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       # taz.de -- Energiewende-Bericht: Das Ende der Wende?
       
       > Der von Wirtschaftsministerin Reiche in Auftrag gegebene Bericht über die
       > Energiewende liegt vor. Die Opposition ist entsetzt über die
       > Schlussfolgerungen.
       
   IMG Bild: Transport eines Rotorblatts für ein Windrad: Umweltverbände sehen Klimaschutz in Gefahr
       
       Berlin taz | [1][Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) will
       mit einem 10-Punkte-Plan die Energiewende neu justieren.] Das kündigte sie
       am Montag bei der Vorstellung der Ergebnisse des von ihr in Auftrag
       gegebenen „Energiemonitorings“ an. Opposition und Umweltverbände fürchten
       großen Schaden für die klimafreundliche Energieversorgung.
       
       Das Energiemonitoring soll eine Bestandsaufnahme zum Ausbau der
       Erneuerbaren liefern und die Grundlage für weitere energiepolitische
       Entscheidungen bilden. Die Erstellung wurde im Koalitionsvertrag
       vereinbart. Die Ministerin hat das Beratungsinstitut BET und das
       Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität Köln damit
       beauftragt. Kritiker:innen monieren die Nähe des EWI zur fossilen
       Industrie. Etliche fürchten, dass Reiche mit Hinweis auf die Ergebnisse den
       von der Ampel in Gang gebrachten massiven Ausbau der erneuerbaren Energien
       abwürgen könnte.
       
       Bei der Vorstellung des Monitoringberichts und ihrer Schlussfolgerungen
       daraus bemühte Reiche sich, solche Befürchtungen zu zerstreuen. Das Ziel,
       dass bis 2030 mindestens 80 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren
       Quellen stammen, bleibe erhalten, betonte sie mehrfach. Allerdings: Der
       bislang für 2030 vorgesehene Strombedarf von 750 Terawattstunden (TWh)
       jährlich wird herabgesetzt.
       
       Die Gutachter:innen gehen von einem Bedarf von 600 bis 700
       Terawattstunden jährlich aus – 80 Prozent davon sind weniger als von 750
       Terawattstunden. Jetzt liegt der Bedarf bei 510 Terawattstunden. Dass der
       Bedarf langsamer als angenommen wächst, liegt etwa am schleppenden Absatz
       von E-Autos und Wärmepumpen. Insgesamt sieht das Gutachten die Energiewende
       auf einem guten Weg. Beim klimafreundlich hergestellten Wasserstoffs hapert
       es allerdings sehr, bei Windenergie im Meer ein bisschen.
       
       ## Der Bedarf liegt bei 510 Terawattstunden
       
       „Die Energiewende steht an einem Scheideweg“, sagte die Ministerin. Die
       Energiewende sei ein Erfolg. Aber: „Die nächsten Schritte werden
       schwieriger“, betonte sie. Das System brauche eine „Rückbesinnung auf
       ökonomische Grundsätze“. So seien Überkapazitäten von Strom bei guten
       Witterungsverhältnissen und zu wenig Produktion bei wenig Sonne und Wind
       große Herausforderungen. Das zu bewältigen ist nach Auffassung der
       Ministerin teuer, weil bei sogenannten Dunkelflauten schnell verfügbare
       Ausgleichskapazitäten zur Verfügung stehen müssen. Reiche setzt dafür auf
       teure neue Gaskraftwerke. Umweltverbände halten ihre Pläne für
       überdimensioniert.
       
       Den Auftakt ihres [2][10-Punkte-Plan bildet die Ankündigung eines neuen
       „Planungsrealismus“]. Außerdem will die Ministerin Förderungen im
       Energiesystem infrage stellen. Sie sollen „auf das unbedingt notwendige Maß
       reduziert werden“, sagte Reiche, die bis zu ihrem Wechsel ins Ministerium
       Energiemanagerin bei einem fossilen Konzern war. Die garantierte Vergütung
       des eingespeisten Stroms aus privaten Solaranlagen etwa ist ihrer Meinung
       nach überflüssig, weil sich diese Anlagen bereits jetzt rechnen.
       
