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       # taz.de -- Bodenoffensive in Gaza-Stadt: EU-Kommission will Sanktionen gegen Israel
       
       > In Reaktion auf die israelische Bodenoffensive in Gaza-Stadt schlägt die
       > Kommission Handelssanktionen vor. Die Bundesregierung reagiert
       > zurückhaltend.
       
   IMG Bild: Da kommt noch mehr: Israelische Panzer warten am Mittwoch an der Grenze zu Gaza
       
       Brüssel taz | Lange wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
       (CDU) nichts von Sanktionen gegen Israel wissen. Wie Bundeskanzler
       Friedrich Merz (CDU) stand sie fest an der Seite Israels. Eine eher
       symbolische Maßnahme – [1][die Aussetzung des Forschungsprogramms Horizon]
       scheiterte am Widerstand der EU-Staaten, darunter Deutschland.
       
       Nun wagt die EU-Kommission einen Alleingang: Am Mittwoch wurden bilaterale
       Finanzhilfen im Wert von 20 Millionen Euro im Jahr auf Eis gelegt. Außerdem
       schlug die EU-Kommission vor, Handelssanktionen zu verhängen. Diese müssen
       allerdings noch von den EU-Mitgliedern gebilligt werden, mit qualifizierter
       Mehrheit: Deutschland kann die Maßnahme also nicht mit einem Veto stoppen.
       
       Die EU ist Israels wichtigster Handelspartner. Der gesamte Warenhandel
       belief sich 2024 laut EU-Kommission auf 42,6 Milliarden Euro. Die Importe
       hatten einen Wert von 15,9 Milliarden Euro. Für Deutschland fällt der
       Handel mit Israel indes kaum ins Gewicht: Das Land belegte 2024 Platz 47
       auf der Rangliste der 238 Handelspartner.
       
       Von der Leyen begründete ihre Entscheidung mit eklatanten, anhaltenden
       Verstößen gegen Artikel 2 des Partnerschaftsabkommens, das Israel zur
       Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet. „Die entsetzlichen Dinge, die
       sich täglich im Gazastreifen abspielen, müssen aufhören“, erklärte sie. Es
       müsse einen sofortigen Waffenstillstand und ungehinderten Zugang für
       humanitäre Hilfe geben. Sie forderte auch die sofortige Freilassung aller
       von der Hamas festgehaltenen israelischen Geiseln.
       
       ## Zivilgesellschaft ausgenommen
       
       Die israelische Zivilgesellschaft wird von den Sanktionen ausgenommen. Auch
       beim Handel wäre die Strafe nicht so hart, wie sie auf den ersten Blick
       klingt. Der Kommerz würde, wenn die EU-Staaten zustimmen, nämlich nicht
       vollständig eingestellt. Nur der bisher gewährte Freihandel wäre
       suspendiert; die EU würde künftig die für Drittstaaten üblichen Zölle
       erheben. Nach Angaben eines Kommissionsvertreters würde dies in etwa 37
       Prozent der Importe aus Israel treffen – vor allem landwirtschaftliche
       Produkte wie Datteln, Obst und Nüsse.
       
       Außerdem soll es nach dem Willen der EU-Kommission neue Sanktionen gegen
       gewalttätige israelische Siedler im Westjordanland und extremistische
       Minister geben. Brüssel zielt insbesondere auf Finanzminister Bezalel
       Smotrich und den Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir ab.
       Diese Sanktionen müssten einstimmig beschlossen werden. Deutschland könnte
       sie also blockieren.
       
       [2][Einige EU-Staaten wie Belgien haben bereits eigene bilaterale
       Strafmaßnahmen verhängt.] Spanien fordert sogar den Ausschluss Israels vom
       [3][European Song Contest.] Andernfalls will das Land den ESC boykottieren
       – ähnlich wie Irland, Slowenien, Island und die Niederlande. Zu den
       härtesten Gegnern der Sanktionen zählen neben Deutschland auch Österreich,
       Ungarn und Tschechien.
       
       In Brüssel ist der Vorstoß der EU-Kommission kaum noch umstritten. Von der
       Leyen hatte ihn schon in ihrer Rede zur Lage der Union in der vergangenen
       Woche in Straßburg angekündigt. Nur CDU/CSU und rechtsradikale Parteien im
       Europaparlament sprachen sich gegen Sanktionen aus. Demgegenüber hatten die
       Sozialdemokraten, die von einer Spanierin geführt werden, eine härtere
       Gangart angemahnt.
       
       ## Apell an deutsche Bundesregierung
       
       Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte die Mitgliedstaaten zuletzt
       beschuldigt, die aus ihrer Sicht überfälligen Beschlüsse unnötig zu
       blockieren. Sie appellierte ausdrücklich an die deutsche Bundesregierung:
       „Wenn wir uns einig sind, dass die Lage unhaltbar ist und wir die
       israelische Regierung zum Kurswechsel bringen wollen, dann müssen wir
       klären: Was können wir dafür tun?“, sagte Kallas in einem Interview mit
       Euronews.
       
       Die deutsche Regierung reagierte zurückhaltend auf die Sanktionsvorschläge
       der EU-Kommission. „Die Bundesregierung hat sich noch keine abschließende
       Meinung darüber gebildet“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am
       Mittwoch in Berlin. Die Erwartungshaltung, dass Sanktionen eine Veränderung
       der israelischen Politik auslösen könnten, sei „möglicherweise überzogen“.
       Die Grundhaltung der Bundesregierung sei, „dass wir die Gesprächskanäle zu
       Israel offenhalten wollen“.
       
       Der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic hatte zuvor dafür plädiert, den Weg
       für europäische Handelssanktionen gegen Israel freizumachen. Der Einmarsch
       in Gaza-Stadt sei ein weiterer Bruch des Völkerrechts, sagte Ahmetovic im
       Deutschlandfunk. Auch Grünen-Chefin Franziska Brantner erwartet von der
       Bundesregierung Unterstützung für ein härteres europäisches Vorgehen:
       „Appelle und Aufforderungen werden der Situation in Gaza und auch der
       Westbank nicht mehr gerecht, auch die Situation der Geiseln wird jeden Tag
       hoffnungsloser“, sagte Brantner der Deutschen Presse-Agentur.
       
       17 Sep 2025
       
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