URI: 
       # taz.de -- Rechtsextreme Massendemo in London: Den Kampf für Freiheit nicht den Rechten überlassen
       
       > Nach dem Mord an Charlie Kirk geben sich Rechtsextreme als Verteidiger
       > der Redefreiheit. Die freie Rede meint jedoch nicht die Freiheit zur
       > Hetze.
       
   IMG Bild: Weit über 100.000 sollen an der Massendemonstration gegen Migration in Großbritannien teilgenommen haben
       
       Vor zehn Jahren rief man in Paris „Je suis Charlie“ (Ich bin Charlie) als
       Ausdruck der Solidarität nach dem islamistischen Terrorangriff auf die
       Redaktion der französischen Satirezeitschrift [1][Charlie Hebdo]. An diesem
       Wochenende wurde in London „I am Charlie“ zum Kampfruf von
       Rechtsextremisten nach der Erschießung des rechten US-Aktivisten
       [2][Charlie Kirk] vor laufender Kamera. So fundamental haben sich zwischen
       2015 und 2025 die Koordinaten des politischen Diskurses in der westlichen
       Welt verschoben.
       
       Noch nie sind in London, einer der multikulturellsten Städte der Welt, so
       viele Menschen dem Demonstrationsaufruf eines gewaltbereiten
       Rechtsextremisten gefolgt wie am 13. September. Organisator [3][Tommy
       Robinson] konnte sein Glück sichtlich kaum fassen und sieht sich schon an
       der Spitze einer Revolution. Elon Musk, zugeschaltet aus den USA, sprach
       von einem Kampf um Leben und Tod, wobei Trump-Gegner in den USA das schon
       seit einer Weile tun. Großbritannien ist historisch das Land, in dem neue
       kulturelle Trends aus den USA als Erstes in Europa landen.
       
       „I am Charlie“ ist da kein Ausrutscher. Für das rechtsextreme Milieu tobt
       tatsächlich ein Kampf um die Rede- und Meinungsfreiheit. Man sieht sich als
       Opfer staatlicher Regulierung der sozialen Medien und restriktiver Sprech-
       und Sprachvorgaben durch „Woke“-Aktivisten in Politik und Kultur. Von
       [4][MAGA] in den USA bis zu [5][Reform UK] in Großbritannien und
       Rechtspopulisten in Europa ertönt die immer gleiche Klage: Man darf nicht
       mehr sagen, was man will, und nicht mehr sprechen, wie man denkt.
       
       ## Die Verächter sprachlicher Autorität verteidigen
       
       Es ist kein Zufall, dass in immer mehr Ländern Parteien vom rechten Rand
       die Meinungsumfragen anführen und durch ihre Nähe zu Trump und Putin
       glaubhaft politische Respektabilität beanspruchen. Das liegt nicht nur an
       der Migrations- und der Klimapolitik, den zwei klassischen Streitthemen. Im
       liberalen und linken Lager wird häufig übersehen, wie verheerend es sich
       politisch auswirkt, die „Freiheit der Rede“ der extremen Rechten zu
       überlassen, selbst wenn diese damit in der Praxis Freiheit zur Hetze und
       zur Lüge meint.
       
       „Ich bin Charlie“ darf keine Parole der extremen Rechten werden. Die
       Gegenkräfte zum weltweiten Rechtsruck müssen sich fragen, ob sie auch heute
       noch für Charlie Hebdo eintreten würden, für den [6][Salman Rushdie] der
       „Satanischen Verse“, für die Verächter sprachlicher und spiritueller
       Autorität weltweit. Oder ob sie nicht längst selbst diese Autorität
       beanspruchen und sich damit einer rechten Kritik im Namen der Freiheit
       aussetzen – einer Kritik, die zwar verlogen ist, aber leicht verfängt.
       
       14 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /10-Jahre-nach-Anschlag-auf-Charlie-Hebdo/!6057051
   DIR [2] /Mord-an-Charlie-Kirk/!6113594
   DIR [3] /Rechtsextremer-Brite-Tommy-Robinson/!6025164
   DIR [4] /Risse-in-der-Pro-Trump-Bewegung/!6098745
   DIR [5] https://www.bbc.com/news/articles/cyv6en35q3ro
   DIR [6] /Salman-Rushdie/!t5010422
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Rechtstextreme
   DIR Großbritannien
   DIR Tommy Robinson
   DIR London
   DIR Social-Auswahl
   DIR Reden wir darüber
   DIR Charlie Kirk
   DIR Niederlande
   DIR wochentaz
   DIR Donald Trump
   DIR Kolumne Vierte Wand
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Wahlen in Großbritannien
   DIR Rechtsextremismus
   DIR antimuslimischer Rassismus
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ausschreitungen in den Niederlanden: Demonstration gegen Migration wird zur Gewaltorgie
       
       Einen Monat vor den Neuwahlen schockieren rechtsextreme Ausschreitungen die
       Niederländer. Doch der Rechtsruck reicht in die Mitte der Gesellschaft.
       
   DIR Staatsbesuch des US-Präsidenten in UK: Gruppenbild mit Trump
       
       Ausgerechnet in der tiefsten Krise von Keir Starmer als britischem Premier
       kam Trump vorbei. Wieder musste Starmer tun, was Nigel Farage besser kann.
       
   DIR Trump-Besuch in Großbritannien: Königlicher Glanz und lukrative Geschäfte
       
       US-Präsident und der britische Premier Starmer tauschen Höflichkeiten aus.
       Tausende demonstrieren in London gegen Trump und für Solidarität mit Gaza.
       
   DIR Film „This Is England“ wird real: Das ist England – immer noch
       
       Der Rechtsextreme Tommy Robinson rief letzte Woche in England zur Großdemo
       auf. Seine Parolen klingen wie in Shane Meadows’ Filmklassiker von 2006.
       
   DIR Nach dem Attentat auf Charlie Kirk: Trumps Vizestabschef fordert Jagd auf Linke
       
       Stephen Miller will den Tod von Charlie Kirk für einen Gegenschlag nutzen.
       Auch den ZDF-Korrespondenten in Washington hat die US-Regierung im Visier.
       
   DIR Labour Partei in Großbritannien: Starmers Krise, rechte Chance
       
       Die britische Rechte zeigt ihre Stärke, just während der Premier die
       Kontrolle verliert.
       
   DIR Rechtsextreme Massendemo in London: Für die Rechten ein Erfolg, der alles Gekannte sprengt
       
       Über 110.000 Menschen folgten am Samstag in London dem Demonstrationsaufruf
       des Rechtsextremistenführers Tommy Robinson. Die Gegendemo blieb winzig.
       
   DIR Extremismusforscher über England: „Großbritannien ist eine multiethnische Gesellschaft“
       
       Der britische Rechtsextremismusexperte Matthew Feldman warnt: Rechtsextreme
       nutzen lokale Ängste gezielt zur Mobilisierung gegen Geflüchtete.
       
   DIR Zehn Jahre nach dem Anschlag: Alle für Charlie
       
       Das Satiremagazin hat auch dank der Solidarität seiner Leser*innen
       überlebt. In Paris soll 2025 nun ein „Haus der Zeitungskarikatur“ eröffnen.