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       # taz.de -- Oberbürgermeisterwahl in Sachsen: Ehemaliges NPD-Mitglied will Meißener Rathaus erobern
       
       > Im sächsischen Meißen will die AfD einen Neonazi ins Amt hieven. Doch es
       > gibt Widerstand. Am Sonntag wird gewählt.
       
   IMG Bild: Die AfD schickt für die Wahl des Oberbürgermeisters in Meißen am 7. September 2025 den parteilosen René Jurisch ins Rennen
       
       Leipzig taz | René Jurisch ist kein Mitglied der AfD. Denn er kann es nicht
       so einfach werden, da er vor 25 Jahren bei der NPD war: Die Neonazi-Partei
       steht bei der rechtsextremen Partei auf der Unvereinbarkeitsliste. Trotzdem
       darf Jurisch am kommenden Sonntag als parteiloser Kandidat der AfD bei der
       Wahl des Oberbürgermeisters in Meißen antreten. Damit sorgt er für allerlei
       Aufregung – nicht nur wegen seiner NPD-Vergangenheit.
       
       Da ist zum Beispiel das Tattoo auf seiner linken Schulter: eine
       [1][Schwarze Sonne]. Das Symbol wirkt zwar altertümlich-germanisch, ist
       aber eine Erfindung esoterischer Kreise der SS unter Heinrich Himmler.
       Heute ist es vor allem in der Neonazi-Szene verbreitet, etwa als Ersatz für
       das verbotene Hakenkreuz. Ob Jurisch das weiß? Eine Anfrage der taz lässt
       er unbeantwortet.
       
       Es gibt Menschen in Meißen, die sind überzeugt davon, dass Jurisch
       neonazistisches Gedankengut pflegt. Er spiele es nur herunter, weil sich
       damit keine Wahl gewinnen lässt. In seinem Auftreten, seinen Aussagen und
       Social-Media-Posts blitze immer wieder durch, wie Jurisch eigentlich denkt.
       Maria Fagerlund [2][vom Verein „Buntes Meißen“] sagt der taz zum Beispiel:
       „Jurisch ist ein waschechter Neonazi.“ Zudem sei er autoritär und
       cholerisch. „Wer nicht seiner Meinung ist, muss Angst haben.“
       
       Doch Tatsache sei auch, erklärt Fagerlund, Jurisch gelte bei vielen als
       Kumpel-Typ, der zuhört und dessen Bauunternehmen den lokalen Fußballverein
       sponsert. Dass sich beim Eisbaden die Schwarze Sonne auf seiner Schulter
       zeigt, störe die nicht. Vergangenes Jahr bei der Stadtratswahl bekam
       Jurisch unter allen Kandidat:innen am meisten Direktstimmen. Die AfD
       ging aus der Stadtratswahl 2024 als stärkste Partei hervor und stellt mit 9
       Abgeordneten ein Drittel des Rates.
       
       ## Unterstützung gegen Jurisch aus allen Lagern
       
       Rund 22.900 Meißner:innen dürfen am 7. September abstimmen, wer sie in den
       nächsten sieben Jahren als Oberbürgermeister vertritt. Die Große Kreisstadt
       ist international bekannt für das erste europäische Porzellan, die schöne
       Lage an der Elbe und eine bewegte [3][Geschichte als „Wiege Sachsens“]. Der
       bisherige Oberbürgermeister, Olaf Raschke (parteilos), tritt nicht mehr an.
       Neben Jurisch kandidieren der FDP-Politiker Martin Bahrmann und der
       parteilose Markus Renner.
       
       Bahrmann ist seit 2014 Stadtratsmitglied und bewarb sich schon bei der
       letzten Wahl 2018. Damals [4][bekam er knapp 15 Prozent und] damit etwas
       mehr als der damalige AfD-Kandidat.
       
       Markus Renner ist seit 2016 Bürgermeister in Meißen und als solcher unter
       anderem verantwortlich für Finanzen, Ordnung oder Tourismus. Im Juni
       sicherten ihm fast alle anderen der 26 Stadtratsmitglieder zu, seine
       Kandidatur zu unterstützen, nur die AfD und Mitbewerber Bahrmann fehlten.
       Von der CDU über die „Bürger für Meißen“, der sich die Grünen angeschlossen
       haben, bis zur Fraktion SPD/Linke hieß es, der 45-jährige Renner habe die
       meiste Verwaltungserfahrung und sei der beste Kandidat. Außerdem ist er
       kein Mann der AfD.
       
       Jurisch bekommt derweil über die Stadtgrenzen hinaus Unterstützung.
       Prominente AfD-Mitglieder aus der ganzen Bundesrepublik rufen in kurzen
       Videos zu seiner Wahl auf. Sachsens Landesvorsitzender Jörg Urban und
       Bundesvorsitzender Tino Chrupalla besuchten Meißen im August. Der AfD ist
       es offenbar besonders wichtig, dass ihr Kandidat ins Amt kommt.
       
       Das rechtsextreme Compact-Magazin hat ein 15-minütiges Video mit Jurisch
       veröffentlicht. Dabei drehten sie offenbar ohne Erlaubnis auf dem privaten
       Weinberg von Alexandra und Georg Prinz zur Lippe und nutzten ohne
       Genehmigung das Logo der berühmten Porzellan-Manufaktur Meissen. Ehepaar
       und [5][Unternehmen haben rechtliche Schritte angekündigt]. Compact sträubt
       sich zwar, hat aber zumindest die eingeblendeten Logos mittlerweile
       unkenntlich gemacht.
       
