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       # taz.de -- Sanktionen gegen Israel: Spanien sollte Vorbild sein
       
       > Obwohl immer mehr Experten von Genozid in Gaza sprechen, scheut sich
       > Deutschland vor Maßnahmen gegen Israel. Spanien zeigt uns, wie es gehen
       > könnte.
       
   IMG Bild: Spanien hat im Gegensatz zu Deutschland eine klare Haltung zu Israel und seinem andauernden Genozid
       
       Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez ist einer der wenigen europäischen
       Regierungschefs, [1][der Maßnahmen ergreift, mit dem Ziel, den Krieg in
       Gaza zu stoppen]. Nach der Anerkennung Palästinas als Staat im Mai 2024
       legte der Chef der in Minderheit regierenden Linkskoalition vergangene
       Woche einen Neun-Punkte-Katalog vor, mit dem er Druck auf die Regierung von
       Benjamin Netanjahu ausüben will, damit diese dem „Völkermord“ – wie Sánchez
       den Krieg in Gaza offen nennt – Einhalt gebietet.
       
       Die Maßnahmen umfassen ein Einreiseverbot für diejenigen, „die am Genozid
       beteiligt sind“, ein Waffenembargo, wie es Madrid schon länger von der
       Europäischen Union fordert, sowie das Verbot für Schiffe mit Material für
       die israelische Armee, in Spanien anzulegen. Damit stellt sich Madrid offen
       gegen die USA, die an der spanischen Südküste eine Marinebasis unterhalten.
       
       Die Linkskoalition aus den Sozialisten von Sánchez und dem
       linksalternativen Bündnis Sumar reagiert damit nicht zuletzt auf den
       sozialen Unmut in Spanien. Denn die Proteste gegen Israel nehmen zu. So
       mussten die meisten Etappen der Spanienrundfahrt – eines der wichtigsten
       Radrennen weltweit – [2][vorzeitig beendet werden]. Menschen mit
       Palästinafahnen blockierten die Strecke. Sie fordern, dass das Team Israel
       – Premier Tech ausgeschlossen wird, und verweisen auf den Boykott gegen
       Russland aufgrund des Krieges gegen die Ukraine.
       
       Im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses schlossen sich in Madrid Dutzende
       Lehrer im Kulturzentrum Círculo de Bellas Artes ein. Sie verlasen die Namen
       der über 18.000 Kinder und Jugendlichen, die in Gaza bei Schulbeginn nicht
       dabei sein werden. Sie wurden Opfer der israelischen Bomben und des
       Hungers. Die Presse berichtete ausführlich.
       
       ## Was die Bevölkerung will, ist eindeutig
       
       Die Stimmung in Spanien ist eindeutig. In einer Umfrage des Real Instituto
       Elcano, eines Thinktanks für internationale Politik und Strategie,
       bezeichneten 82 Prozent der Befragten das Vorgehen Israels als Völkermord.
       Die letzten, immer unerträglicheren Bilder aus Gaza, die Vertreibung der
       Bevölkerung aus der Hauptstadt und deren Zerstörung dürften diese Zahl eher
       noch nach oben getrieben haben. Auch wenn Spaniens Rechte weiter hinter
       Israel steht, ein überwältigender Teil ihrer Wähler*innen tut dies
       nicht.
       
       Sánchez weiß sehr wohl, dass Spanien alleine nicht die Kraft haben wird, um
       Israel zu stoppen. Doch er will, dass sein Land „auf der richtigen Seite
       der Geschichte“ steht. Israel verhängte im Gegenzug zu den Maßnahmen
       Madrids für die Vizeregierungschefin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz und
       die Ministerin für Jugend und Kindheit, Sira Rego – beide von Sumar –, ein
       Einreiseverbot und beschimpfte Sánchez als „Antisemiten“, obwohl der
       spanische Premier auch deutliche Worte gegen die Hamas findet.
       Antisemitismus ist damit einmal mehr das Hammerargument, wenn nichts mehr
       geht.
       
