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       # taz.de -- Projekt mit Sängerin Patti Smith: Hören, wie das Eis bricht
       
       > Der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) zeigt ein Projekt des Soundwalk
       > Collective mit Patti Smith. Dazu gehört ein Soundtrack zum Klimawandel.
       
   IMG Bild: Stéphan Crasneanscki, Patti Smith, „Cry of the Lost | Prince of Anarchy“, Straßenkreuzung Friedrichstraße / Torstraße
       
       „Cry of the Lost“. Düster und mahnend liest Patti Smith ihr gleichnamiges
       Gedicht, eine Ballade über den Zustand der Welt, das Aussterben der Arten
       und den drohenden Klimakollaps. Ein Klangteppich aus Soundclustern
       unterlegt ihre Stimme, dazu sind Unterwasser-Feldaufnahmen von
       Schalldruckwellen zu hören, die von Schiffen aus mit Kanonen in den Ozean
       geschossen werden, um Ölvorkommen zu erkennen. Mit gravierenden
       Auswirkungen auf das Ökosystem, vor allem auf die Orientierung von Walen
       und Delfinen.
       
       Ein weiteres Gedicht ist „Prince of Anarchy“, eine Hommage von Smith an den
       russischen Fürsten, Naturwissenschaftler, Philosophen und Anarchisten Pjotr
       Kropotkin (1842–1921), der sich für eine Gesellschaft ohne Gewalt und
       Herrschaft einsetzte. Smith spricht darin über die Auswirkungen der
       Gletscherschmelze. Dazu ist das Brechen von Eis zu hören. Es sind Klänge
       des französisch-amerikanischen Künstlers Stéphan Crasneanscki, Gründer der
       Kunstplattform Soundwalk Collective. Er komponiert mit Feldaufnahmen und
       Stimmen Klanglandschaften. Daraus entsteht ein Soundtrack zum Klimawandel.
       
       Beide Gedichte sind derzeit in Berlin zu hören, über einen QR-Code
       unterhalb des anlässlich der Berlin Art Week eröffneten Billboards der
       [1][n.b.k.] an der Ecke Friedrichstraße und Torstraße mit einer Collage des
       Soundwalk Collective.
       
       Crasneanscki, der für ein paar Tage nach Berlin gekommen ist, wo er seit
       zehn Jahren neben New York ein zusätzliches Atelier betreibt, erklärt im
       Interview das Bild, eine Collage des handgeschriebenen Gedichts „Cry of the
       Lost“ von [2][Patti Smith]: „Dahinter liegen Satellitenaufnahmen der Nasa,
       die das Abbrechen des Eises in Grönland zeigen. Der Wolf darunter erinnert
       mich an Sibirien, denn das Schmelzen des Eises legt auch Tiere frei, die
       seit Millionen von Jahren gefroren sind.“ Eingefügt sind handschriftliche
       Notizen von Jean-Luc Godard, mit dessen Archiv das Soundwalk Collective
       ebenfalls arbeitet.
       
       Kennengelernt hatten sich Crasneanscki und Patti Smith durch einen Zufall.
       In einem Anschlussflug von Paris nach New York saßen sie nebeneinander, und
       der 1969 nahe Grenoble in den französischen Alpen geborene Crasneanscki,
       der seit Mitte der 1980er Jahre in New York lebt, erzählte ihr von seinem
       Projekt, weltweit Klänge bedrohter Arten und Landschaften zu sammeln, als
       „Archiv akustischer Erinnerungen“.
       
       Wenige Tage später trafen sie sich in New York, und so entstand vor zwölf
       Jahren das fortlaufende gemeinsame Projekt „Correspondences“. In diesen
       „Briefwechseln“ schickte Crasneanscki, der mit dem Produzenten Simon Merli
       das „Soundwalk Collective“ betreibt, das bisher unter anderem auf der
       documenta, im Centre Pompidou und auf der Manifesta ausstellte und auch mit
       Künstler*innen wie Nan Goldin zusammenarbeitet, Patti Smith
       Feldaufnahmen der von ihm bereisten Orte, die das Aussterben der Arten
       dokumentieren.
       
       „Die Orte der Feldaufnahmen setzen in gewisser Weise eine Klanglandschaft
       frei, die ich mit Patti ins Studio bringe“, so Crasneanscki. „Sie hat sich
       die Aufnahmen angehört und dazu Gedichte geschrieben.“ Auf dieser Basis
       entstehen dann die Kompositionen.
       
       ## Klängen wie in der Malerei schichten
       
       Bisher sind zwei gemeinsame Alben erschienen. Parallel dazu entwickelte das
       Soundwalk Collective ein multimediales Konzept mit Nasa-Fotografien,
       handschriftlichen Notizen und Filmaufnahmen.
       
       Eine Collage aus diesen Bildern wurde zum jeweiligen Albumcover. So auch
       für ihre dritte Zusammenarbeit „Correspondences #3“, die jetzt unter dem
       Titel „Cry of the Lost | Prince of Anarchy“ das Billboard des n.b.k.
       bildet. Es ist eine Vorab-Berlin-Premiere des Albums. Bisher kann man auf
       gängigen Streaming-Plattformen die vorangegangenen Alben „Correspondances
       #1 und #2“ hören.
       
       Crasneanscki studierte Kunst und Malerei. Das Schichten von Klängen
       vergleicht er mit Malerei, die Feldaufnahmen seien seine Palette. Mit dem
       Soundwalk Collective lote er die erzählerischen Möglichkeiten dieser Klänge
       aus. Allein in den letzten 80 Jahren seien 70 Prozent des Ökosystems
       verschwunden, sagt er. „Wo ich auch hinreiste, ob im Amazonas-Regenwald, in
       Afrika und auch in Europa, es bedeutet auch, das 70 Prozent der Geräusche,
       die es dort früher gab, heute nicht mehr da sind.“ So ist das Billboard als
       Requiem der verlorenen Klänge zu lesen, als Soundtrack einer verlorenen
       Erinnerung.
       
       15 Sep 2025
       
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