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       # taz.de -- Cannabis-Anbauvereine: Das Gras wächst nicht in den Himmel
       
       > Ein knappes Dutzend Anbauvereinigungen für Cannabis gibt es in Berlin.
       > Auf einer Veranstaltung präsentierten VertreterInnen die Probleme der
       > Praxis.
       
   IMG Bild: Mit brennender Geduld: Die Anbauvereinigungen wollen endlich richtig loslegen
       
       Berlin taz | Vor gut einem Jahr wurde ein SPD-Politiker zum Helden der
       Berliner Cannabis-Legalisierungsbewegung: Gordon Lemm, Gesundheitsstadtrat
       von Marzahn-Hellersdorf, erteilte der ersten Anbauvereinigung in Berlin die
       Genehmigung, legal Cannabis zu produzieren und an ihre Mitglieder zu
       verteilen. Damit ist es ihm zu verdanken, dass die Green Leaf Society
       bereits Anfang dieses Jahres die erste Ernte einfahren konnte.
       
       Eigentlich hat Lemm nur seinen Job gemacht – das aber zu einer Zeit, [1][in
       der überall große Konfusion herrschte], welche Berliner Behörde nun für die
       Bearbeitung der Anträge zuständig sei. Bis entschieden wurde, diesen Job
       dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) zu übertragen, vergingen
       Monate. Die Green Leaf Society hatte das als einzige Anbauvereinigung nicht
       mehr weiter zu kümmern, sie hatte die Genehmigung in der Tasche und
       startete damit lange vor den mittlerweile zehn weiteren Anbauvereinigungen,
       die sich inzwischen auch amtlich beglaubigt der Aufzucht von Hanfpflanzen
       widmen dürfen.
       
       Auf einer Podiumsdiskussion in der linken Bildungseinrichtung Helle Panke
       beschrieb Jana Halbreiter, Vorstandsvorsitze der Green Leaf Society und
       Vorstandsmitglied der Anbauvereinigungen Deutschlands, am Dienstagabend den
       ganzen mühsamen Weg, den sie und ihr Verein gegangen sind. Anschließend
       wurde mit der Cannabis-Präventionsexpertin Dinah Rogge und Klaus Lederer,
       drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, noch
       einmal grundsätzlich die Teillegalisierung diskutiert, deren Umsetzung
       bundesweit nur schleppend vorangeht.
       
       Vor allem stockt es bei den Anbauvereinigungen, die laut Gesetz eigentlich
       den Konsumentenbedarf decken sollen, um so den Schwarzmarkt auszutrocknen.
       Inzwischen gebe es bundesweit mehr als 300 Genehmigungen für
       Anbauvereinigungen, so Jana Halbreiter, ein paar davon sogar in Bayern.
       Aber viele hätten nun neben der ganzen Bürokratie auch noch Probleme mit
       Bauämtern. Unzählige Auflagen seien zu erfüllen, und nicht selten zeigten
       die Behörden keinen besonderen Eifer dabei, pragmatische Lösungen im Sinne
       der Anbauvereinigungen zu finden.
       
       Bei der Veranstaltung wurde regelrecht ein „Best of“ der Absurditäten
       präsentiert, mit denen sich die Anbauvereinigungen herumzuschlagen haben.
       Allen voran die Abstandsregel: Sie soll verhindern, dass Cannabis in
       unmittelbarer Nähe zu Einrichtungen angebaut oder abgegeben wird, die von
       Jugendlichen frequentiert werden. Mit den gebotenen 200 Metern, so
       Halbreiter, sei es in der Innenstadt so gut wie unmöglich, passende Orte
       anzumieten.
       
       ## Dem 160-Seiten-Gesetz gerecht werden
       
       Die Vorständin hatte außerdem einen Film mit dabei, der erklärt, wie
       kompliziert der Aufbau einer Anbauvereinigung ist. Erzählt wird in der
       Eigenproduktion die ganze Geschichte der Green Leaf Society, sogar SPD-Mann
       Gordon Lemm hat darin seinen Auftritt. Was man bei diesem Blick hinter die
       Kulissen vorgeführt bekommt, sieht echt nach Arbeit aus. Alles muss
       dokumentiert, jede noch so merkwürdige Regelung beachtet werden. „Man ist
       dauernd damit beschäftigt, einem 160-Seiten-Gesetz gerecht zu werden“,
       sagte Halbreiter über ihre Arbeit – und das alles auch noch ehrenamtlich,
       weil es der Gesetzgeber so vorgibt.
       
       Kein Wunder, dass sie über die Entwicklung beim medizinischen Cannabis
       nicht sehr begeistert ist. Aus dem Publikum wurde sie gefragt, wie sie dazu
       stehe, dass immer mehr Konsumenten und Konsumentinnen Cannabis [2][einfach
       über Onlineplattformen und spezielle Apotheken beziehen]. Das sei, so
       Halbreiter, vor allem „Rezeptmissbrauch“. Sie stellte die Frage in den
       Raum, wieso es kommerziellen Anbietern so leicht „und uns so schwer
       gemacht“ werde.
       
       Klaus Lederer wies zudem noch auf das Werbeverbot hin, dem
       Anbauvereinigungen unterliegen – anders als die Telemedizin. Das Verbot sei
       falsch, so Lederer, weil der Gesetzgeber eigentlich ein Interesse daran
       haben sollte, dass Konsumenten und Konsumentinnen von Anbauvereinigungen
       erfahren, die verantwortungsbewusst und unter Einbeziehung von
       Suchtprävention gute Ware abzugeben hätten.
       
       Am Lageso gehe es derweil bei der Bearbeitung weiterer Genehmigungen weiter
       nur schleppend voran, so eine Klage aus dem Publikum. Da stellt sich
       natürlich die Frage, ob das überhaupt nochmal was wird mit den
       Anbauvereinigungen im großen Stil, wenn immer mehr Leute zu den Apotheken
       abwandern, wo man keinem Verein beitreten muss, um abends mal einen Joint
       zu rauchen. Einfach angeben, dass man an Schlafstörung leidet – ein paar
       Stunden später kommt die Ware per Express zu Hause an.
       
       18 Sep 2025
       
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