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       # taz.de -- Fotoarbeit von Lina Czerny: Vom Werk an der Hülle
       
       > Lina Czerny interessiert sich für Körper und deren Wandelbarkeit. Mit
       > ihren Bildern zeigt sie, wie vielfältig unsere Vorstellungen von
       > Schönheit sind.
       
       Sie blickt direkt in die Kamera. Die Frau mit den türkisen Augen, die von
       langen, geschwungenen Wimpern umrahmt sind. Immer wieder bleibt man an
       diesen Augen hängen, wenn man sich die Fotoarbeit „I Am Not Like Me“ von
       Lina Czerny ansieht. Denn der Blick der Porträtierten ist uneindeutig.
       Einerseits wirkt er stark und selbstbewusst, andererseits geht eine gewisse
       Melancholie von ihm aus. Dies könnte einen Grund haben: Die Frau, die
       Czerny für ihre Abschlussarbeit an der Ostkreuzschule für Fotografie
       abgelichtet hat, wird aufgrund ihrer stark aufgespritzten Lippen nicht
       immer nett behandelt, habe sie ihr erzählt.
       
       Es ist [1][die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes], die Czerny in
       ihrer Arbeit interessiert. Hat sie sich im vorangegangenen Projekt noch mit
       den naturgegebenen Eigenschaften von Haut beschäftigt, geht es ihr diesmal
       um das Herumwerkeln an der eigenen Hülle. Was, wenn mir meine Gesichtszüge
       oder mein Körper nicht gefallen, wie sie sind? Wie kann ich zu einer
       besseren, schöneren, stärkeren Version meiner selbst werden? Czernys
       Fotografien, die bei Schönheitswettbewerben, in OP-Sälen und bei
       Eins-zu-eins-Begegnungen entstanden sind, zeigen mal subtil, mal explizit,
       aus wie viel Arbeit und Disziplin die abgelichteten Körper geformt sind.
       Und ja, auch Schmerz wie bei der Brust-OP, die Czerny fotografisch
       begleitet hat. „Wenn man mitbekommt, wie brutal das Ganze abläuft, ist es
       schon krass, dass man so etwas freiwillig macht, um einem bestimmten Ideal
       zu entsprechen“, sagt Czerny. Vieles habe sie vor der Beschäftigung mit dem
       Thema auch gar nicht gewusst. Etwa, dass Bodybuilder zur Vorbereitung
       auf einen Contest erst etliche Liter Wasser trinken und dann damit
       aufhören, um die Muskeln besonders hervortreten zu lassen.
       
       Ist wirklich immer alles nur [2][„Selflove“], wie es das Tattoo auf dem
       Oberarm der Kandidatin von „Miss Deutschland“ suggeriert?
       
       Schließlich bewegen wir uns in Sachen Schönheit im Spannungsfeld zwischen
       Selbstbestimmung und Prägung. Was wir für schön und erstrebenswert halten,
       hat nicht nur mit uns, sondern auch mit unserem Umfeld zu tun. Durch den
       gesellschaftlichen Wandel, Social Media und die Beautyindustrie entstehen
       immer neue Ideale, denen wir nachzueifern versuchen. Unsere Freiheit liegt
       vermutlich darin, zwischen den einzelnen Optionen auswählen oder uns ihnen
       ganz verweigern zu können. Oder sie nach unseren eigenen Vorstellungen
       umzusetzen, wie die Frau, die mit ihren Lippen aus der Masse heraussticht.
       
       Beim Shooting sei ihr wichtig gewesen, den Menschen auf Augenhöhe zu
       begegnen, sagt Czerny. Dafür verzichtet sie auf grellen Blitz. Die Bilder
       strahlen eine gemäldeartige Ruhe aus. „Ich wollte den Fokus darauf legen,
       dass es etwas Schönes ist, wenn wir alle unterschiedlich aussehen“, sagt
       Czerny. Man blickt den Porträtierten ins Gesicht und denkt: Menschen sind
       so wandelbar. Respekt!
       
       Lina Czernys Arbeit ist im Rahmen der Abschlussausstellung der
       Ostkreuzschule für Fotografie noch bis zum 5. Oktober im Cank in
       Berlin-Neukölln zu sehen. Ihr Fotobuch „I Am Not Like Me. Versions of
       Becoming“ erscheint demnächst im Kerber Verlag.
       
       20 Sep 2025
       
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