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       # taz.de -- Spardebatte in Berlin: Demokratie leider zu teuer
       
       > Die Jugendbildungsstätten würden gern alle Schüler*innen erreichen. Im
       > vergangenen Jahr hatten sie aufgestockt, jetzt müssen sie nun wieder
       > kürzen.
       
   IMG Bild: Viele Dinge – so wie hier eine Murmel rollen lassen – gehen nur gemeinsam. Junge Menschen lernen das in der politischen Bildung
       
       BERLIN taz | Was Demokratie ist, das lernen Kinder und Jugendliche im
       gemeinsamen Austausch. Und an konkreten Orten, etwa in
       Jugendbildungsstätten. Das sind Häuser, in denen Jugendliche auch
       übernachten und wo sie sich fernab von Schule und angeleitet von jungen
       Gruppenleiter*innen mit selbst gewählten Themen auseinandersetzen.
       Jugendbildungsstätten bereiten auf die Berufswahl vor, organisieren
       internationalen Jugendaustausch sowie gemeinsame Sport- und
       Freizeitangebote.
       
       Ihr [1][Auftrag ist umfassend: Sie sollen junge Menschen in ihrer
       „Urteilsbildung] über gesellschaftliche und politische Vorgänge und
       Konflikte“ unterstützen. Und sie sollen „Kenntnisse über Gesellschaft und
       Staat, europäische und internationale Politik“ vermitteln und Wissen über
       „politisch, kulturell, technisch und sozial bedeutsame Entwicklungen in
       allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“. So steht es in der
       entsprechenden Förderrichtlinie.
       
       Jede Schülerin und jeder Schüler in Berlin sollte wenigstens einmal eine
       der hiesigen Jugendbildungsstätten besucht haben, das ist deren langjährige
       Forderung. Die Einrichtungen sind ein eigenständiger Teil des Berliner
       Bildungswesens, die Bildungsverwaltung ist gesetzlich dazu verpflichtet,
       sie zu fördern. Die Arbeit der Jugendbildungsstätten ist bedeutsam
       angesichts der immer wieder vorgebrachten Forderung, dass Kinder mehr
       Demokratiebildung erhalten sollten. Diese kommt zuverlässig, wenn es um
       Rechtsruck, Jugendgewalt oder Politikverdrossenheit geht. Doch ein Großteil
       der Berliner Schüler*innen kommt nie in eine der Einrichtungen, darunter
       die [2][alte Feuerwache in der Kaubstraße, Haus Kreisau oder das Haus der
       Sportjugend].
       
       Die Bildungsstätten haben es ausgerechnet: Es bräuchte Mittel und
       Ressourcen für 160.000 Programmtage, damit wirklich alle Kinder und
       Jugendliche zwischen 12 und 21 Jahren zumindest einmal in ihrer
       Schullaufbahn an einem 5-Tages-Workshop teilnehmen können. „Tatsächlich
       konnten 2024 alle sieben Einrichtungen 36.990 Programmtage anbieten“, sagt
       Roman Fröhlich. Er ist pädagogischer Leiter beim Wannsee Forum, Berlins
       ältester Jugendbildungsstätte. Sie hätten damit etwa 23 Prozent der
       anvisierten Altersgruppe erreicht, sagt er. Vorher, mit deutlich weniger
       Geld und weniger Tagen, seien es sogar nur 18 Prozent der Schüler*innen
       gewesen.
       
       ## Eine Million wieder weg
       
       „Wir hatten 2024 ein gutes Jahr“, sagt Fröhlich. „Die Politik hatte gerade
       ihre Förderung deutlich erhöht.“ Doch davon sei ihnen im laufenden Jahr
       bereits eine Million wieder gestrichen worden. Und für 2026 sei schon
       angekündigt, dass sie noch mal 500.000 Euro weniger bekommen. Damit könnten
       sie im kommenden Jahr 27.850 Programmtage umsetzen.
       
       „Das geht jetzt wieder in die komplett andere Richtung. Und von überall
       wird uns signalisiert, dass ein Ende der Kürzungen noch nicht erreicht
       ist“, sagt Fröhlich. Dabei seien die Angebote schon jetzt nicht voll
       finanziert. So müssten sie teils bei ihren Angeboten kürzen, um
       Tarifsteigerungen bei den Löhnen umzusetzen. „Unseren Auftrag können wir so
       kaum erfüllen“, sagt er.
       
