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       # taz.de -- Krankenkassen gegen Bundesrepublik: Eine Finanzierung über Steuern ist gerecht
       
       > Die Krankenkassen klagen gegen den Staat. Sie wollen nicht mehr länger
       > auf Kosten für Sozialausgaben sitzen bleiben, für die der Bund nicht
       > aufkommt.
       
   IMG Bild: Versorgung im Krankenhaus: Die Krankenkassen verklagen den Staat, da die Kosten für Sozialausgaben nicht voll ausgeglichen werden
       
       Wenn wir über sozialstaatliche Reformen reden, dann müssen wir über
       Fairness reden. Wer zahlt für den Sozialstaat? Für wen gilt das
       Solidarprinzip? In dieser Woche kamen diese Fragen auf besondere Weise auf
       den Tisch – und [1][wieder ging es ums Bürgergeld].
       
       [2][Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wollen die Bundesrepublik
       verklagen,] weil der Bund seit Jahren weniger für die Krankenversicherung
       der Bürgergeldempfänger*innen zahlt, als deren medizinische
       Versorgung kostet. Wir reden über bis zu 10 Milliarden Euro jährlich, auf
       denen die Kassen sitzen bleiben.
       
       Falls sie damit erfolgreich sind – der GKV-Spitzenverband rechnet mit einer
       langen Prozessdauer und guten Aussichten –, würde künftig nicht mehr die
       Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten für die medizinische
       Versorgung mittelloser arbeitsloser Menschen bezahlen, sondern die
       Solidargemeinschaft der Steuerzahlenden.
       
       Und das wäre erst der Anfang, es gibt noch mehr solcher sogenannten
       versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
       (Familienversicherung zum Beispiel), in der sozialen Pflegeversicherung
       (Beiträge zur Rentenversicherung für pflegende Angehörige) und [3][in der
       gesetzlichen Rentenversicherung (Mütterrente).]
       
       ## Die Mär von der Fairness
       
       Das klingt zunächst nach „linke Tasche, rechte Tasche“: Zahl ich halt nicht
       über Versicherungsbeiträge für erwünschte sozialstaatliche Maßnahmen,
       sondern über die Steuern. Bezahlt werden muss es so oder so, das Geld ist
       überall knapp. Ob nun die Versicherungsbeiträge steigen oder die Steuern,
       beides macht weniger Geld auf dem Konto.
       
       Aber Steuern auf Einkommen zahlen nicht nur gesetzlich Versicherte, sondern
       auch die meist gut verdienenden privat Versicherten, der Steuersatz steigt
       mit höherem Einkommen, Steuern werden nicht nur auf Arbeitsentgelte
       erhoben, sondern auch auf Einkommen aus Kapitalvermögen oder Vermietung und
       Verpachtung. Sie werden auch nicht nur bis zu einer bestimmten Grenze des
       Einkommens bezahlt und dann nicht mehr, wie das in den Sozialversicherungen
       der Fall ist.
       
       Das Steuersystem ist so gestaltet, weil das gesamtgesellschaftlich gerecht
       erscheint. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die staatliche
       Daseinsvorsorge sollten deshalb auch aus diesem Topf erbracht werden. Über
       eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und eine [4][Wiedereinführung der
       Vermögensteuer] reden wir an dieser Stelle noch gar nicht.
       
       Eine Steuerfinanzierung lässt sich noch radikaler denken: In Dänemark wird
       ein Großteil der sozialen Absicherung aus Steuern bezahlt, nicht aus
       Versicherungsbeiträgen, und zwar für alle. Der Steuersatz ist aber höher
       als in Deutschland.
       
       Dass die Finanzierung sozialstaatlicher Maßnahmen über Steuern die
       gerechteste von allen ist und mit der Verteufelung von Steuerzahlungen
       wirklich niemandem geholfen ist, der in einem gerechten Land leben möchte –
       dieser Punkt fehlt leider in der Fairnesserzählung mancher Politiker*innen.
       
       12 Sep 2025
       
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   DIR Manuela Heim
       
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