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       # taz.de -- Probewohnen in Eisenhüttenstadt: Stadt sucht Nachwuchs
       
       > Mehr als 2000 Bewerbungen auf zwei Wohnungen: Das Probewohnen in
       > Eisenhüttenstadt ist sehr begehrt. Selten war die Aktion so erfolgreich.
       
   IMG Bild: Kommt gut an: Wohnen in der ehemaligen DDR-Musterstadt
       
       Eisenhüttenstadt taz | Wenn in Berlin eine Wohnung in Bestlage frei wird,
       in Kreuzberg etwa oder Prenzlauer Berg, dann stehen da hunderte von
       Interessierten Schlange. In Berlin ist das inzwischen normal. In
       Eisenhüttenstadt nicht. Die 24.000-Einwohner:innen-Stadt an der
       deutsch-polnischen Grenze in Brandenburg kämpft normalerweise wie viele
       andere Kleinstädte mit Abwanderung und Leerstand, nicht mit überbordendem
       Interesse.
       
       Nur, dass genau das dort nun trotzdem passiert ist. Aus ganz Deutschland
       haben sich Anfang des Sommers mehr als 2.000 Menschen auf zwei Wohnungen in
       der ehemaligen DDR-Planstadt beworben. Die Stadt hatte für September
       [1][zum Probewohnen geladen]. Zwei Wochen, in einer vollmöblierten und
       -ausgestatteten Wohnung, kostenlos – um sich so ein Bild von
       Eisenhüttenstadt machen zu können.
       
       Der Ansatz ist nicht neu, viele schrumpfende Städte experimentieren mit
       diesem oder ähnlichen Formaten. Sowohl in den sogenannten strukturschwachen
       Gebieten in ostdeutschen Bundesländern als auch in den altindustriellen
       Zentren im Westen ist das Bedürfnis groß, der schrumpfenden und alternden
       Einwohner:innenschaft, den leeren Innenstädten und der sinkenden
       Wirtschaftsleistung entgegenzuwirken.
       
       Guben, ebenfalls im Brandenburgischen, hat im letzten Jahr [2][ein
       Probewohnen angeboten]. Im hessischen Homberg konnten im Jahr 2022 Städter
       [3][für einen Sommer das Landleben ausprobieren].
       
       ## Kleinstadt an der Oder
       
       Selten war die Aktion aber so erfolgreich wie nun in Eisenhüttenstadt. Zur
       Vorstellung der beiden ausgewählten Probewohner:innen war der
       Presseandrang groß, alle, einschließlich der taz, wollten wissen: Was hat
       es mit dieser Kleinstadt an der Oder auf sich?
       
       Fragt man ihre Bewohner:innen, sagen die, es sei die Ruhe und die
       Erreichbarkeit. Helga, 72, lebt seit 52 Jahren in Eisenhüttenstadt. Sie
       mag, dass sie Arzt, Apotheke, Friseur und Natur gleich in der Nähe hat. Von
       dem Interesse am Probewohnen hat sie auch schon gehört, gut findet sie das.
       
       „Blöd, dass ich mein zweites Fahrrad verliehen habe“, sagt sie noch, am
       liebsten will sie für die Reporterin spontan gleich eine Fahrradtour
       veranstalten, um die Gegend herzuzeigen. Mohamed, Anfang 40, lebt seit
       einem Jahr hier und mag, dass es schön ist, und sicher.
       
       Julia Basan leitet das Pilotprojekt Probewohnen in Eisenhüttenstadt und war
       komplett überwältigt von der großen Anzahl der Interessierten. Viele
       Bewerbungen seien aus Berlin und München eingegangen, erzählt sie. Die
       [4][günstigen Mieten] sind wohl auch ein Grund dafür; sechs Euro kalt
       kostet der Quadratmeter hier. „Viele der Bewerbungen haben auch den Platz
       hier thematisiert und immer wieder wurde die Ostmoderne erwähnt“, so Basan.
       
       ## Unter Denkmalschutz
       
       Eisenhüttenstadt, früher Stalinstadt, ist städtebaulich einzigartig. Als
       Planstadt nahe des Eisenhüttenkombinats Ost (EKO) wurde es 1950 als
       sozialistische Musterstadt gebaut. Heute steht die Innenstadt mit ihren
       historischen Wohnstätten und weiten Innenhöfen unter Denkmalschutz.
       Außenrum liegen Gewerbegebiete und viel Natur, weiter östlich der
       ursprüngliche Stadtkern von Fürstenberg, direkt an der Oder.
       
       Ein Probewohner ist Jonas Brander. Er ist Dokumentarfilmer und recherchiert
       für einen Film in und über Eisenhüttenstadt. Früher sei die Stadt die
       Zukunft, die Utopie gewesen, sagt Brander, während er auf einem Sofa in
       einer der Gästewohnungen sitzt.
       
       „Wenn man heute mit Leuten spricht, gibt es aber eine große Zukunftsangst“,
       erzählt er. Eisenhüttenstätter:innen auf Probe, wie er selbst, würden
       da neue Energie geben. „Plötzlich werde jetzt ich gefragt: Bist du die
       Zukunft?“
       
       12 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR Amelie Sittenauer
       
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