# taz.de -- Der Wochenendkrimi: Wenn Gewalt zum Kotzen ist
> In vielen Krimisendungen geht von jungen Erwachsenen viel Schlechtes aus.
> Doch ist das nicht zu kurz gedacht?
IMG Bild: Szene aus „Polizeiruf 110: „Sie sind unter uns“
Um die junge Generation mache er sich „[1][eher weniger Sorgen]“, war eine
der erfrischendsten Aussagen der letzten Monate. Schön, dass sie es am
vergangenen Mittwoch auf die Titelseite der taz schaffte; und klar, dass
sie von jemandem kam, der Expertise und Empathie hat: der leider aber nach
25 Dienstjahren hochverdient ausscheidende Leiter der Bundeszentrale für
politische Bildung, Thomas Krüger.
Dass die Lage insgesamt komplex ist, zeigen nicht nur Studien zur
psychischen Gesundheit der Jungen, die durch Häufung und Dauer von Krisen
[2][deutlich mehr gebeutelt scheinen] als die Älteren – eine Trendwende,
sagen Forscher. Es ist durchaus auch eine konkrete Erfahrung im Freundes-
und Bekanntenkreis, wo es große Sorgen gibt um die jungen Erwachsenen,
nicht nur, aber doch verstärkt um junge Männer. Und schließlich gehört es
spätestens seit dem bis heute umstrittenen [3][Kult-„Tatort: Reifezeugnis“]
zur Tradition des deutschen Sonntagabendkrimis, dass von den Jungen eine
dunkle Bedrohung ausgeht, was nicht ausschließt, dass sie gleichzeitig als
besonders vulnerabel gelten.
[4][Der neue Magdeburg-„Polizeiruf“] erfüllt in dieser Hinsicht alle
Erwartungen. Schon der Titel „Sie sind unter uns“ lässt sich ja nicht nur
auf Verschwörungserzählung einer geheimen Weltherrschaft von Reptiloiden
beziehen, die Hirn und Herz des 17-jährigen Schülers Jeremy beherrscht;
genauso gut beschreibt er die jungen Menschen selbst, die sich in den
Erwachsenen fremden digitalen Welten bewegen, die dann plötzlich
schrecklich real werden. Es ist die stärkste Szene dieses Films, als alle
diese Ebenen zusammenkommen und der Schulamokläufer Jeremy ganz konkret
erlebt, wie zum Kotzen Gewalt, wie Übelkeit erregend es ist, Menschen zu
töten und sie sterben zu sehen.
Was an dem Film nervt, sind die üblichen Gebrechen des TV-Krimis: die
ausufernden Erklärungen dessen, was man ja ohnehin sieht oder gerade
gesehen hat, offensichtlich in der Annahme, das Publikum sei nebenbei halt
noch mit anderen Dingen beschäftigt beziehungsweise intellektuell
überfordert; das nicht einheitliche Niveau der Schauspieler:innen, zwischen
Laienbühne und hoher Kunst, was einen immer wieder aus der Illusion realen
Geschehens rauswirft (man kann gegen die Streamingproduktionen viel sagen,
aber da passiert das einfach nicht); die pseudoexpressionistische
Lichtregie, die auf Kunst macht, und die banale Musik, die jeden
Kunstanspruch unterläuft; und schließlich – ach – der Topos des „Sie gehen
da jetzt nicht allein rein, oder?!“, der wider jede Vernunft und Praxis die
Hauptermittelnde, Kommissarin Brasch, dann eben doch als einsame Heroin
in Szene setzen muss. Wenn man weiß, was Claudia Michelsen sonst so drauf
hat, scheint sie sich in dieser Produktion eher unwohl zu fühlen.
## Gewaltszenen prägen sich ein
Und doch bleibt etwas von „Sie sind unter uns“. Mikke Rasch als Jeremy
wahrt die Aura um seine Figur, verkörpert sie tatsächlich. Welchen Sinn es
genau macht, die Gewalt so drastisch darzustellen, erschließt sich nicht,
aber die Szenen prägen sich ein. Und was die Verschwörungserzählungen
angeht, bestätigt Jeremys Mutter Rebecca (Maja Beckmann) die bittere
Erkenntnis, dass die Verletzungen, die Menschen in der wirklichen Welt
erfahren, für sie viel schlimmer sind als jeder brandgefährliche Quatsch,
den die politisch-esoterischen Gurus als Trost und Lösung im Angebot haben
– und das immerhin gilt für Jung und Alt.
Magdeburg-„Polizeiruf 110“: „Sie sind unter uns“, So., 20.15 Uhr, ARD
21 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] /bpb-Praesident-zum-Zustand-der-Demokratie/!6110335
DIR [2] https://www.geo.de/wissen/weltgeschichte/junge-menschen-fuehlen-sich-weltweit-so-schlecht-wie-noch-nie-36008858.html
DIR [3] /Zum-Tod-von-Regisseur-Wolfgang-Petersen/!5875386
DIR [4] https://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/polizeiruf-110/sendung/sie-sind-unter-uns-100.html
## AUTOREN
DIR Ambros Waibel
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