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       # taz.de -- Buch „Mit Russland“: Rückenwind für Putins Lügen
       
       > Das Buch „Mit Russland“ erzählt vor allem das Märchen, der Westen sei
       > schuld am Ukraine-Krieg. Das ist so falsch wie gefährlich.
       
   IMG Bild: Findet strammstehende Soldaten gut: Putin bei einer Militärparade in Peking am 3.9.2025
       
       „Mit Russland“ ist ein erstaunliches Buch. Denn es geht darin überhaupt
       nicht um Russland, sondern um „den Westen“ und die angebliche Aggressivität
       der Nato, die angebliche Kriegsvorbereitung Deutschlands und um
       Ostmitteleuropa, das angeblich von seiner Gewaltgeschichte in die Irre,
       genauer gesagt in die Arme der USA getrieben worden wäre. Dabei habe es das
       „Östliche“ verloren, das es so dringend bräuchte, um heute als
       Friedensbrücke nach Russland zu dienen.
       
       Dass es überhaupt nicht um Russland geht und seinen Krieg und dass der
       [1][Überfall auf die Ukraine], die Kriegsverbrechen, auch nicht die
       innenpolitische Lage, die systematische Ausschaltung aller kritischen
       Medien, das Verbot aller NGOs und der Repressionsapparat als solche kaum
       benannt werden, ist insofern logisch: Keiner der drei Autoren ist
       Russlandexperte oder hat sich mit russischer Geschichte oder Politik
       auseinandergesetzt – geschweige denn Putins 25-jährige Herrschaft
       analysiert.
       
       Man könnte den dreien vorwerfen, dass sie eine langweilige
       deutsch-mitteleuropäische Nabelschau betreiben, wenn sie nicht mit ihren
       drei Essays das russische Narrativ bedienen würden: Die Nato hätte sich von
       einem Defensiv- zu einem Offensivbündnis gewandelt, Aufrüstung und
       Konfrontation seien ihr neues Leitbild. Ihr Ziel sei es, Russland
       einzukreisen und zu schwächen.
       
       Damit folgen die Autoren exakt den Argumenten Putins, Europa betreibe ein
       [2][„Anti-Russland-Projekt“], habe die Ukraine als Aufmarschplatz benutzt
       und dafür gesorgt, dass sich dort 2014 [3][„Faschisten“] an die Macht
       geputscht hätten. Russland sei deshalb keine andere Wahl geblieben, als die
       Ukraine zu überfallen.
       
       „Propagandisten des Krieges“ sind für die Autoren nicht die Herren im
       Kreml, sondern die Staatsführer in der EU. Wie Putin behaupten sie, es sei
       eine Tatsache, dass Großmächte Einflusszonen geltend machten, und für
       Russland gehöre nun einmal die Ukraine dazu.
       
       Jürgen Wendler übernimmt in seinem Text vollkommen unkritisch den
       Putin’schen Begriff von „dem Westen“. Statt ihn als Propagandapopanz zu
       entlarven, der westliche Demokratien in Verruf bringen soll, unterstellt er
       „dem Westen“, es ginge ihm nur vorgeblich um Freiheit und Demokratie in der
       Ukraine, tatsächlich aber um Wirtschaft und Macht. Die Zensurpraktiken und
       Bestrebungen, gegen missliebige Medien und Parteien vorzugehen, lokalisiert
       er nicht in Russland, sondern „im Westen“.
       
       Auch Stefan Luft schreibt einen Text, der stimmen würde, wenn überall da,
       wo er von Deutschland spricht, „Russland“ eingesetzt würde: Die mentale und
       organisatorische Vorbereitung auf den Kriegsfall fände überall an den
       Schulen, Universitäten und in den Kitas statt; Deutschland wäre auf dem Weg
       in eine militarisierte Gesellschaft.
       
       So wenig, wie Luft erläutert, was „der Westen“ ist, so wenig erklärt Jan
       Opielka, was „das Östliche“ ist, das die EU und die USA angeblich den
       ostmitteleuropäischen Staaten ausgetrieben hätten. Einmal mehr nennt er die
       längst widerlegte Behauptung als Tatsache, die Nato habe Gorbatschow
       versprochen, sich nicht weiter nach Osten auszudehnen.
       
       Damit bedient auch er die Kreml-Rhetorik, dass die Nato wortbrüchig
       geworden und Russland so nahe gerückt sei, dass es sich präventiv habe
       wehren müssen. Während Wendler es als rassistisch kritisiert, Putin
       imperialistische Bestrebungen nachzusagen, obwohl dieser sie bei jeder
       Gelegenheit offen kundtut – nicht zuletzt im Sommer 2021, als er auf 20
       Seiten ausführte, dass die Ukraine Teil Russlands sei –, stellt Opielka
       „den Westen“ als Imperium dar, das sich „nach Osten hin überdehnt“ habe:
       „Deshalb brach in der Ukraine Krieg aus.“
       
       Im Kreml dürfte man über dieses Buch begeistert sein; in Deutschland ist es
       brandgefährlich, weil es Putins Lügen salonfähig macht.
       
       18 Sep 2025
       
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