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       # taz.de -- Russisches Gas und Öl: Europas Milliarden für Moskau
       
       > Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland sollten Putin unter
       > Druck setzen, die EU aber auch energieunabhängiger machen. Funktioniert
       > das?
       
   IMG Bild: Wer will uns was? Gazprom produziert schön weiter fossile Energie für die Welt: Ölraffinerie im sibirischen Omsk
       
       Berlin taz | Es ist ein gigantischer Selbstbetrug: Zwar hat die EU am 18.
       Juli [1][das 18. Sanktionspaket gegen Russland] beschlossen – und lobt sich
       wegen der besonderen Entschlossenheit selbst. Tatsächlich aber unterlaufen
       die [2][Mitgliedstaaten die Strafmaßnahmen systematisch].
       
       Das hat Donald Trump auf den Plan gerufen: Am Samstag verkündete der
       US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social, er sei bereit, Russland
       härter zu sanktionieren. Allerdings knüpfte er das an die Bedingung, dass
       alle Nato-Staaten den Kauf von russischem Öl einstellen. Zuvor hatte er
       bereits in einem Telefonat mit europäischen Vertretern ein Ende ihrer Öl-
       und Gas-Geschäfte mit Russland verlangt. Im Hintergrund wirkt noch der
       Zollstreit: [3][Indien hat seit der russischen Vollinvasion in der Ukraine
       im Februar 2022 seine Ölimporte aus Russland drastisch ausgeweitet] und
       sich dem Druck der USA zum Stopp des Einkaufs in Moskau nicht gebeugt,
       woraufhin Trump die Strafzölle für das südasiatische Land Anfang August auf
       nunmehr 50 Prozent verdoppelte.
       
       Im 18. EU-Sanktionspaket gegen den Kreml ist ausdrücklich die „Einfuhr von
       Erzeugnissen aus russischem Rohöl, die in Drittstaaten raffiniert wurden,
       verboten“. Allerdings tritt diese Maßnahme erst am 21. Januar 2026 in
       Kraft. Und Gas- und Uranimporte aus Russland sind bis heute nicht
       sanktioniert. Die [4][EU-Kommission plant, die Einfuhr russischen Gases ab
       2028 zu untersagen], im Falle kurzfristiger Verträge schon früher. Der
       Vorschlag muss aber noch von den EU-Ländern und dem EU-Parlament verhandelt
       werden.
       
       Viele europäische Staaten haben nun zwar selbst den Import von russischem
       Öl und Gas gestoppt, doch sie profitieren davon, dass eben Indien, China
       und die Türkei seit 2022 russisches Rohöl zu deutlich unter den
       Weltmarktpreisen liegenden Tarifen einkaufen – und dann, raffiniert zu
       Diesel, Benzin, Kerosin oder anderen Ölprodukten, weiter vertreiben. Vor
       allem nach Europa.
       
       ## Indisch deklarierter Sprit
       
       So schossen im August die Einfuhren allein von Diesel aus Indien um 137
       Prozent in die Höhe. Die Türkei liefert etwa 5 Prozent des europäischen
       Dieselbedarfs. [5][2024 hat Indien laut dem Center for the Study of
       Democracy Saudi-Arabien als größten Treibstofflieferanten Europas] abgelöst
       – nun kommt als indisch deklariertes Benzin statt aus saudischem Rohöl
       hergestellter Sprit in die EU.
       
       Einige EU-Länder sind ohnehin abtrünnig und haben noch nicht einmal die
       direkten Rohölimporte aus Russland gestoppt: Ungarn und die Slowakei
       beziehen weiter russisches Rohöl – wenn die Ukraine nicht gerade mit
       Drohnen die Druschba-Pipeline aus Russland an neuralgischen Punkten
       demoliert hat. Ungarn importierte im vergangenen Jahr 84 Prozent seines
       Ölbedarfs aus Russland, die Slowakei 82 Prozent.
       
       Je 6 Prozent der russischen Rohöl-Ausfuhren landen in der EU und der Türkei
       (in China 47 Prozent, in Indien 38 Prozent). Erdgas, das über Pipelines
       geliefert wird, hat sogar zu 36 Prozent das Ziel EU (China: 30 Prozent,
       Türkei: 27 Prozent).
       
       ## 600 Millionen Dollar pro Tag
       
       Noch deutlicher ist es beim schon verfemten, aber eben noch nicht
       sanktionierten Flüssiggas (LNG), das auf Tankern in EU-Häfen angelandet
       wird: Hier kommt 51 Prozent des russischen Exports an (China: 21 Prozent,
       Japan: 18 Prozent). Tendenz bisher sogar weiter steigend. Diese Zahlen hat
       das Center for Research on Energy and Clean Air (Crea) anhand von
       Schiffsdaten, Zollangaben und dem internationalen Maritim- und
       Rohstoffdatenhaus Kpler errechnet.
       
       Russland erlöst mit dem Exportieren fossiler Energieträger weiterhin und
       trotz internationaler westlicher Sanktionen fast 600 Millionen US-Dollar –
       pro Tag. Noch zwischen Februar 2024 und Februar 2025 haben europäische
       Kund:innen laut Crea 21,9 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe nach
       Moskau überwiesen. Seit Beginn des Krieges 2022 hat Russland mit der
       Ausfuhr fossiler Brennstoffe Einnahmen in Höhe von 941 Milliarden Euro
       erzielt, 213 Milliarden Euro kamen aus Ländern der Europäischen Union.
       
       Mit dem Finger gezeigt wird dabei zumeist nur auf die
       [6][kreml-freundlichen Regierungen in Budapest und Bratislava wegen ihrer
       Öl- und Gas-Pipeline-Kontrakte]. Doch die Häfen, die LNG-Tanker mit
       verflüssigtem russischen Erdgas ansteuern, sind zumeist Zeebrugge
       (Belgien), Montoir und Dunkerque (Frankreich), Bilbao und Mugardos
       (Spanien) sowie Rotterdam (Niederlande). In Belgien macht russisches
       Flüssiggas derzeit 11 Prozent des Gesamtverbrauchs aus, in Frankreich 13
       Prozent und in Spanien 25 Prozent. Die LNG-Lieferungen aus Russland sind
       seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 sogar noch gestiegen, machen 17
       Prozent des europäischen Flüssiggasbezugs aus.
       
       17 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Mathias Brüggmann
       
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