Steinbrocken hebt und
       gegen die Windschutzscheibe eines geparkten Wagens wirft. Das Militär
       schreibt dazu, die Streitkräfte handelten im Einklang mit dem Gesetz und
       der Vorfall werde gerade untersucht. Maßnahmen gegen den Soldaten würden
       dann eingeleitet.
       
       Parallel dazu hat das Militär begonnen, Bäume und vor allem Olivenbäume in
       der Nähe des Dorfes zu entwurzeln. Mehr als 3.000 Gewächse sollen dabei
       zerstört worden sein. Das Militär sagte, das sei bei der Suche nach dem
       Angreifer geschehen und um eine lebensbedrohliche Situation vorzubeugen.
       
       Laut Bewohnern des Dorfes war die Aktion hingegen eine Bestrafung der
       gesamten Gemeinschaft, die größtenteils von der Landwirtschaft lebt.
       Olivenbäume sind für palästinensische Bäuer*innen eine wichtige
       Einkommensquelle. Israelische NGOs wie B’tselem stimmen ihnen zu.
       
       ## NGO spricht von kollektiver Bestrafung
       
       Kurz nach dem Angriff sagte Generalmajor Avi Bluth laut Medienberichten:
       Jedes Dorf und jeder Feind müssten wissen, wenn sie einen Angriff
       durchführen, dass sie einen hohen Preis zahlen werden. Sie würden eine
       Ausgangssperre erleben, sie würden eine Belagerung erleben und sie würden
       „Gestaltungsoperationen“ erleben – damit sind wohl Operationen gemeint, die
       das Gebiet verändern und für militärische Zwecke nutzbar machen sollen. Das
       Ziel sei, alle abzuschrecken – nicht nur dieses eine Dorf.
       
       Noa Sattath, Geschäftsführerin von ACRI, sagt: „Die Aussagen des Generals
       waren so klar – und so klar illegal“. Die Vermutung liegt nahe, dass es
       sich bei der Operation auf den Feldern neben dem Dorf um eine
       [3][kollektive Bestrafung] handelt. Diese ist unter der Genfer Konvention
       verboten und stellt eine Verletzung des humanitären Völkerrechts dar. Der
       Verein hat deshalb eine Beschwerde beim Militäranwalt eingelegt und eine
       Untersuchung wegen möglichen Kriegsverbrechen gefordert.
       
       Nach Angaben des Vereins hat eine Art Gesetzlosigkeit im Westjordanland
       monatelang alltägliche Kriegsverbrechen erlaubt. Jetzt prahle das Militär
       auch noch „öffentlich damit“. Die NGO wirft dem Militär vor, eine ähnliche
       Doktrin wie in Gaza anzuwenden – nämlich, dass es auch im Westjordanland
       keine Unschuldigen gebe.
       
       ## Streitkräfte verurteilen die Vorwürfe
       
       Die IDF hatten bereits erklärt, das Militär habe nur Operationen
       durchgeführt, die für Antiterroroperationen und die Sicherheit in der
       Region notwendig waren, im Einklang mit dem Gesetz. Man habe versucht, den
       Schaden für die Bevölkerung und die zivile Infrastruktur so weit wie
       möglich zu minimieren.
       
       Die Streitkräfte verurteilten die „unangebrachten Aussagen“ gegen den
       Kommandanten des Zentralkommandos. Dieser handele auf Grundlage von
       operationalen Bedenken und nach Gesetz, um die Sicherheit der Staatsbürger
       Israels zu gewährleisten. Anderslautende Aussagen seien komplett
       unbegründet.
       
       Gurgen Petrossian, Forscher für internationales Strafrecht an der
       Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, sagte der taz, der Vorfall
       könnte in der Tat als Kriegsverbrechen einzustufen sein. Der Grund: Das
       Westjordanland befindet sich seit 1967 unter israelischer Besatzung, daher
       wird auf seinem Gebiet das Völkerrecht angewandt – selbst, wenn hier kein
       Krieg herrscht, wie aus einer Entscheidung des Internationalen
       Strafgerichtshofs aus dem Jahr 2019 hervorgeht. Damit kann demnach auch von
       Kriegsverbrechen gesprochen werden.
       
       Nimmt man die Medienberichte als Grundlage, dann handelt es sich nach der
       Meinung des Juristen sehr wohl um den Einsatz von Kollektivstrafen sowie
       die rechtswidrige Zerstörung von Eigentum.
       
       25 Aug 2025
       
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