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       # taz.de -- Die Wahrheit: Männer allein auf weitem Floor
       
       > Wenn sich Typen im Gym unbeobachtet fühlen, hören sie irgendwann auf, den
       > Bauch einzuziehen. Dann kann alles Mögliche passieren.
       
       Als das erste noch unsichere „Fwump“ verklungen war, hielt ich lauschend
       inne. Als kurz danach das zweite, schon selbstbewusstere „Fwump“ an meine
       Ohren drang, sah ich voll gespannter Erwartung auf.
       
       War es wirklich wahr? Das fragten sich jetzt offenbar auch die anderen
       Männer, die allesamt wie Erdmännchen auf Ausguck vorsichtig ihre Köpfe über
       die Maschinen streckten. Ja, es war wirklich wahr, und als ich das begriff,
       fwumpte auch ich, löste jede Spannung aus meiner Plauze – und überließ sie
       ganz der Schwerkraft. Endlich, endlich: Wir waren frei. Die letzte Frau
       hatte das Fitnessstudio verlassen.
       
       Das war in meiner zehnjährigen Fitnessstudiogeschichte noch nie passiert.
       Immer hatte mindestens eine Frau mit ihrer reinen Anwesenheit unsere
       Affengehirne dazu gebracht, den Bauch ein-, die Schultern zurück- und die
       Beine auseinanderzuziehen. Doch jetzt, heute, an diesem unscheinbaren
       Donnerstag des Jahres 2025, waren zum allerersten Mal nur Männer auf weitem
       Floor.
       
       Nach Jahren der Gym-Contenance konnten natürlich nicht alle Männer ihre
       Hemmungen sofort ablegen, aber schnell fanden sich erste Mutige: Vorsichtig
       umstakten zwei junge Athleten auf ihren unfreiwillig vernachlässigten
       Beinen die Adduktor- und Abduktorpressen für äußere und innere
       Oberschenkelmuskeln. Diese sind sonst absolut verbotene No-go-Areas für
       Pumper mit Respekt vor sich und der selbstverständlich unbestrittenen
       idealmännlichen V-Form des Körpers. Gleich mitten im Gang versuchten sich
       andere an schlichten Kniebeugen. Pistol-Squats oder gar Jump-Squats?
       Fehlanzeige.
       
       Von Minute zu Minute breitete sich ein Chaos wie in einer Bildwelt von
       Hieronymus Bosch auf der Studiofläche aus: Männer trainierten bauchfrei;
       Männer liefen in den Gängen aneinander vorbei, ohne sich anzurempeln. Ein
       Mann machte sogar Dehnübungen! Ausgerechnet die Dehnübung, bei der man sich
       kniend und mit herausgestrecktem Hintern bewegt wie eine Katze, die sich
       gleich erbricht.
       
       Je länger wir Männer allein waren, desto mehr geriet die Vor-Fwump-Zeit der
       eingezogenen Bäuche in Vergessenheit. Die Kampfsportler sprangen synchron
       und Kinderreime singend Seil, im oberen Studioteil wurde ein spontaner
       Zumbakurs ausgerufen, in dem tätowierte Testosteronmonster zu Taylor Swift
       und Chappell Roan ihre Hüften schwangen. Kurz sah man sogar einen besonders
       Mutigen auf dem Stepper.
       
       Doch so schnell der Zauber begonnen hatte, so schnell war er auch wieder
       vorbei: Nach nur einer halben Stunde köstlicher Freiheit kündigte das erste
       Wiedereinsaugen eines Bauchs mit einem wehmütigen „Pmuwf“ die Rückkehr
       einer Frau an.
       
       Ein letztes Mal sahen wir uns so, wie Gott uns geschaffen hatte: unter uns.
       Dann zogen wir unsere Bäuche wehmütig erneut ein und trainierten mannhaft
       weiter, als wäre nie etwas geschehen. Das wäre ja sonst auch peinlich
       gewesen.
       
       17 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ernst Jordan
       
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