       Als Sánchez im Mai 2024 ankündigte, Palästina als Staat anerkennen zu
       wollen, reagierte Tel Aviv ähnlich, und der Spanier wurde in so mancher
       europäischen Hauptstadt kritisch beäugt, gar offen angefeindet. Ein Jahr
       später haben viele nachgezogen, andere – [3][wie Frankreich] oder
       Großbritannien – stellen eine Anerkennung in Aussicht. Allerdings ist dies
       mittlerweile ein symbolischer Akt, der angesichts der Entwicklung viel zu
       kurz greift. Ein Trümmerfeld hat als Staat keine Chance, selbst wenn
       Netanjahu dies zulassen würde.
       
       ## Deutschland schaut weiter zu
       
       Andere Länder – darunter Deutschland oder Österreich – [4][schauen einfach
       zu], wie Netanjahu und seine rechtsextremen Partner einen Krieg führen, der
       weit über das hinausgeht, was internationales Recht unter Krieg versteht.
       Jede noch so kleine Maßnahme gegen die israelische Regierung wird dort heiß
       diskutiert und verläuft dann im Sande. Eine Untätigkeit, die sich durch
       nichts – auch nicht mit „Staatsraison“ aufgrund der eigenen Vergangenheit –
       entschuldigen lässt. Es ist unerklärlich und unerträglich, dass so viele –
       anders als bei Russland – untätig bleiben.
       
       Nur zur Erinnerung: Bisher sind mehr als 63.000 Tote und mehr als 159.000
       Verletzte in Gaza zu beklagen. Hinzu kommt die gezielte Einschränkung von
       Lebensmittellieferungen, die dazu führt, dass rund 250.000 Menschen von
       Unterernährung bedroht sind. Zwei Millionen Menschen wurden aus ihren
       Wohnungen vertrieben. Kein Ort in Gaza ist mehr sicher. Das ist längst kein
       Kampf gegen eine Terrorgruppe mehr. Es fällt schwer, dieses gezielte
       Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung nicht in eine Kategorie wie
       „Völkermord“ zu fassen.
       
       Und gerade wer sich wirklich – sei es aus eigener „Staatsraison“ oder aus
       anderen Gründen – Sorgen um Israel macht, der sollte sich den Maßnahmen
       gegen Netanjahu anschließen. Israel baute seit seiner Gründung
       international auf eine moralische Unterstützung und Sympathie, die
       vermutlich genauso wichtig ist wie die materielle Unterstützung aus Ländern
       wie den USA oder Deutschland. Diese Sympathie hat Netanjahu längst
       verspielt. Und die materielle Unterstützung, wie Waffenlieferungen an die
       Armee, alleine ist langfristig kein Garant für ein demokratisches Israel,
       wie wir es kannten.
       
       ## Andere müssen jetzt nachziehen
       
       Zehntausende haben bereits vor dem Gazafeldzug – während der autoritären
       Justizreform Netanjahus – das Land verlassen. Der Krieg dürfte diese
       Entwicklung nur noch verstärken. Dies verschiebt das Kräfteverhältnis im
       Land noch deutlicher in Richtung ultrareligiöser und rechtsextremer
       Strömungen, die nur eine Lösung im Sinne haben: Großisrael ohne
       Palästinenser. Kein gutes Zeichen, nicht nur für Israel, und schon gar
       nicht für die Region.
       
       Deshalb bleibt zu hoffen, dass die Schritte, die der spanische Premier
       Sánchez und seine Linkskoalition jetzt beschlossen haben, einmal mehr – wie
       bei der Anerkennung Palästinas – Vorbildcharakter haben werden und andere
       Länder bald nachziehen.
       
       17 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Spanische-Ruestungsimporte/!6084110
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   DIR [3] /Frankreich-zu-Palaestinenserstaat/!6103658
   DIR [4] /Eskalation-in-Gaza/!6107501
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
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