       ## Pistolen, Patronen und Südstaaten-Kriegsflagge
       
       Der Wahlkampf zeigt sich auch bei Jurisch auf Social Media. Dort postet er
       Fotos von sich, lächelnd am Infostand, beim Plakate hängen oder beim
       Vereinsbesuch.
       
       Früher waren die Fotos noch etwas anders. Eine Trump-Kappe, Jurisch in
       Uniform des Schützenvereins, Pistolen und Patronen, seine Harley-Davidson
       mit historischem Gewehr. Jurisch mit Sonnenbrille und vermummt mit der
       Kriegsflagge der Südstaaten. Die ist auch als „Konföderiertenflagge“
       bekannt und steht in den USA vor allem für Sklaverei und Rassismus. Jurisch
       schrieb dazu: „Keinen Millimeter nach links“.
       
       Vergangenes Jahr gefiel Jurisch ein Post bei Facebook, in dem es hieß, in
       den „guten alten Zeiten“, hätten „5 Mann in Springerstiefel“ gereicht, um
       die Ausländer in Ostdeutschland in der Spur zu halten. Jurisch
       kommentierte: „Wir holen uns unser Land zurück!“
       
       Der Post und Jurischs Kommentar stehen auch auf einem anonymen Flyer, der
       seit Tagen in Meißner Briefkästen landet. Jurisch sei „weder menschlich
       noch fachlich geeignet, und Menschen in Meißen zu vertreten“. Um das zu
       untermauern, enthält der Flyer Posts und Fotos, die Jurisch online
       veröffentlicht hat. Auf einem Bild posiert Jurisch mit einem scheinbar
       blutbesudelten T-Shirt mit der Aufschrift „Problem gelöst“ – er hat das
       Bild selbst in den sozialen Medien gepostet.
       
       ## NPD-Vergangenheit? Jugendsünde.
       
       Als Jurisch vergangenen Donnerstag beim [6][Wahlforum der Sächsischen
       Zeitung] auf seine Zeit in der NPD angesprochen wurde, reagierte er
       genervt. Er wiederhole sich, aber das mit der NPD, das sei eine
       „Jugendsünde“ gewesen. Er war damals fast dreißig. Ausgetreten sei er dann
       wegen zwei Punkten: Zum einen die Hetze gegen Israel und zum anderen „der
       sozialistische Kurs“ in der NPD. Das habe zu ihm als Unternehmer nicht
       gepasst.
       
       Nach seinem Austritt aus der NPD war Jurisch über Jahre Chef eines Vereins
       zur „germanischen Brauchtumspflege“ mit Namen „Schwarze Sonne Meißen“.
       Jurisch selbst sagte dem MDR kürzlich, der Verein habe keine politischen
       Ziele verfolgt. Der Verfassungsschutz in Sachsen hatte die Schwarze Sonne
       allerdings im Blick. 2006 wurde der Verein aufgelöst.
       
       Das Wahlforum am Donnerstag verfolgte vor Ort auch Daniel Bahrmann. Er ist
       Stadtratsmitglied der SPD, Fotograf und hat nur zufällig den gleichen
       Nachnamen wie der FDP-Kandidat. Die lauten Sprüche von Jurisch, glaubt
       Bahrmann von der SPD, das sei im Meißner Wahlkampf kein Nachteil. „Ich
       fürchte, viele finden das gut.“
       
       Aber was ist mit Aktionen wie dem Flyer über die Posts von Jurisch, ändert
       das etwas? Bahrmann halte es für wichtig, dass Bürger:innen solche
       Informationen haben und wissen, wer zur Wahl steht. Vielleicht rege das zum
       Nachdenken an. Aber er vermute, so ein Flyer führe eher zu reflexhafter
       Solidarisierung.
       
       Die Kompetenz der Kandidaten spiele für Jurischs Unterstützer:innen
       weniger eine Rolle, meint Bahrmann. „Es gibt da so einen Spruch: Die AfD
       könnte einen Stein blau anstreichen und aufstellen, der würde auch
       gewählt“, sagt er. Entscheidend sei, „denen da oben“ eins auszuwischen.
       „Dabei sägen sie am eigenen Ast.“
       
       Maria Fagerlund vom Verein „Buntes Meißen“ sagt, sie sehe der Wahl am
       Sonntag mit gemischten Gefühlen entgegen. „Dem Oberbürgermeister muss
       ehrlich an einer lebenswerten Stadt für alle gelegen sein“, findet sie.
       Jurisch hat bereits klargemacht, wenn er gewinnt, haben es
       Demokratieprojekte wie „Buntes Meißen“ schwerer. Fagerlund hofft, dass es
       nicht so weit kommt.
       
       1 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Faschistische-Symbole-erkennen/!5512652
   DIR [2] https://www.buntes-meissen.de/index.php/2025/07/07/brandanschlag-und-volksverhetzende-botschaften-angriff-auf-das-gelaende-des-buntes-meissen-e-v/
   DIR [3] /Plaene-der-AfD-in-Meissen/!5857260
   DIR [4] /Buergermeister-Wahl-in-Meissen/!5538379
   DIR [5] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/meissen/rechtsstreit-porzellan-manufaktur-rechtsextrem-compact-100.html
   DIR [6] https://www.youtube.com/watch?v=SFj8Fq5xqhY
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Muschenich
       
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