# taz.de -- Olympiastartplätze im Eiskunstlauf: Autoritäre Neigung
> Die Olympia-Qualifikation für Eiskunstlauf findet dieses Jahr erstmals in
> Peking statt. Wie der Weltverband autoritäre Staaten begünstigt.
IMG Bild: Genrikh Gartung, 17, wuchs in Russland auf und startet für Deutschland in der Olympia-Qualifikation
Berlin taz | Autoritäre Staaten sind klar im Vorteil. Deshalb finden in
diesem Jahr die Nachqualifikationen für ein paar Olympiastartplätze vom 18.
bis 21. September in der chinesischen Hauptstadt Peking statt. Die meisten
Startplätze zu den Olympischen Winterspielen wurden bereits im März zu den
Weltmeisterschaften vergeben. Im Einzellauf sind bei Frauen wie bei Männern
noch je fünf Startplätze offen, im Eistanz und Paarlauf vier.
Seit der Jahrtausendwende wurde die Nachqualifikation immer im
[1][bayerischen Oberstdorf] veranstaltet, doch in diesem Jahr hat die
Deutsche Eislauf-Union (DEU) sich nicht beworben. Der Grund sind neue
Ausschreibungsbestimmungen des Eiskunstlauf-Weltverbandes ISU. So muss der
Veranstalter beispielsweise eine Liveübertragung im Fernsehen garantieren.
So eine Garantie ist aber nur in autoritären Staaten möglich, wo
Fernsehsender staatlichen Weisungen unterliegen. Zudem, so eine weitere
Vorschrift, muss die gesamte Eishalle völlig werbefrei sein.
Das mag gut gemeint sein, aber für einen Fernsehsender ist das unattraktiv
und teuer. Dazu werden noch hohe technische Standards verlangt wie
beispielsweise eine LED-Beleuchtung. Böse Zungen behaupten, diese
Bestimmungen seien genau auf die Halle von Peking, die für Olympia gebaut
wurde, zugeschnitten.
Mit Ausnahme des Männerwettbewerbs, wo China bereits zu den
Weltmeisterschaften ein Olympiaticket erlief, sind in den anderen drei
Wettkampfteilen chinesische Sportler am Start. Das dürfte in China für
großes Zuschauerinteresse sorgen, zumal die Sportart im Reich der Mitte
etliche Anhänger hat. Für Aufmerksamkeit sorgt auch, dass bei den Männern
und den Frauen russische Sportler unter neutraler Flagge am Start sind, die
seit 2022 [2][wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine
international nicht mehr startberechtigt sind], aber als enorm
leistungsstark gelten.
## Bühne für Kriegspropaganda
Die 18-jährige Adeliia Petrosian gilt als haushohe Favoritin auf den
Olympiasieg. Für ihren Mannschaftskameraden Petr Gumennik sollte das
Olympiaticket ebenfalls zu holen sein. In den Paardisziplinen hat das IOC
keine russischen Paare zugelassen. Offiziell begründet wurde das nicht,
aber es liegt auf der Hand, dass das an der Teilnahme der vom russischen
Verband vorgeschlagenen Paare an Veranstaltungen liegt, die den Krieg in
der Ukraine bejubelten.
Der Vorschlag von Ersatzpaaren nach der Ablehnung wurde vom IOC nicht
erlaubt. Eiskunstlauf ist in Russland sehr populär, mehrere ehemalige
Sportler, die Shows veranstalten, stehen der Politik des Kreml sehr nahe
und nutzen die Shows für Kriegspropaganda. So etwa der Olympiasieger von
2006 Jewgeni Pljuschtschenko. Oder die ehemalige Eistänzerin Tatjana Nawka,
die ebenfalls 2006 Olympiagold holte, heute mit Kreml-Sprecher Dmitri
Peskow verheiratet ist und auf Sanktionslisten der EU und der USA steht.
Die Deutsche Eislauf-Union schickt nur bei den Männern einen Kandidaten für
ein Olympiaticket nach Peking. Im Paarlaufen haben deutsche Paare bereits
zwei und im Eistanzen ein Olympiaticket bei den Weltmeisterschaften geholt,
mehr sind nach den Regeln ausgeschlossen. Bei den Frauen gibt es keine
Sportlerin mit einer Chance auf eine Olympiateilnahme.
Die hat aber der 17-jährige deutsche Juniorenmeister Genrikh Gartung. „Er
muss aber seine Bestleistung abrufen. [3][Seine Stärke sind die Sprünge]“,
sagt sein Oberstdorfer Trainer Niko Ulanovsky der taz. Letzte Saison war er
noch zu jung, um bei der WM anzutreten. Bei den Juniorentitelkämpfen holte
er mit seiner schwierigen Vierfach-Lutz-Dreifach-Toeloop-Kombination den
siebenten Platz.
## Für Deutschland startet ein Athlet ohne deutschen Pass
„Wir schicken mit Genrikh Gartung den Läufer ins Rennen, der die besten
Chancen hat, einen Olympiastartplatz für Deutschland zu sichern“, sagt
DEU-Sportdirektorin Claudia Pfeifer. Die Sache hat einen Haken. Denn ob
Gartung im Erfolgsfall selbst das Olympiaticket einlösen darf, ist völlig
offen. Denn Gartung hat keinen deutschen Pass, der eine Voraussetzung für
die Olympiateilnahme wäre.
Der Juniorensportler wuchs als Russlanddeutscher in Russland auf,
trainierte bis Mai in Moskau, wo er auch seinen Schulabschluss machte. Die
Anerkennung als Spätaussiedler, was den deutschen Pass bedeuten würde,
fehlt ihm. Da Gartung nach 1993 geboren wurde, bekommt er diese Anerkennung
nicht selbst, seine Eltern oder Großeltern müssen sich darum für die ganze
Familie bewerben und auch die dafür nötigen deutschen Sprachkenntnisse
nachweisen. Trainer Niko Ulanovsky hält das für möglich, denn eine Tante
seines Schützlings sei kürzlich anerkannt worden.
Genrikh Gartung selbst nimmt es sportlich, dass er das Olympiaticket zwar
erlaufen soll, es aber möglicherweise nicht einlösen kann. „Deutschland bei
der Olympiaqualifikation zu repräsentieren und um einen Quotenplatz für
Mailand zu kämpfen, ist eine große Ehre für mich und eine gute Möglichkeit,
mich auf der großen Bühne zu zeigen“, sagt er.
17 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] /Eiskunstlauf-Comeback-in-Oberstdorf/!5711654
DIR [2] /Eiskunstlauf-WM-ohne-Russland/!5839100
DIR [3] https://www.eislauf-union.de/de/media1/news/1213-genrikh-gartung-springt-mit-vierfach-lutz-kombi-zu-bronze-in-riga
## AUTOREN
DIR Marina Mai
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