       Das Stromsystem soll flexibler, besser gesteuert, digitalisiert und auch
       nicht klimafreundlich hergestellter Wasserstoff soll eingesetzt werden. Was
       genau Reiches Pläne bedeuten, wird in allen Konsequenzen erst sichtbar,
       wenn die Entwürfe für die zahlreichen nötigen Gesetzesänderungen vorliegen,
       etwa die Novellierung des EEG oder des Wind-auf-See-Gesetzes.
       
       ## Anwachsende Stromnachfrage
       
       Der Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erwartet, dass
       er jetzt in die Diskussion über die Schlüsse aus dem Gutachten einbezogen
       wird. Der Monitoringbericht sei „ein überzeugender Angang“, sagte
       BDEW-Chefin Kerstin Andreae. „Der nun mit 600 bis 700 TWh prognostizierte
       Strombedarf ist eine gute Standortbestimmung, am Ende aber auch nur eine
       Momentaufnahme“, sagte Andreae. Die Elektrifizierung von Verkehr, Wärme und
       Industrie entwickele sich aktuell zwar langsamer als angenommen. Dennoch
       solle man vorbereitet sein auf eine anwachsende Stromnachfrage durch eine
       konjunkturelle Erholung und zusätzliche Stromnachfrage etwa durch
       Rechenzentren.
       
       Aus Sicht des Verbandes ändert sich nichts an dem erheblichen Ausbaubedarf
       der erneuerbaren Energien. Nach Angaben des BDEW werden bei Beibehalten der
       jetzigen Ausbauziele die Erneuerbaren bei maximaler Auslastung im Jahr 2030
       den Strombedarf zu 80 Prozent decken, wenn der bei 620 Terawatt liegt. „Um
       diese Ziele zu erreichen, dürfen wir jetzt nicht im Tempo nachlassen“,
       sagte Andreae.
       
       ## Kurswechsel in der Energiepolitik
       
       Der grüne Bundestagsabgeordnete und Energieexperte Alaa Alhamwi sieht in
       dem Gutachten eine Bestätigung der bisherigen Ausbaupläne. „Der
       Monitoringbericht zeigt, dass die Energiewende insgesamt auf einem guten
       Weg ist“, sagte er. „Nur scheint Frau Reiche das nicht so zu sehen.“ Schon
       seit Wochen spreche sie über einen Kurswechsel in der Energiepolitik.
       „Alles im Sinne: Fossils First“, kritisiert er. Fatal sei auch, dass die
       Ministerin keinerlei Antworten gebe, wie die Industrie, Wärme und Verkehr
       elektrifiziert werden sollen. „Dabei besteht hier laut Monitoringbericht
       ein riesiger Handlungsbedarf“, sagte er.
       
       [3][Reiches Feststellung, die Energiewende] sei an einem Scheideweg, ist
       falsch, ist der energiepolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag
       Jörg Cezanne überzeugt. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien war zuletzt
       auf einem guten Weg und muss fortgesetzt werden“, sagte er. Reiches
       Ankündigung, kleine Solaranlagen nicht mehr zu fördern, bremse die
       dezentrale Energiewende zugunsten größerer Player und schwäche die
       Akzeptanz der Energiewende. „Es ist erschütternd, dass die Ministerin
       jegliche wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, um die Agenda ihrer
       Freunde bei den Gaskonzernen durchzudrücken“, sagte er.
       
       Umweltverbände sehen sich in ihren Befürchtung bestätigt, dass die
       Energiewende gefährdet ist. „Was Ministerin Reiche am heutigen Montag als
       Kurskorrektur verkauft, droht eine energiepolitische Vollbremsung zu
       werden“, sagte Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings. Auch
       die Deutsche Umwelthilfe ist empört. „Was Frau Reiche mit
       ‚Planungsrealismus‘ meint, ist faktisch eine Ausbaubremse für die
       Erneuerbaren“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Das
       angebliche „Subventionen-Senken“ laufe in Wahrheit auf den Kahlschlag bei
       wichtigen Förderprogrammen hinaus, während fossile Beihilfen neu geschaffen
       werden sollen.
       
       15 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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