# taz.de -- Patriotismus im Sport: Kein Korb für Deutschland
> Nach dem Gewinn der EM ist Deutschland im Basketballfieber. Gut so, denn
> das Team steht nicht für nationalen Stolz, sondern für Solidarität.
IMG Bild: Daniel Theis (links) und Isaac Bonga verhalfen dem Team zum Meistertitel
Wenn die Gesellschaft zerrüttet ist und die Fronten im Land unüberwindbar
scheinen, dann wurde schon oft gehofft, dass sportlicher Erfolg alle wieder
vereint. Man denke an das „Sommermärchen“ 2006 oder den WM-Titel im
Herrenfußball 2014. Nationalfarben auf jeder Straße, Deutschlandflaggen ans
Autofenster geklemmt, endlich mal wieder stolz sein auf sein Land.
Politiker*innen sitzen bei Spielen auf den Tribünen und halten
hochgestochene Reden darüber, wie toll die jeweilige Nationalmannschaft
das Land vertritt.
Nationalteams werden so häufig zur Projektionsfläche einer vermeintlichen
nationalen Einigkeit. Auch die Sportler*innen betonen im Nachgang oft,
was für eine Ehre es sei, das eigene Land zu vertreten und den Titel „nach
Hause“ zu holen. Am Sonntag gewannen die deutschen Basketballer nun in
einem [1][furiosen Finalspiel in Riga die Europameisterschaft.]
Aber die deutsche Basketballnationalmannschaft erzählt keine Geschichte des
vereinigten Volkes, sondern eine von zwischenmenschlichem Zusammenhalt,
Solidarität und dem Wert langfristiger Beziehungsarbeit. Das mag etwas
kitschig klingen, in erster Linie ist es aber erfrischend und trifft auf
diese Mannschaft vollkommen zu. Und es fasziniert auch die Zuschauer*innen.
Millionen Menschen fieberten vor den Fernsehern mit, unter den 14- bis
49-Jährigen überragten die Einschaltquoten den ewigen und angefochtenen
Spitzenreiter [2][„Tatort“] um Längen, mehr als doppelt so viele Menschen
dieser Altersgruppe schauten das Finalspiel.
Die Basketballer könnten nun für die nächste Lobhudelei auf die nationale
Stärke herhalten: „Wir“ sind Europameister. Die [3][rassistischen Vorfälle
gegen Kapitän Dennis Schröder] zu Beginn des Turniers sind da schnell
vergessen. Ebenso, dass insbesondere migrantisierte oder PoC-Spieler*innen
als Erstes dafür hinhalten müssen, wenn der Erfolg ausbleibt. Zum Glück
zeigen sie aber, dass sie für etwas ganz anderes stehen. Und der Erfolg
wurde seit Jahren behutsam aufgebaut.
## Schlüssel für den Erfolg
Nach einem krachenden Vorrunden-Aus bei der WM 2019 forderte der frühere
Bundestrainer Gordon Herbert ein „Commitment“ zum Team. Wer für die
Nationalmannschaft auflaufen möchte, könne dies nicht nur gelegentlich tun,
neben anderen Jobs im Verein in Europa oder der NBA. Herbert forderte
Zusagen für mehrere Jahre, mit dem Ziel, eine [4][wirkliche Gemeinschaft zu
etablieren.] Das war und ist der Schlüssel zum Erfolg dieses Teams.
Dennis Schröder, Franz Wagner, Isaac Bonga, Daniel Theis, Johannes
Thiemann, Maodo Lô und noch weitere bilden seit jeher den festen Kern des
Teams. Und haben gezeigt, dass sie nicht nur eine zusammengewürfelte Truppe
individuell starker Spieler sind. „Für mich war das wie eine Klassenfahrt
mit meinen Freunden – und nebenbei spielt man Basketball“, sagte Isaac
Bonga, der nicht nur zum besten Verteidiger des Turniers gewählt wurde,
sondern im Finale mit 20 Punkten auch offensiv entscheidend zu dem 88:83
Sieg gegen die Türkei beitrug.
„Dieses Team ist einfach so geil. Das geht so weit über den Court hinaus“,
sagte Franz Wagner nach dem Finale. „Das sind alles Brüder.“ Bei der Ehrung
des All Star Teams trug Wagner das Trikot seines wirklichen Bruders Moritz,
der das Turnier mit einem Kreuzbandriss verpasste, in der Videoschalte aus
Kalifornien in diesem Moment aber zu Tränen gerührt war.
Die Spieler sind nahbar und zeigten sich während des Turniers auch
verletzlich. Dass ein komplettes Team die Verbindung zueinander derart
betont, ist im sonst so von individuellem Konkurrenzkampf und Ego
getriebenen Leistungssport selten. Doch gerade die Gruppendynamik, die
Chemie zwischen den Spielern zeichnen diese Mannschaft aus und machen sie
zu einem der ganz großen Teams der Sportgeschichte.
## Zusammenhalt und Freundschaft
Nach Spielende lagen sich etwa Dennis Schröder und Daniel Theis, bereits in
Jugendzeiten Mitspieler, weinend in den Armen. In beinahe jedem Interview
sagten die Spieler, dass sie den Titel auch für und mit dem verletzten
Johannes Voigtmann oder dem aufgrund von Krankheit das gesamte Turnier
ausgefallenen Trainer Alex Mumbrú gewonnen haben.
Ohne Niederlage im Turnier dürfen sich die deutschen Basketballer nun
zeitgleich Europa- und Weltmeister nennen. Die Stars um Schröder, Wagner
und Theis bewiesen konstant ihre Klasse, doch Spiel für Spiel übernahmen
immer andere die Verantwortung und trugen das Team zum Sieg. Wer diese
Mannschaft während und auch nach den Spielen gesehen hat, spürt sofort den
Zusammenhalt und die Freundschaft.
Das verbindende Element ist aber nicht ihre Nationalität, sondern die
geteilte Liebe zum Basketball und das Vertrauen ineinander. Der Volkssport
Fußball könnte hiervon noch einiges lernen.
15 Sep 2025
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## AUTOREN
DIR Jonas Kähler
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