       Was den Jugendbildungsstätten widerfährt, ist ein Symptom für die
       [3][verheerende Kürzungspolitik des Senats im Bildungsbereich].
       Insbesondere in der politischen, kulturellen und [4][queeren Bildung], bei
       Medienbildung und [5][außerschulischen Angeboten sollen Millionenbeträge
       wegfallen].
       
       [6][Freie Träger und Initiativen protestieren seit Monaten] dagegen. Sie
       monieren, dass im Vorfeld kein Dialog stattgefunden habe. Ihr Problem ist
       auch, dass [7][noch immer intransparent ist, wo am Ende überhaupt Mittel
       wegfallen]. Denn wie [8][Ende August bekannt wurde, listet die
       Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie im Entwurf zu ihrem
       Teilhaushalt] nur noch Budgets auf, sogenannte Thementöpfe. Damit ist
       völlig unklar, welche konkreten Träger am Ende wie viel Geld bekommen
       werden und welche Träger und Projekte vielleicht ganz herausfallen.
       
       ## Grüne laden zum Krisengipfel
       
       „Dieser Haushalt ist eine Absage an Kinder, Jugendliche und Familien“, sagt
       deshalb Louis Krüger, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im
       Abgeordnetenhaus. Gemeinsam mit seiner Parteikollegin, der Sprecherin für
       Jugendpolitik Klara Schedlich, hat er am Dienstagabend ins Abgeordnetenhaus
       [9][zu einem „Krisengipfel Bildung“] geladen. Trägern und Initiativen
       wollen sie so die Möglichkeit geben, sich auszutauschen und den
       Abgeordneten ihre Fragen und Bedürfnisse mitzuteilen.
       
       „Keine dieser Kürzungen müsste so in dieser Art erfolgen“, sagt Krüger. „Es
       wird an allem gespart, was Kindern und Jugendlichen Spaß macht“, fügt er
       an. Dabei sei es gerade nach den Jahren der Pandemie fatal, zu denken, es
       reiche aus, Kinder darauf vorzubereiten, in Schule und Arbeitswelt zu
       funktionieren.
       
       Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch spricht von einem „Angriff
       auf die Zivilgesellschaft und die Demokratie“. Im Rekordhaushalt [10][setze
       die schwarz-rote Koalition auf Repression statt Prävention], denn Geld für
       Videoüberwachung oder neue Polizeihelme sei da. „Die Kürzungen sind
       inhaltlich gewollt und eine absichtliche politische Weichenstellung“, heißt
       es von den Grünen. Eine solche Politik richte sich deutlich gegen eine
       kritische und unbequeme Zivilgesellschaft, die sich in Berlin solidarisch
       mit den Schwächeren und Ausgeschlossenen zeige.
       
       Denn zur Wahrheit gehört auch, dass freie Träger schon längst wichtige und
       eigentlich staatliche Aufgaben übernehmen – etwa Demokratiebildung oder
       Arbeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Und diese Arbeit ist
       weit wirkungsvoller, wenn sie früh ansetzt und möglichst viele erreicht.
       
       17 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Horte-der-Bildung/!5350006/
   DIR [2] https://ljrberlin.de/landesjugendring/jugendbildungsstaetten
   DIR [3] /Kuerzungen-in-Berlin-/!6096470
   DIR [4] /Sparkurs-in-Berlin/!6048609
   DIR [5] /Bildungsprojekte-ohne-Finanzierung/!6067304
   DIR [6] /Bildungspolitik-in-Berlin/!6068652
   DIR [7] /Kuerzungen-in-Berlin/!6097448
   DIR [8] /Kuerzungsplaene-in-Berlin/!6108056
   DIR [9] https://gruene-fraktion.berlin/pressemitteilungen/haushalt-2026-27-kuerzungen-bei-bildung-jugend-und-familie-sind-ein-fatales-signal/
   DIR [10] /Praevention-und-Opferschutz/!6112264
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uta Schleiermacher
       
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